Vom 1. bis 4. Juli fand die Berlin Fashion Week SS25 statt. Rund 35 Labels präsentierten ihre Spring Summer 25 Kollektionen. „Berlin zeigt sich wieder als ‘Powerhouse of Talents’, wo Innovation und Kreativität auf internationalem Niveau zu Hause sind. Die Berlin Fashion Week hat sich als Magnet für außergewöhnliche Modeschöpferinnen und Modeschöpfer aus aller Welt etabliert und spiegelt die dynamische und diverse Atmosphäre unserer Stadt wider“, so Staatssekretär Michael Biel, Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Die Berlin Fashion Week wird jetzt noch nachhaltiger: Sie verkündete die Partnerschaft mit der Copenhagen Fashion Week zur Einführung der dort geltenden Sustainability Requirements. Wir zeigen unsere nachhaltigen Highlights von der Berlin Fashion Week.
1. Rebekka Ruétz
Im Rahmen des „CollectiveFour“ Events präsentierte Rebekka Ruétz Berlin Fashion Week ihre Sommer Kollektion FS25 mit dem Titel „BLACK SUN“. Der Titel kommt aus der Astrophysik: „Ich bin auf einen Artikel von Physiker Nassim Haramein gestoßen“, erklärt Rebekka Ruétz im Interview. „Er erforscht schwarze Löcher in der Sonne und nennt sie „Black Sun“. Die Sonne steht für mich für Leben, mit den schwarzen Löcher assoziiere ich den Tod.“ Einer der Prints der Kollektion spiegelt dieses Phänomen wider, ein anderer stellt den Sonnengott Horus als Hyroglyphen-Print dar. Auch in dieser Kollektion verwendet die österreichische Designerin wieder kreative Upcycling-Techniken: „Die Handyhüllen-Firma Casify ist auf mich zugekommen, als sie mein Upcyclingprojekt mit Skechers gesehen haben. Im ersten Moment habe ich überlegen müssen, was ich damit mache, weil ich wollte die Handyhüllen nicht zerstören oder einschmelzen. Die großen Taschen sind mulifunktional und man kann man sie auch als Tops tragen.“
Rebekka ist bekannt für ihr Engagement für nachhaltigere Mode. Die Kollektionen und Muster werden lokal in Deutschland und Österreich hergestellt und viele Pieces nur auf Bestellung oder in begrenzten Mengen. „Was ich mir als Ziel gesetzt habe, ist möglichst wenig Neues zu produzieren und das zu verwenden, was da ist“, erzählt Rebekka Ruétz. „Das ist gleichzeitig eine Herausforderung, aber auch das Spannende, weil man einerseits etwas Neues zeigen will, aber nur bestimmte Ressourcen nutzen kann. Da ist sehr viel Kreativität gefragt.“ Die Prints sind auf upcyceltem, recyceltem Polyestermaterial gedruckt, ansonsten hat die Designerin nur Biobaumwolle und upcyceltes, veganes Leder.
