Es ist ein kalt-nasser Tag im Januar. Dicke Nebelwolken liegen über den Feldern. Es nieselt und die Stimmung ruft eher nach Kachelofen und Wärmflasche als nach einem Ausflug in die Natur mit einem erfrischenden Dip in den Staffelsee. Doch genau das haben wir heute vor. Denn die schwedische Outdoorbrand Fjällräven hat zum Eisbaden geladen. Heute wollen wir am eigenen Leib spüren, was es auf sich hat mit diesem eiskalten Trend, der derzeit tausende Influenzer:innen dazu bringt, ihre Gefolgschaft zum Sprung in winterliche Gewässer aufzurufen.
In den letzten Jahren hat Eisbaden eine Art Renaissance erlebt, insbesondere in den westlichen Ländern. Als alternative Wellness- und Gesundheitspraxis gefeiert, haben Prominente und Influencer:innen dazu beigetragen, das Eisbaden populär zu machen. Eines ist sicher: Menschen, die in ins Eis geschlagenen Löchern im See sitzen, die bekommen Aufmerksamkeit – im echten Leben, wie auf Social Media.
Aber wir wollen von vorne beginnen…
Kultur und Tradition des Eisbadens
Eisbaden, auch bekannt als Kältetherapie oder Winterbaden, ist eine Praxis, bei der Personen in kalte Gewässer eintauchen, typischerweise bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt. Diese Praxis hat eine lange Geschichte und wird in verschiedenen Kulturen seit Jahrhunderten praktiziert, oft aus gesundheitlichen oder spirituellen Gründen.
Eisbaden hat in verschiedenen Kulturen eine lange Tradition. Ihr Wurzeln hat die Praxis bei den Skythen, einem Nomadenvolk, das etwa zwischen 700 vor und 200 nach Christus in den eurasischen Steppen lebte. Ihr ausgedehntes Reich, das sich vom heutigen Rumänien im Westen über die Ukraine und weite Teile Russlands bis tief nach Asien erstreckte, einschließlich des heutigen China und der Mongolei, war das bis dahin größte Reich der Welt. Um ihre Kinder frühzeitig an die harten klimatischen Bedingungen zu gewöhnen, wurden diese im eiskalten Wasser gebadet. Doch auch von Erwachsenen wurde das Eisbaden praktiziert, um die Durchblutung und Widerstandskraft zu fördern.
Eisbaden heute
In einigen Ländern wie Russland, Norwegen, Schweden und Finnland ist das Eisbaden Teil der traditionellen Saunakultur. Es gibt sogar spezielle Veranstaltungen und Festivals, bei denen Menschen zusammenkommen, um gemeinsam in kalten Gewässern zu baden. Beispiele hierfür sind das Eisbadenfest in Sibirien oder das Winterbaden in Estland.
Doch auch in Deutschland ist die Tradition des Eisbadens mittlerweile hundert Jahre lang verankert. So soll bereits Karl der Große im Winter draußen geschwommen sein. Und auch von Johann Wolfgang von Goethe ist überliefert, dass er in Weimar das Eis der Ilm aufhackte, um mit seinen Freunden zu baden.
Wir folgen heute also nicht nur dem Ruf mutiger Skandinavier:innen, sondern begeben uns auch auf die Spuren unserer einfluss- und erfolgreichsten Urahnen. Doch obwohl das Eisbaden nachweislich positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit und das Immunsystem haben kann, sollte man sich ein bisschen damit beschäftigt haben, wie Eisbaden richtig funktioniert, bevor man einfach beherzt ins kühle Nass springt. Besonders für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, hohem oder niedrigem Blutdruckbirgt birgt das Eisbaden auch Risiken. Deshalb ist es wichtig, sich vorzubereiten, die richtigen Atemtechniken zu lernen und aufzuwärmen, bevor man ins kalte Wasser geht. Wer öfter Eisbaden geht, kann die Zeit im Wasser langsam steigern. Am Anfang heißt es: weniger ist mehr, um den Körper zu akklimatisieren.
Wir starten also in den Nachmittag mit einem warmen Tee und einem scharf gewürztem Eintopf, der uns von innen wärmt. Danach bekommen wir in einem Atemworkshop mit Moritz Ross von Embrace you Breath eine Einführung in die berühmte Wim Hof Methode.
