Gourmet Safari – oder warum Kapstädter die fröhlicheren Menschen sind
Gourmets wissen es längst: Wer auf der Suche nach besonderen, einfachen und doch aussergewöhnlichen Geschmacksnoten ist, reist am besten nach Kapstadt, denn die Köstlichkeiten der Mother City sind nicht nur lecker, sondern machen auch noch froh.
In der unangefochtenen Foodmetropole Südafrikas sind Feinschmecker und kulinarischer Tourismus zu Hause. Schmecken und schmatzen bis der Magen platzt und sich in 5 Sterne Restaurants der Völlerei hingeben? Nein. Kapstadts kulinarischer Tourismus ist ein Lifestyle, der Essen und Trinken zu einem unvergesslichen Erlebnis macht und nebenei auch noch Bewusstsein schafft für das, was wir in unseren Mund stecken.
Kulinarische Safaris in Kapstadt und Umgebung schwören auf „Local ist Lekker“ (lokale Küche ist lecker) mit ganzheitlichem Ansatz. Kapstädter Köche verarbeiten einfach die Dinge, die regional vorhanden sind. Die Tiere, das Gemüse, die Früchte, den Wein, das Olivenöl. Ob 5 Sterne- oder Hobby-Köche, sie alle arbeiten mit lokalen Farmern zusammen, mit Züchtern, Winzern, mit Imkern, Olivenbauern.
Kühlschrank leer? Ab in den Wald zur Futtersuche
Fortgeschrittene packen bei einer kulinarischen Safari am besten selber mit an: Man geht auf Futtersuche und erarbeitet sich das Essen selber. „Foraging“, so heißt der Trend, der hierzulande ganze Familien in den Bann zieht und schon vor dem eigentlichen Kochen zu einem Event wird.
Die Lebensmittel-Exkursionen zu den Delikatessen führen auf den Tafelberg, zu Küstenfelsen und in Wälder. Foraging gehört am Kap mittlerweile zum guten Ton und vermittelt nicht nur Bewusstsein für Umwelt und Gesundheit, sonderm schafft auch Raum für Gemeinschaft und Freundschaft.
Beim Foraging durchstreifen die Safari-Gäste ihre Umgebung. Sie sammeln Pilze, Beeren, Wildblumen, Kräuter, Meeresfenchel, Dünenspinat, Muscheln, fangfrische Fische. Ja sogar Quellwasser vom Tafelberg ist gesünder als das aus der Leitung. Gesalzen wird mit natürlichem Meeressalz und die saftige Kapuzinerkresse für das Lachssandwich wächst quasi am Straßenrand.
Essen bringt die Regenbogennation zusammen
Wie sehr die Kapstädter gutes Essen und fröhliches Beieinander lieben, erkennt man auch in den Townships. Neue gastronomische Konzepte wachsen wie beispielsweise “Mzolis Meat” in Gugulethu. Einst eine einfache Fleischerei – heute sozialer Treffpunkt am Sonntagmittag.
Hunderte von Menschen, Nachbarn, Touristen, Geschäftsleute, sitzen dann an Tischen auf wackeligen Plastikstühlen unter Wellblech. Wummerbässe hämmern aus den Boxen, feine Wassernebel aus durchlöcherten Schläuchen dienen als Klimaanlage, und es duftet nach Gegrilltem. Hier gibts Würste, Hühnerbeine und Steaks aus Mzolis hauseigener Metzgerei. Wer Salat als Beilage möchte, muss ihn mitbringen oder selber pflücken gehen. Denn für immer mehr Kapstädter gehört selbst angebautes Biogemüse zusammen wie der Eiffelturm zu Paris. Das Prinzip „Zurück zu den Wurzeln“ funktioniert und ist simpel: Die mitten in der Stadt gelegenen Gemeinschaftsgärten sollen Menschen in der Nachbarschaft näher zusammenbringen, indem sie gemeinsam Obst und Gemüse anpflanzen und ernten, sowie einen gesünderen und naturbezogeneren Lebensstil fördern. In den Townships kommt hinzu, dass so Arbeitsplätze geschaffen werden und Menschen, die für gewöhnlich keinen Zugang zu gesunder Ernährung haben, leckeres Gemüse auf dem Teller haben.