Fotos: © Getty Images / Sebastian Reuter for rebekka ruétz
2. AVENIR
Während man sich anfangs noch über die Location in der Fußgängerzone des Potsdamer Platz wundert, wird bald klar, was das Berliner Circular Fashion Label AVENIR darstellen möchte. Mit dem Titel „COMMUTE“ zeigt das 2020 von Sophie Claussen gegründetet Label Looks von Bett bis Business. Die Accessoires wie goldene Zugtickets als Ohrringe, übergroße Taschen mit Straßenkarten-Prints sowie eine Patchwork-Denim-Einkaufstasche mit Rollen fallen besonders auf. „,Commute‘ ist von Pendlern inspiriert: Jeder Einzelne ist einzigartig, einander fremd und doch verbunden durch ein gemeinsames tägliches Ritual. Ob in Berlin, London, Tokio oder New York – sie alle teilen die Erfahrung des Pendeln“, erklärt Designerin Sophie Claussen. „Mit unserer Kollektion vereinen wir die anonymen Gesichter in der Menge, die unterschiedlichen Persönlichkeiten, Stile und Routinen, die alle zur Pendlerkultur beitragen. Uns fasziniert die tägliche Reise, die wir gemeinsam mit Fremden unternehmen, kleinste Räume teilen und das gleiche Ziel verfolgen, nämlich unser eigenes zu erreichen.“
Alle Kollektionsteile entstehen nach dem Slow-Fashion-Prinzip: Von Baumwolle, Leinen und Lammwolle bis hin zu Poly-Chiffon-Mischungen und Denim – alle Materialien stammen entweder aus Restposten oder wurden upgecycelt. „Alle Looks sind auf die praktischen und ästhetischen Bedürfnisse derjenigen ausgerichtet, die sich täglich durch die Stadt bewegen. Geometrische Muster und Patchworks erinnern an Kacheln und Sitzbezüge in U-Bahn-Stationen oder die horizontalen Streifen von Businesshemden, die wir neu interpretiert haben“, erläutert Sophie Claussen. „Unsere Kernstärke liegt in der zirkulären Produktion, wobei wir das Upcycling und die Abfallreduzierung in unseren Designs betonen.“
Fotos: © Annette Riedl für AVENIR
3. Marke
2021 hat Designer Mario Keine unter dem Akronym MARKE sein eigenes Modelabel gegründet. MARKE kreiert Unisex-Kollektionen, die der Figur Raum geben, gleichzeitig verschiedene ästhetische Formen zu erkunden. Mario Keine präsentierte die SS25 Kollektion auf der Berlin Fashion Week in Zusammenarbeit mit dem Kulturforum. Die Inspiration für „Zapfenstreich“ kamen von den ländlichen Schützenfesten, mit denen der Designer im Sauerland aufwuchs. Uniformjacken, Wimpelhosen und Schärpen stehen für seine Kritik an Traditionen und Gruppen, die auch heute noch Menschen ausgrenzen und diskriminieren. „Als aktives Mitglied eines Musikvereins habe ich viele Schützenfeste miterlebt. Bei diesen Veranstaltungen schießen Mitglieder der örtlichen Schützenbruderschaft auf einen Holzvogel, der Sieger wird zusammen mit seinem Partner gekrönt und gefeiert. Diese Feste, die Innovationen oft unter dem Deckmantel der Tradition ablehnen, lösten eine Reflexion über die Exklusivität und mangelnde Inklusivität traditioneller Bräuche aus.“
Dem stellt Mario Keine die Mischung traditionell männlicher Formen mit Elementen aus der queeren Kultur entgegen. Die Kollektion stellt den Status Quo in Frage, indem sie typische Elemente der Schützenfestkleidung neu interpretiert und sie mit visuellen Aspekten marginalisierter Gruppen verbindet. Der Einsatz von leuchtenden Karos, Jerseys und Melange-Stoffen in Farbtönen wie Türkis-Rosa oder Schwarz-Rot zelebriert Individualität. Die Materialien stammen ausschließlich aus italienischen Überbeständen und Restbeständen, was die Nachhaltigkeit der Kollektion gewährleistet.