Die Kraft des Atems
Atem ist Leben und Atem ist Kraft. Das gilt ganz besonders beim Eisbaden. Denn in dem Moment, wenn wir zum ersten Mal in winterliche Gewässer steigen, bleibt der einen oder dem anderen schon mal der Atem weg. Die Wim Hof Methode kombiniert Atemtechniken und Kältetraining, um das körperliche und geistige Wohlbefinden zu verbessern. Die Atemübungen basieren auf einer tiefen, kontrollierten Atmung. Typischerweise beinhalten sie zyklisches tiefes Ein- und Ausatmen für eine bestimmte Anzahl von Wiederholungen. Diese Atemtechniken sollen den Körper mit Sauerstoff versorgen, die Energie steigern und das autonome Nervensystem beeinflussen. Die Methode betont auch die Bedeutung von Fokus und mentaler Kontrolle, um die eigenen Grenzen zu überwinden und sich an die ungewohnten Reize anzupassen.
Zwei Minuten mit der Wirklichkeit
Diesen Fokus, die Konzentration auf das Hier und Jetzt sollen wir anschließend erleben, indem wir ganze zwei Minuten in circa vier Grad kaltes Wasser abtauchen. Ein kurzer Spaziergang – natürlich eigepackt in warme Fjällräven-Jacken – führt uns hinunter zum Staffelsee. Dort schlägt Moritz gekonnt drei etwa gleich große Löcher ins Eis, während wir entscheiden, in welcher Reihenfolge wir am liebsten frieren und atmen wollen.
Es schnell hinter mich bringen oder erste einmal abwarten, wie es den anderen ergeht? Ich entscheide mich für die vorletzte der fünf Gruppen – so habe ich nach dem erfrischenden Bad noch genug Zeit zum Abtrocknen und Wiederanziehen, muss aber nicht allzu lang in der Kälte auf die restlichen Gruppen warten. Denn wichtig ist es, vor und nach dem Eisbaden warm zu bleiben – beziehungsweise wieder zu werden, um sich nicht zu erkälten.
Als es soweit ist, habe ich doch etwas Bammel. Doch alle lachen, als sie aus den Eislöchern steigen. Aus Freude, Erleichterung, Verzweiflung? Ich konzentriere mich auf das Lachen. Die ersten Sekunden im eisigen Wasser muss ich mich sehr gründlich auf meinen Atem konzentrieren – ein, aus, ein, aus…alles andere rückt für einen Moment in den Hintergrund. Zwei Minunten? Ich entschließe mich, nicht zu zählen, nur zu atmen und über die gefrorene Oberfläche des Sees zu blicken. Ein schöner Ausblick, denke ich und wundere mich, dass das Wasser um meinen frierenden Körper wärmer zu werden scheint. Tatsächlich: beim Eisbaden in stehenden Gewässern gibt der Körper Wärme an das ihn umgebende Wasser ab. So wird es mit der Zeit etwas wärmer.
Der Moment danach aka. mein Fazit
Als die zwei Minuten vorüber sind, frage ich mich kurz, ob meine gefrorenen Muskeln in der Lage sein werden, meinen Körper aus dem Eisloch zu heben. Es funktioniert und ich lache erleichtert und froh, aber nicht verzweifelt. Ob ich von nun an regelmäßig Eisbaden möchte? Das bezweifle ich, aber ich bin stolz, es probiert zu haben. Ein eisiger Fjord nach der Sauna hat mich auch vorher schon gereizt und wird es auch weiterhin tun. Und falls mich mal wieder eine Einladung zum Eisbaden erreicht, sage ich wahrscheinlich ja.
Jetzt freue ich mich aber erstmal auf einen warmen Kachelofen und einen heißen Tee!
Die gesundheitlichen Vorteile des Eisbadens
Eisbaden stärkt die Immunabwehr, verbessert die Durchblutung und regt den Stoffwechsel an. Auch kann es zur Linderung von Muskelschmerzen und chronischen Entzündungen beitragen. Durch die Freisetzung von Endorphinen wirkt es stimmungsaufhellend und kann sogar bei psychischen Erkrankungen einen positiven Effekt erzielen.
Es gibt einige wissenschaftliche Untersuchungen, die die gesundheitlichen Vorteile des Eisbadens unterstreichen. Diesen haben beispielsweise gezeigt, dass kalte Wasseranwendungen die Aktivität des Immunsystems erhöhen können, was zu einer verbesserten Resistenz gegen Krankheiten führt. Darüber hinaus können regelmäßige Kälteexpositionen den Körper dazu anregen, braunes Fettgewebe zu aktivieren, das als gutes Fett betrachtet wird und zur Verbrennung von Kalorien beiträgt.
Insgesamt ist Eisbaden eine faszinierende Praxis mit einer reichen kulturellen Geschichte und potenziellen gesundheitlichen Vorteilen, die jedoch Vorsicht erfordert und nicht für jede:n geeignet ist.