Vom 10. – 13. Juli hat die Bundeshauptstadt Berlin die halbjährlich Fashion Week beheimatet – dieses Mal für die Spring Summer 24 Kollektionen. Das FOGS Team war vor Ort und hat nachhaltige Trends, Innovationen und neue, kreative Brands entdeckt. Im Berlin Fashion Week Recap SS 24 zeigen wir Dir unsere Highlights!
Unsere Highlights der Berlin Fashion Week
1. Fassbender
Designerin Christina Fassbender wollte es diese Saison anders machen und präsentierte die SS24 Kollektion des Hamburger Labels als Videoformat: „Ich habe mir überlegt: Wie kann man eine klassische Fashion Show noch nachhaltiger gestalten? Für mich ist es nachhaltig, wenn man etwas schafft, das für immer bleibt. Den Fashion Film kann man sich weltweit immer wieder anschauen.“ Der Fashion Film wurde produziert von Jan Philipzen. Mehrere Models gehen und laufen mit wehenden Haaren und fließenden Kleidern durch die Straßen von Paris – fast so als wären sie auf der Flucht. Koffer und ein Tastentelefon sind wiederkehrende Elemente.
Kleidung ist echt
Das Video soll eine wichtige Botschaft überbringen: „Die Idee des Videos ist, dass man zeigt, welche Gefahren von AI ausgehen, welche Hektik und Stressmomente“, erklärt Christina Fassbender. „Im Gegensatz dazu steht die Kleidung, die die Handlung im Video entschleunigt. Das zeigt ganz genau: Das was man trägt, was man fühlt, ist echt. Alles was AI ist, ist künstlich. Kleidung ist echt.“ Die FASSBENDER Frühjahr/Sommer 2024 Kollektion steht unter dem Titel „Original“ und spielt mit der Definition und der Essenz des Wortes: Ein Original verkörpert sowohl das Echte, das schon immer existiert hat. Und gleichzeitig etwas völlig Neues, das noch nie zuvor gesehen wurde. So reduzierten das Design-Duo Christina Fassbender und Matthias Louwen traditionelle Kleidungsstücke auf ihre Grundidee und kreierten aus den Musterteilen etwas Neues.
Die verwendeten Materialien sind im Zuge der Nachhaltigkeit und Qualität sorgfältig ausgewählt: „In dieser Kollektion gibt es Stoffe mit ganz besonderen Strukturen, die wir in Japan hergestellt haben. Dann haben wir auch echtes Leder, das wir mit Oliven gegerbt haben, als Abfallprodukt der Lebensmittelindustrie. Und wir haben viele recycelte Materialien verwendet, beispielsweise recycelte Wolle“, erklärt Christina. Außerdem finden sich in dieser Kollektion, neben leichtem Lyocell und organischer Baumwolle, ein ganz neu entwickelter Denimstoff mit lasergefertigter Struktur. Insgesamt vermittelt die Kollektion sommerliche Leichtigkeit und ein Hauch Nostalgie.
2. Litkovska
Das ukrainische Label Litkovska sorgte zunächst für Verwirrung, als die Models bei der Fashion Show nicht mit luftig-sommerlicher Mode über den Laufsteg liefen, sondern mit schweren Wintermänteln. Das Label zeigte nämlich nicht die SS24 Kollektion, sondern AW23/24. Denn – die neue Kollektion hat ihre Premiere im Rahmen des Pariser Fashion Week Kalenders im Herbst. Bei rotem Licht und den Klängen der E-Gitarre vom französischen Musiker Julien Sitruk wurde die Fashion Show von einer magischen und auch emotionalen Atmosphäre umgeben. Die kahlen Betonwände des Kraftwerks, eine alte Fabrik, die als Show Location diente, betonten den „Brutalismus Chic“, wie die Designerin den Stil der Brand beschreibt.
