Vor einigen Jahren habe ich beschlossen, keine Strumpfhosen mehr zu kaufen. Bei mir mutieren die fragilen Maschen nämlich immer zu einem Einweg-Wegwerfprodukt. Kurz irgendwo angeschrammt – Laufmasche. Mit dem Fingernagel hängengeblieben – Laufmasche. Nach nur einem Gebrauch wanderten die meisten daher in den Mülleimer und ich beschloss, im Sinne der Nachhaltigkeit komplett auf sie zu verzichten. Ein Problem, das offensichtlich nicht nur ich habe. Denn als Anna Rauch und Alexandra Tymann vor einigen Jahren beschlossen, gemeinsam ein Unternehmen zu gründen, stand die Strumpfhose ganz oben auf ihrer Liste. Mit ihrem Start-Up wollten sie nämlich eine nachhaltigere Lösung für Produkte finden, die sie im Alltag lästig fanden und die seit Jahrzehnten keine Innovationen erlebt hatten. Eine langlebige Strumpfhose ohne Laufmaschen also. Und siehe da, ihr Label Hēdoïne traf damit genau ins Schwarze. Mittlerweile wächst das preisgekrönte Label immer weiter und der Standort wanderte von Berlin nach London.
Pünktlich zum Launch darf ich nun also die neueste Innovation von Hēdoïne testen: Die erste Strumpfhose mit laufmaschensicherer Technologie, die sogar biologisch-abbaubar sein soll.
Biologisch-abbaubar – fast
Nun muss aber gleich vorweg etwas gesagt werden: Auch, wenn sich die neue Strumpfhose von Hēdoïne „biologisch-abbaubar“ nennen darf, ist das nicht ganz der Fall. Zumindest ein 100%ig biologisch-abbaubares Strumpfhosengarn ist derzeit noch nicht möglich. So ist das enthaltene Nylon zwar wirklich innerhalb von 3-5 Jahren unter bestimmten Bedingungen abbaubar, das Elastan, mit dem es kombiniert werden muss, aber nicht. Hēdoïne kommuniziert das allerdings transparent und die Strumpfhosen fallen damit definitiv in die Kategorie „besser als die konventionelle Variante“.
Springen wir kurz zum Lebensende der neuen Strumpfhosen. Sind sie nicht mehr tragbar, können sie kompostiert werden – allerdings nur unter speziellen Bedingungen. Im Restmüll entsorgt, zersetzen Bakterien in professionellen Abfallanlagen dann das Nylon in Biomasse und Biogas. Beides kann als neue Ressource zur Stromerzeugung genutzt werden. Das Elasthan bleibt danach übrig. Ein Prozess, der im Heimkomposter nicht möglich ist, zudem behandeln nicht alle Länder Europas ihren Restmüll auf diese Art und Weise. Herauszufinden, ob die Entsorgung im eigenen Restmüll die umweltschonendste Variante ist, erfordert also zusätzlich viel Recherche. Deshalb plant Hēdoïne, dies im Rahmen ihres Recyclingprojekts zu vereinfachen, bei dem Strumpfhosen an die Marke zurückgeschickt werden können.
Look & Feel der Strumpfhose
Die OEKO-TEX® zertifizierte, in Italien gefertigte Strumpfhose in 30 DEN fühlt sich sehr soft an, lässt sich bequem anziehen und wirkt hochwertig. Das sollte sie auch, denn der Preis für ein Paar beträgt stolze € 33. Sofern sie hält, was sie verspricht, wäre das allerdings eine tolerierbare Investition, rechnet man den schnellen Verschleiß billiger Modelle hoch. Auch die Verpackung der veganen, tierversuchsfreien Strumpfhosen ist aus 100% recyceltem Papier gemacht.
Den ersten Härtetest bekommt die Strumpfhose gleich am ersten Tag. Ein langer Nachmittag, viel unterwegs und abends der Risikofaktor schlechthin: Das Sitzen auf einem Holzsessel im Café. Ich kann nicht zählen, wie viele Strumpfhosen ich durch die raue Oberfläche so einer Sitzgelegenheit bereits kaputt gemacht habe. Aber siehe da, ein bisschen Reibung scheint diesem Modell tatsächlich nichts auszumachen. Auch ein paar Schreckmomente im Laufe der Woche durch Klettverschlüsse und einem spitzen Steinchen im Schuh übersteht sie unversehrt. Aber dann passiert es doch, ein kleiner Kratzer. Der Endgegner: ein eingerissener Fingernagel. Allerdings hält das Material hier, was es verspricht. Denn statt einer Laufmasche zeigt sich lediglich ein kleiner Kratzer, der die Strumpfhose noch problemlos tragbar macht.
Aus Strumpfhosen werden Reifen
In Zukunft soll sogar die ganze Range der Marke in dieser biologisch-abbaubaren Weise hergestellt werden. Außerdem auf der Nachhaltigkeits-Agenda: Ein Recyclingprogramm für Strumpfhosen und Leggings. Hier können auch Produkte anderer Marken eingeschickt werden, die dann ein neues Leben als Isolierung oder sogar als Reifen erfahren.
Mein Fazit
In Sachen Strumpfhosen bin ich der ultimative Härtetest. Dass die neue Strumpfhose von Hēdoïne eine Woche mit nur einem kleinen Kratzer überstanden hat, zeugt daher von guter Qualität. Der Gesamteindruck ohne Plastikverpackung überzeugt ebenfalls. Was den tatsächlichen Unterschied machen würde, ist ihre Entsorgung. Die nachhaltigste Methode wäre das Zurücksenden, damit sinnvolles Recycling wirklich gewährleistet wird. Ob sich jede:r Konsument:in diese – zugegeben kleine – Mühe antut, hängt allerdings von der Wertschätzung für Produkt und Umwelt jedes und jeder Einzelnen ab.