Fotos: © FOH by studioalexanderfischer
4. 20 Jahre Kilian Kerner
Ein weiteres Highlight der „CollectiveFour“ war die Präsentation von Kilian Kerner, der dieses Jahr sein zwanzigstes Jubiläum feiert. Der Designer hat sein Modelabel 2004 gegründet fing mit Upcycling und Recycling Kollektionen an. 2008 nahm er an der ersten Berlin Fashion Week teil und gehört damit zu den wenigen Labels aus den Anfangszeiten der deutschen Modewoche, die immer noch präsent sind. Entsprechend viele Emotionen sind am großen Tag auf dem Laufsteg zu erwarten. Vor der Show erzählt Kilian Kerner, dass er sehr aufgeregt ist. „Ich bin heute morgen aufgewacht und im Hotelzimmer auf und ab gelaufen. Dann habe ich 80er Musik angemacht und getanzt, obwohl ich nie tanze. Aber auch freudig aufgeregt, ich freue mich sehr auf die Show und bin gespannt, was heute passiert. 20 Jahre ist schon krass. Ich weiß, dass ich das seit 20 Jahren mache und es fühlt sich trotzdem noch immer so an als würde ich anfangen.“
Kilian Kerner ist kein Mensch, der gerne in der Zeit zurückblickt, denn er lebt gerne im Hier und Jetzt und für die Zukunft. „Aber was über die Jahre das Wichtigste war, ist dass ich mir immer vertraut habe und wusste, das ist der richtige Weg. Auch am Anfang, wo alle nur gelacht haben, als ich Mode gemacht habe.“ So, wie sein Karriereweg eine fortlaufende Reise ist, ist es auch die Entwicklung der Nachhaltigkeit in seinem Label. „Ich schaffe nicht, hundertprozentig nachhaltig zu sein. Mein Ziel ist jedoch, so nachhaltig wie möglich zu sein. Unser Ansatz ist, fast keine tierischen Materialien mehr zu verwenden. Wir haben Lieferketten verkürzt, um Transportwege zu vermeiden. Aber wir arbeiten stetig weiter“, erklärt der Designer.
Herz im Kopf
Bei der Show gibt es wie erwartet viele Emotionen. Es ist eine sehr persönliche, schmerzhafte und zugleich fröhliche Kollektion mit dem Titel „Herz im Kopf“. Sie fängt das Gefühl von Liebeskummer ein – mit Styles, die verdreht auf dem Kopf stehen oder auf den ersten Blick falsch sind. Gleichzeitig gibt sie Hoffnung: Am Ende wird alles gut. Das unterstreichen Styles, die glitzern und nach vorne gehen. Sie stehen für den Heilungsprozess, drücken Kraft und Selbstbewusstsein aus, wie man es von Kilian Kerner gewohnt ist. Mit Denim, Pailletten, Glitzer, Blumen und Blüten zieht er Zitate aus den Kollektionen der vergangenen 20 Jahre.
Fotos: © Andrew Thomas for BFW
5. Milk of Lime
Der Beginn der SS25 Show von Milk of Lime kündigt sich mit immer lauterem Donnergrollen an – wie ein nahendes Gewitter. Und tatsächlich: Die Kollektion schlägt ein wie ein Blitz. Sie besteht aus Tailoring-Westen und Jacken aus festen Stoffen, Mäntel aus Baumwolljacquard, fließende Hemden mit zerflossenem Farbakzent, transparente Organza-Tops und Kleider, Fransenelementen, Lederjacken und Graphic Tees.
Auffällig ist, dass einige Kleidungsstücke durch Fransen und Stoffakkumulationen zerschlissen wirken. So, als wären sie von einem starken Wind zerfetzt worden. Das soll die Macht der Naturgewalten darstellen. „Die Kollektion handelt vom Wetter und wie wir das Wetter auf dem Land wahrnehmen, da wir in einem kleinen Dorf in Südwest-Deutschland unseren Sitz haben: Neustadt an der Weinstraße, nahe Mannheim. Dort ist Julia aufgewachsen“, erzählt Nico Verhaegen, der ursprünglich aus Belgien stammt. „Wir haben ein Buch mit Wettervorhersagen entdeckt, was uns auf die Idee brachte, das in unsere Kollektion einfließen zu lassen.“ Auch die Farbpalette spiegelt das Konzept Sturm und Gewitter wider. Wie bei dunklen Wolken mischt sich grau mit schwarz, dazwischen blitzen gelbe Akzente auf dunkles lila rundet das Donnerwetter ab.