Made in Ukraine
Das Licht in der Halle war schummrig und man hatte fast das Gefühl, man befindet sich in einem unterirdischen Bunker. Das war ganz die Absicht: „Alle unsere Kollektionen werden in einem Atelier in Kiev, Ukraine designt und hergestellt“, so die Designerin. „Dort arbeiten 30 Näher:innen“, fügt Brand Managerin Eugenia Pashchenko hinzu. „Die Lebenskonditionen dort sind aktuell sehr schlimm: Es gehört mittlerweile zum Alltag dazu, dass bei einer Sirenenwarnung die Mitarbeiter in den Luftschutzbunker im Keller flüchten und dort ausharren, bis der Angriff vorbei ist. Und dann setzen sie sich wieder an die Nähmaschinen und fahren mit ihrer Arbeit fort. Denn das Leben muss weitergehen. Wir wollen mit unserem Label auf die Situation in der Ukraine aufmerksam machen.“
Beim Press Brunch, der zwei Tage nach der Show im Hotel SO/ Berlin Das Stue konnte man die Geschichte der Brand und die Designerin näher kennenlernen. Lilia Litkovska stammt aus einer Familie mit vier Generationen von Schneidern. Ihr ist es besonders wichtig, ukrainische Handwerkskunst zu erhalten. „Litkovska ist als Label zwar Avantgarde, die Designerin referenziert aber immer die ukrainische Geschichte und das kulturelle Erbe“, erklärt Brand Managerin Eugenia. „Die Linie ‚Artisanal’ gibt es seit 2013. Die Pieces sind alle aus Reststoff-Material gefertigt, entweder was bei unserer Produktion übrig bleibt, oder wir kaufen es von anderen Labels. Diese Stoffe zerschneiden wir in Streifen und weben sie zu einem neuen Obermaterial. Wir verwenden eine sehr traditionelle ukrainische Webmethode, die aus dem Westen der Ukraine, aus dem Karpaten-Gebirge stammt. Mit dieser Handwebstuhl-Technik werden dort in kleinen Dörfern von älteren Damen Teppiche gefertigt. Dadurch ist auch jedes dieser von Hand gefertigten Kleidungsstücke einzigartig.“
3. Rebekka Ruétz
Im Rahmen des W.E4.Fashion Days zeigte die österreichische Designerin Rebbeka Ruétz ihre Spring Sommer 24 Kollektion auf der Berlin Fashion Week. Unter dem Titel „sæla“, der auf Isländisch „glückselig“ bedeutet, präsentierte sie eine geheimnisvolle, mystische Kollektion. Inspiriert von der isländischen Mystik und durch die tiefe Verbundenheit zur umgebenden isländischen Natur ist eine magische und kraftvolle Kollektion entstanden. Für die Kollektion wurden „Leftovers” aus Skibekleidung & Schmuck recycelt und zu nachhaltigen Dessous und handverlesenen Spitzen kombiniert. Das Label Rebekka Ruétz steht für eigenwillige, extravagante Kreationen und ist bekannt für einen spannenden Materialmix. Mit ihren Slow Fashion Kollektionen setzt die Designerin ein Zeichen dafür, die Modebranche nachhaltiger zu gestalten setzt sich für soziale Verantwortung und die Einhaltung hoher Qualitäts- und Umweltstandards ein.
4. Avenir
„Synthesis“ – unter diesem Titel steht die neue Upcycling Kollektion von Avenir. Das Wort bezeichnet die Zusammensetzung mehrer Einzelbestandteile, die verschmelzen. Ein etwas skurriles, aber interessantes Element der Performance waren Haare. Die Normalisierung von Körperbehaarung ist ein zentrales Thema in der Kollektion. Haare gehören wie selbstverständlich zu uns, bieten aber gleichzeitig Raum für Interpretation von Intimität, Religion und Idealen bis hin zur starken Politisierung. AVENIR greift diese Umstände auf und setzt somit ein Zeichen für selbstbestimmte Freiheit und gegen Unterdrückung. Die Show fand in der St. Elisabeth Kirche statt, ein symbolisch spiritueller Ort, die die Freiheitsbotschaft der Kollektion unterstrich.
