„Mein Ziel ist es, dass es meine Organisation bald nicht mehr gibt“ – ein Satz, den wohl nicht viele Unternehmerinnen aussprechen würden. Anders die Peruanerin Albina Ruiz, die weltweit über 11.500 in Armut lebenden Müllsammlern einen Perspektive durch Recycling gegeben hat und so gleichzeitig die Umwelt entlastet. Wie sie das geschafft hat, erzählt sie im Gespräch mit FOGS.
„Wenn wir es schaffen würden, dass diese Menschen uns nicht mehr brauchen, ginge mein Traum in Erfüllung“, lacht Albina. Doch bis dahin ist es noch ein weiter weg. Man schätzt, dass es weltweit über 24 Millionen Menschen gibt, die ihren Lebensunterhalt durch das Suchen, Wiederverwerten und Weiterverkaufen von Müll verdienen. Über 80 Prozent davon geschieht im Rahmen von informeller Schattenwirtschaft. Diese Menschen sind nicht nur arm, sondern werden auch sozial ausgegrenzt, weil die Arbeit als Müllsucher nicht respektiert wird. Sie leben meist nahe oder direkt auf Müllhalden – und das in alarmierend ungesunden, unhygienischen und degradierenden Umständen.
“Ich habe noch nie so etwas gesehen”
In elf lateinamerikanischen Ländern und in Indien bietet Albina Ruiz und ihre Organisation „Ciudad Saludable“ (= „Gesunde Stadt“) diesen Menschen eine Möglichkeit, ihr eigenes Mikro-Unternehmen zu gründen und selbst nachhaltig zu wirtschaften. Die Erfolgsgeschichte begann in Peru, wo Albina mitten im Dschungel aufgewachsen ist – und wo alles wiederverwertet und nichts weggeworfen wurde.
Der große Schock kam, als sie für ihr Studium von ihren Eltern ein One-Way-Ticket nach Lima bekam: „Ich ging durch die Straßen an riesigen Müllbergen vorbei und fragte meinen Bruder: „Was ist das?“ Ich hatte so etwas noch nie zuvor gesehen.“ Schnell wurde klar: Da muss etwas verändert werden!
Ein paar Jahre und ein Umwelttechnik-Studium später, gründete Ruiz „Ciudad Saludable“: Durch die Organisation werden Müllsammler, die ehemals auf der Straße nach wiederverwertbaren Dingen zum Überleben suchten, zu Recycling-Spezialisten, die ihr eigenes Mikro-Unternehmen gründen. Der eingesammelte Müll wird getrennt, die vermarktbaren Rohstoffe an Händler weiterverkauft und Biomüll zu Kompost verarbeitet.
So profitieren nicht nur die Recyclingmanager durch eine stabile Einkommensquelle, sondern auch die Bewohner der Slums, worum die städtische Müllabholung früher einen Bogen machte, weil die Einwohner die Gebühren nicht bezahlen konnten. Jetzt gibt’s es zwar auch noch eine Gebühr, die ist allerdings viel geringer und kommt den Recycling-Spezialisten zugute.
Zirkuläre statt lineare Ökonomie
Ein großes Problem beim Recycling sei vor allem das Plastik, erzählt Albina: „Viele Arten von Plastik lassen sich nur schwer recyceln oder weiterverkaufen. Die Verantwortung liegt hier bei den Konzernen, die beim Design ihrer Verpackungen umdenken müssen. Wir müssen weg von einer linearen und hin zu einer zirkulären Produktion, wo wir natürliche Ressourcen so verarbeiten, dass wir sie immer und immer wieder verwenden können und nur ein kleiner Teil davon in den Müll wandern muss.“
Weltweit sieht die Sozialentrepreneurin schon eine Tendenz hin zu einer zirkulären Art zu wirtschaften, aber in Entwicklungsländern wie Peru oder Indien sei das aufgrund der Korruption sehr schwierig: „Die Konzerne wollen nicht umdenken und korrumpieren die Regierungen, die durch strengere Gesetze die Überproduktion von Müll eigentlich in Schach halten sollten. Und wir finanzieren diese Konzerne. Du siehst: Wir müssen das ganze System verändern – unseren Konsum, die Produktion und die staatliche Regulierung. Nur so können wir das Problem in den Griff bekommen.“
“Du hast einen der wichtigsten Jobs überhaupt!”
Dafür kämpfen Albina und ihre Organisation schon seit über 30 Jahren – mit Erfolg. In Peru konnte sie ein neues Gesetz durchsetzen, dass die Eingliederung der Müllsammler in das Sozialsystem ermöglicht. Dadurch bekommen sie Zugang zum staatlichen Versicherungs- und Gesundheitssystem. Und vor allem: Ihre Arbeit wird anerkannt und respektiert. Das ist das wichtigste, meint Albina: „Ich sage immer: Du hast einen der wichtigsten Jobs überhaupt! Du hilfst dem Planeten. Wenn es dich nicht gäbe, würden wir schon im Müll ersticken!”
Den Müllmanagern, die aus den untersten Bevölkerungsschichten kommen und oft Opfer von extremer Armut und Gewalt sind, werden durch „Ciudad Saludable“ auch Therapien angeboten, um Selbstbewusstsein und –Achtung wieder zu erlangen: „Um gut arbeiten zu können, muss man auch von innen heraus gesund sein. Wir würden nicht viel verändern, wenn wir den Menschen nur beibringen würden, mit Recycling zu arbeiten und nicht mit sich selbst.“
Was kann man selbst gegen das Problem tun?
Auf die Frage, was jeder selbst tun kann, um der Überproduktion von Müll ein Ende zu bereiten, hat Albina eine einfache Antwort: „Essensreste Kompostieren, seine Stoff-Tasche zum Einkauf mitbringen. Und seinen Glasbehälter für Fisch und Fleisch. Nicht so viel Kleidung kaufen. Brauchen wir wirklich mehr als zwei Paar Schuhe, zwei Paar Hosen und ein paar T-Shirts? Wir Konsumenten haben eine Macht, die wir nicht nutzen! Wir müssen uns vor jedem Kauf fragen: „Brauche ich das? Ist das Produkt und die Verpackung gut für die Umwelt? Wie lange wird dieses Produkt halten?“
Wenn wir alle diese drei einfachen Fragen bei unserem nächsten Einkauf im Hinterkopf haben, machen wir schon einen Schritt in die richtige Richtung. Denn, wie Albina unser Gespräch mit einem Augenzwinkern beendet: „Wenn wir sterben, können wir all das sowieso nicht mitnehmen.“
Wie du einfach und in kleinen Schritten etwas für die Umwelt tun kannst, kannst du unter A BETTER YOU nachlesen.
Mehr zum Thema Recycling kannst du HIER und HIER nachlesen.
Vielen Dank an ASHOKA für die die Möglichkeit, dieses spannende Interview führen zu dürfen.