Das Label setzt auf maßgeschneiderte Produktion und Produktion auf Anfrage. So können sie Überproduktion entgegenwirken und Ressourcen und die Umwelt so weit wie möglich respektieren. Nachhaltige Praktiken wie Ausbesserung, Reparatur, Upcycling und Recycling sind für sie unabdingbar. Aus diesem Credo heraus nutzen sie auch ausschließlich natürliche Materialien, in dieser Kollektion hauptsächlich Seide und Leder. Jedoch steht immer die Qualität des Kleidungsstück im Vordergrund: „Ich mag das Wort „nachhaltig“ nicht“, deklariert Nico Verhaegen. „Es hat für mich alle Bedeutung verloren in den letzten Jahren. Das nachhaltigste Kleidungsstück für mich ist eines, das mit dir lebt und altert. Natürliche Materialien machen das am besten: echtes Leder, Seide, Leinen – sie altern wunderschön.“
Fotos: © Andrew Thomas for BFW
6. PLNGNS
Der in Kiew lebende Designer Mitya Hontarenko zeigte seine Kollektion „Sneaker Riot“ für PLNGNS in Berlin. Die nachhaltigen Entwürfe bestehen hauptsächlich aus recycelten Sneakers im Patchworkstil. Das Modelabel hat nach Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine seinen Sitz bewusst nicht in ein anderes Land gelegt. Seine Herkunft beeinflusst ihn maßgeblich: „Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir unseren Sitz und arbeiten wir in Kiew. Während des Designprozesses wurde deutlich, wie sehr uns der Krieg beeinflusst. Dies betrifft nicht nur die Farben, die wir verwendet haben, sondern auch die Stile und Schnitte. Unbewusst haben wir eine Vielzahl von Westen und kunstvollen Jacken entworfen, die eng am Körper anliegen. Dass wir täglich militärischen Körperschutz und Kompressionsanzüge sehen, scheint uns geprägt zu haben.“
Der Designer hat das Handwerk nicht studiert, was ihm einen unkonventionellen Zugang zur Modeschöpfung verleiht. Wegen der vielen verschiedenen Komponenten ist es sehr schwierig, Sneaker zu recyceln. Mitya Hontarenko wagt es dennoch. Zu Beginn bot er customized Sneaker an. Dann fing er an, die Sneaker auseinander zu schneiden und wieder zusammen zu setzen. Es ist ein kreativer und durchwegs handgefertigter Prozess. PLNGNS vergleicht den Prozess der Herstellung solcher Schuhe und Kleidungsstücke mit dem Malen auf einer Leinwand: Mit jedem hinzugefügten Element kann sich das Design weiterentwickeln. „Die Magie liegt darin, etwas Neues aus etwas Altem zu schaffen“, erklärt der Designer. „Unser Hauptanliegen ist es immer, neue, kreative Ansätze zu entwickeln, die dem Leben der Kleidung und der verwendeten Materialien gerecht werden.“
Fotos: © Boris Marberg for BFW
7. Der Berliner Salon
Erstmals fand die Gruppenausstellung des Berliner Salons in den imposanten Hallen des Bode-Museums statt, zwischen Kunstgeschichte und Marmorstatuen. Hier können Besucher:innen die zeitgenössischen Kreationen der 44 Teilnehmer:innen aus den Bereichen Mode, Interiordesign und Beauty entdecken. Als Bühne für Nachwuchstalente waren auch die Looks der Finalist:innen des FCG/VOGUE Fashion Funds zu sehen. Die globale Initiative, welche während der letzten BFW im Februar bekannt gegeben wurde und erstmals in Deutschland stattfindet, hat es sich zum Ziel gesetzt, junge aufstrebende Talente zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen.
Aufstrebende Designer, die gefeatured wurden waren unter anderem Laura Meissner, Katharina Dubbick, Marius Moninger, Lennart Bohle und Rosalie Bock. Es gab auch einige bekannte Gesichter in der Branche der nachhaltigen Mode: unter anderem Société Angelique, Studio Karen Jessen und Zero-Waste Label Natascha von Hirschhausen. Accessoire-Label Susu Accra zeigte handgefertigte Taschen aus Ghana mit Mustern von afrikanischen Stämmen, während Münchner Label Suisuee kunstvollen Schmuck präsentierte, dessen organische Formen mit 3-D Druck kreiert werden.
Fotos: © Der Berliner Salon, BFW
Unsere Highlights vom letzten Jahr findest Du hier.