Stellt euch vor, ihr führt ein florierendes Unternehmen, das zu gleichen Teilen euch und eurem Ehepartner gehört. Ihr bekommt Interviewanfragen, habt Geschäftstermine und niemand will dafür mit euch sprechen, sondern mit eurem Ehemann. Von solchen kuriosen Ungerechtigkeiten kann Lucie Germser, ihres Zeichens Denim Creative der Fachmesse Bluezone, ein Liedchen singen. Unter dieses Kapitel ihres Lebens zog sie einen Schlussstrich und gründete die Branding-Agentur Sphynx, die sie alleine führt. Sie entschied sich außerdem, etwas gegen ungerechte Machtverteilungen wie diese zu unternehmen. Damals waren ganze 100% der Aussteller der Bluezone männlich. Sie tat sich mit anderen Frauen der Branche zusammen, organisierte regelmäßige Treffen sowie einen Talk auf der Bluezone.
„Diese gemeinsamen Momente waren eine Offenbarung“, erinnert sich Lucie heute. „Wir hatten alle nicht nur dasselbe Gefühl der Ungerechtigkeit, sondern hatten alle schon unglaubliche Situationen der Diskriminierung erlebt in unseren Berufen. Aber nun sind wir nicht mehr alleine. Wir pushen uns gegenseitig, was super motivierend ist.“ Ganz plötzlich entstand damit nicht nur eine Gelegenheit des kreativen Austausches, sondern auch ein Forum für neue Ideen und mutige Ansätze. Vom Geist der Veränderung gepackt, gründete Lucie zusammen mit Product Designer und Denim-Expertin Anne Oudard daraufhin „The Women in Denim” und der erfolgreiche Talk wurde zum jährlichen Event, den die Bluezone fortan supportet. The Women in Denim arbeiten seitdem daran, die Community zu vergrößern, Frauen in der Industrie zu empowern und für Gleichberechtigung zu kämpfen. Ungefähr 180 offizielle Mitglieder rund um den Globus, samt großer Social Media Community zählen die Women in Denim bis dato.
Die Geschichte von Frauen in Denim
„In Gesprächen hört man immer noch Dinge wie: Okay, das ist schon eine nette Sache, aber Frauen beschweren sich doch über alles“, erzählt Lucie ohne Resignation. „Aber das hält uns natürlich nicht auf.“ Trotz Jahren voller Einsatz der Women in Denim hat sich die Frauenquote auf Messen bei weitem noch nicht an die wünschenswerten 50% angenähert, nicht in so kurzer Zeit. Denn für Frauen scheinen die Mühlen in der Denim-Industrie sehr langsam zu mahlen. Ganze 45 Jahre nach der Erfindung der Denim-Jeans brauchte es beispielsweise, um das erste Modell für Frauen einzuführen. Ursprünglich für hartarbeitende Farmer, Mienenarbeiter und Cowboys entwickelt, galt Denim als zu grob für die Damenwelt. Jeans waren das Symbol der maskulinen Arbeiterklasse.
Während des ersten Weltkrieges begann sich die Stellung der Frau zu wandeln, viele von ihnen übernahmen erstmals Arbeiten von Männern, die einberufen wurden. Da sich alltägliche Damenbekleidung nicht als stabil genug erwies, begannen die Arbeiterinnen, Männerjeans für sich zu entdecken und schneiderten diese um. Im Jahr 1918 war der Krieg zu Ende und Levi Strauss & Co kreierte seine „Freedom-Alls“, die allerdings noch nichts mit der heutigen Auffassung von Jeans gemein hatten. Der One-Piece Suit aus einem Denim-ähnlichen Baumwollstoff war korsettfrei und damit lockerer als die damalige Alltagsmode, hatte Hosenbeine im Haremstil und war für „Arbeit und Freizeit“ gedacht.
Im Jahr 1934 kam endlich die erste Denim-Jeans für Frauen auf den Markt, ebenfalls von Levi Strauss & Co. Die feminine Version der 501er Jeans, genannt „Lady Levi’s“ brauchen wir an dieser Stelle nicht näher zu beleuchten – denn sie ging in die Geschichte ein und wird bis heute in nur leichter Abwandlung gleichermaßen getragen und gefeiert.