Avantgarde aus Textilabfällen
Auch in der Saison SS24 bleibt Upcycling ein wichtiges Element für das Label von Gründerin Sophie Claussen. Anfang 2020 in Berlin mit der Mission gegründet, Textilabfälle zu vermeiden und die Umwelt zu schützen. Die Pieces werden als Maßanfertigungen und in Kleinserien aus überproduzierten und ausrangierten Textilien hergestellt, die sonst entsorgt werden würden. Für diese Kollektion wurden Anzugstoffe, Hemd-Materialien und Strick sowie Denim wiederverwertet.
5. Podyh
PODYH ist eine ukrainische, von der Architektur inspirierte Bekleidungsmarke für Frauen, die 2020 von der Architektin Daria Plaksiuk gegründet wurde. Die Designerin Daria Plaksyuk präsentierte im im Kronprinzenpalais unter dem Titel KHYZHA die Spring Summer 24 Kollektion. Sie betont Schlichtheit und Eleganz ohne unnötige Dekoration. Der Titel bedeutet auf Ukrainisch „Wohnhaus“ und bezieht sich auf die traditionellen Häuser der Lemken, einer der ethnischen Gruppen in der Karpatenregion.
Heimatstolz
Der enorme kulturelle Reichtum und das vielfältige Talent des ukrainischen Volkes ist der Designerin sehr wichtig. „Als ukrainische Designerin empfinde ich ein tiefes Gefühl des Stolzes, das Erbe meines Landes zu repräsentieren und es durch Mode mit der Welt zu teilen“, so Daria Plaksyuk. „Es war faszinierend, verschiedene Handwerkstechniken zu erforschen und sie in die Kleidungsstücke zu integrieren.“ So wurde zum Beispiel der traditionelle geschnitzte blumenartige Talisman über den Eingangstüren neu interpretiert: Jetzt ziert er die Ausschnitte auf der Rückseite von Kleidern und Oberteilen der neuen Kollektion.
6. IMPARI
Die Kollektion des jungen Zero-Waste Modelabels IMPARI sprühte nur so vor Lebensfreude. Zum Finale der Runway Show tanzten die Models gut gelaunt um den Laufsteg. Die Brand präsentierte seine Spring Summer 2024 Kollektion im ‘Freiraum in der Box’ unter dem Namen ONT≠KOP. Der Titel bedeutet „Disconnection“ und ist eine Referenz dafür, dass wir nicht mehr mit unserer Umwelt verbunden sind. Die Gründerin und Designerin Jana Heinemann setzte auf die typischen, aufregenden Prints des Labels. Der Raum der Show war mit zerknautschten Plastikflaschen „dekoriert“. Zusammen mit den ineinanderfließenden Materialmischungen erinnern sie an das von Plastikmüll belastete Meer. Die Kollektion verarbeitet recycelte Materialien und Schnittreste zu etwas ganz Neuem, Individuellem und Nachhaltigem. Bei IMPARI findet die Produktion ausschließlich auf Bestellung statt. Jana Heinemann unterstützt mit ihrem Label zusätzlich ein soziales Projekt in Ghana.
7. Der Berliner Salon
Die Berlin Fashion Week startete mit der Eröffnung des Berliner Saison. Schon seit 2015 vereint diese Gruppenausstellung das Beste aus Design und Mode, international und national. Ein wichtiges Kriterium für die Auswahl der Brands ist, dass die Designer:innen sich für nachhaltige, zeitgemäße Entwicklung sowie Produktion ihrer Kollektion einsetzen. Christiane Arp, Vorsitzende des Fashion Council, kuratierte 51 Designtalente aus den Bereichen Mode, Interior, Kunst, Beauty und Accessoires. Unterstützt wurde sie dabei von Marcus Kurz, CEO von Nowadays. Nicht nur die Designer und ihre Kollektionen oder Produkte, aber auch die Veranstaltung selbst spiegelt den Fokus auf Nachhaltigkeit wider. Zum Beispiel ist der Berliner Salon neu klimaneutral: Die Ausrüstung und das Abfallaufkommen wurden reduziert, und gebrauchte Requisiten wie die weißen Teppiche im Foyer gespendet und nach dem Event wieder aufbereitet.
Den Fashion Week Recap der FW23/24 Kollektionen aus Berlin und Copenhagen kannst Du hier nachlesen.