Kulinarisches Erbe der Vergangenheit lebt in Bo Kaap
Arbeitsplätze und Gemeinschaft werden auch bei einer feurig-würzigen kapmalaischen Tour durchs bunte Viertel Bo Kaap bei Köchin Zainie Misbach gefördert. Während sie Köstlichkeiten mit Kurkuma, Koriander und Tamarinde zubereitet, erzählt sie von der Geschichte der muslimischen Community. Sie zeigt wie man Samoosas richtig faltet, den Teig für das Roti-Brot knetet und eine extravagante Masala-Gewürzmischung selber herstellt. Sie verrät wieso sich im kunterbunten Bo Kaap ein farbenprächtiges Haus an das andere reiht und, dass in dem kleinen Gewürzladen „Atlas Trading“ echte kapmalaiische Gewürze zu finden sind.
Kulinarische Glücksmomente in Tamboerskloof
Um die Echtheit der Zutaten geht es auch in einem schnuckeligen viktorianischen Haus im hippen Tamboerskloof. Wer dort vorbei geht hört einen Klangbrei aus Gläsernklingen, Geplaudere und Gebrutzele. „Heute gibt es Spekboom (Speckbaum) Salat mit Pilzen und Straußensteak“, sagt Jade De Waal, die Gastgeberin des Food Jams. Die blonde Masterköchin und leidenschaftliche Saxophonistin ist im ganzen Land bekannt für ihre außergewöhnlichen kulinarischen Kombinationen. Sie betreut Firmen beim Teambuilding am Herd, kocht auf privaten Veranstaltungen und genauso foodjammt sie mit nationalen Sternchen, Bloggern, Künstlern und Menschen, die Lust auf gutes Essen haben. „Nehmt eure Umgebung sehr aufmerksam wahr“, sagt Jade de Waal. „Die Kräuter im Salat habt ihr bestimmt schon mal beim Wandern auf dem Tafelberg gesehen.“ „Lernt den Reichtum der Erde kennen“, sagt sie.
Was sie an Kräutern und Lebensmitteln selber in der Natur sammeln kann, sammelt sie. Das Fleisch kommt vom Bauern aus der Region. Fruchtiger Chenin Blanc von einer Weinfarm in Paarl sprudelt in der Nase. Ein Farbenfest für die Augen und kulinarische Kunst für den Gaumen. „Mit dem Food Jam möchte ich zeigen, wie vielfältig unsere Kap-Küche ist, aber auch wie das Essen mit unserem Leben und unserer Tradition zusammenhängt“.
Verschiedene kulturelle Einflüsse haben die Kap-Küche geprägt, die so bunt ist wie die Welt. Indische, afrikanische, malaische und europäische Kochkünste haben die Menschen und ihren Appetit in Kapstadt zusammengebracht. Und diese Vielfalt kann man hier fühlen, riechen und sehen.
Am Kap der guten Geschmacks
Ob Fine Dining in der Stadt oder rustikal beim Schinkenmacher. Ein gutes Stück Brot und ein wuchtiges Glas Pinotage – das Leben ist schön.
Das Restaurant “Bread & Wine Vineyard Restaurant” liegt zwischen den Reben des Weinguts Môreson in Franschhoek. Die Schweine, die hier zu Schinken und Salami verarbeitet werden, laufen frei herum und bleiben von sämtlichen Optimierungen der Lebensmittelindustrie verschont. Auf eine natürliche Lebensmittelproduktion beruft sich auch Angus McIntosh auf dem Spier Wein Estate in Stellenbosch. Einst war er ein erfolgreicher Anlageberater bei Goldman Sachs in London. Heute verzichtet er in seiner Landwirtschaft radikal auf alles, was biodynamischen Prinzipien entgegenläuft. Fröhliche Kühe, gesunde Hühner, traditionells Zulu-Wissen (Angus ist in Kwa Zulu Natal aufgewachsen bevor er nach London ausgewandert ist) vor einem malerischen Bergpanorama in Stellenbosch. Etwas wie die Spier-Farm gibt es wohl kein zweites Mal in ganz Afrika – die mit ihren Spitzenprodukten obendrein die besten Restaurants der Region versorgt.
Wer am Kap eine kulinarische Safari unternimmt spürt einen ganz besonderen Geist, es fühlt sich alles sehr natürlich an, sehr sinnvoll.
Ob auf Schlemmerkurs im Weinland, auf eine hausgemachte Wurst in Woodstock oder Austernverkostung an der Küste, Kapstadt ist eben mehr als nur Wildtier-Exotik.