„We Can Do It!“
Geboren aus dem weiblichen Freiheitsdrang der Post-Kriegs-Ära wurden die Jeans bald zum Symbol für Rebellion gegen eingesessene Geschlechterrollen. Während des zweiten Weltkriegs wurden Frauen in Jeans endgültig zum Symbol der Kriegsanstrengungen, verkörpert durch die kultige, Jeansoverall-tragende Kunstfigur Rosie the Riveter, die in die Popkultur-Geschichte einging. Nach dem Krieg lockerten sich nicht nur die Fronten, sondern auch die Akzeptanz für Frauen in Arbeiterhosen. Jeans wurden nicht mehr länger als Workwear gesehen, sondern waren auch für Freizeitaktivitäten akzeptabel, wenn nicht sogar stylish. Zum ultimativen It-Status verhalf ihr eine besondere Ikone der Popkultur – Marilyn Monroe. Ihre Fotoshootings in engen High Waist Jeans gelten heute noch als ein Synonym für den Sexappeal der 50er und 60er Jahre.
Denim & Feminismus
Als ein Symbol für die Verschiebung traditioneller Geschlechterrollen sind Jeans eng verwoben mit der Geschichte des Feminismus. So ging auch der jährlich stattfindende „Denim Day“ in die weibliche Geschichtsschreibung ein. Ende April gedenkt man einem dunklen Tag, der allerdings viele Kräfte mobilisierte. Der „Denim Day“ soll auf einen Missbrauch aufmerksam machen, der im Jahr 1998 in Italien vor Gericht kam. Dem Opfer wurde damals vorgeworfen, dem Täter beim Übergriff sogar noch geholfen zu haben – denn sie trug enge Jeans, die er angeblich nicht alleine hätte entfernen können. Die ausgezogene, enge Jeans wurde als Einwilligung gesehen und der Täter kam frei. Wegen dieser Ignoranz und offensichtlichen Misogynie gingen Frauen weltweit auf die Barrikaden. Proteste gingen durch Italien, Frauen trugen Jeans zur Arbeit, schwenkten Banner mit Sprüchen wie „Jeans, an alibi for rape“. Bis heute schwenken Menschen rund um den Globus jedes Jahr am „Denim Day“ ihre Protestschilder.
Alte Denkmuster durchbrechen
„Heutzutage dominiert die Damenbekleidung den Jeansmarkt, doch je höher man in den Firmenhirarchien aufsteigt, desto weniger Frauen gibt es”, bringt Anne Oudard, Mitbegründerin der Women in Denim das Problem auf den Punkt. “Es gibt viele weibliche Bekleidungsarbeiterinnen, Designerinnen, Managerinnen… aber in Führungspositionen sind es weniger als 15%. Nahezu jede große Denim-Marke wird von einem Mann geführt.“ Viele Modehäuser zeigen ihre Womens- und Menswear-Kollektionen bereits vereint in einer Show, das Thema Unisex ist fast schon ein alter Hut – die Modewelt gibt sich heute aufgeschlossener denn je.
Dennoch existieren sie noch, die Stereotypen von typisch Mann und typisch Frau. Unterbewusst halten viele Frauen immer noch an Rollen fest, mit denen sie aufgewachsen sind. Allen voran: Immer nett, leise und ausgeglichen zu sein. Männern hingegen kommt ihre angeborene Rolle immer noch zu gute. Entscheidungsfreudig, zielorientiert und ohne Angst oder Vorbehalte. Hinzu kommt, dass feminine Eigenheiten, die an sich große Vorteile sind, als Schwächen angesehen werden. Sensibilität, Einfühlungsvermögen und genaues Abwägen, wenn es um große Schritte geht, beispielsweise. Frauen müssen sich ein Stückchen mehr anstrengen, um sich Respekt zu verdienen – manchmal ist das nur ein Gefühl, oft aber eine Tatsache. Zeit also, diese vermeintlichen Schwächen als die Stärken zu zelebrieren, die sie sind. „Und das geht am besten zusammen“, meint Anne und fügt lächelnd hinzu: „Je mehr wir miteinander und untereinander sprechen, desto weniger Gehör für dumme Kommentare haben wir.“
Hemp Denim als Alternative zur Baumwolljeans findest Du hier.