Joachim Bergauer fotografiert hochkarätige Models und Menschen in Entwicklungsländern. Letzteres hat ihn deutlich mehr geprägt. Mit Redakteurin Eva Goldschald sprach er darüber, was wir uns vom senegalesischen Lebensstil abschauen können, die Freiheit der Fotografie und wieso Liebeskummer die Kreativität fördert.
Joachim Bergauer wurde in Salzburg geboren. Seine Anfänge machte er als Sport- und Pressefotograf. In den 90ern konzentrierte er sich vermehrt auf Image-, Werbe- und Kunstfotografie sowie den Schwerpunkt Bildbearbeitung. Er gewann zahlreiche Preise, darunter auch den begehrten Photographer of the Year – Tokio International Photography Award 2019. Für Spiegel und New York Times reist er um die ganze Welt, um Menschen und deren Leben zu porträtieren.
Joachim, du kommst aus Salzburg und lebst auch dort. Ist die Stadt dein Rückzugsort von deinen Reisen?
Auf jeden Fall. Ich habe einige Zeit in den Staaten gelebt und bin generell viel auf Reisen. Salzburg ist meine “Homebase”, hier bin ich aufgewachsen. Ich mag die Gegend, die Berge und den Zuckerguss der über der Stadt liegt. Was ich nicht mag, ist der Salzburger Grant, wie man so schön sagt. Ich kann mir übrigens auch vorstellen, langfristig im Senegal zu leben.
Der Unterschied ist aber schon enorm, oder?
Ja, auf jeden Fall. Dort sind die Menschen viel zufriedener. Sie beschweren sich nicht, nehmen das Leben wie es kommt und leben in den Tag hinein.
Du hast die Menschen dort über zehn Jahre begleitet, insgesamt sechs Mal warst du dort. Wie war es für dich, an Lepra erkrankte, leidende Menschen zu sehen?
Ich habe mit den Leprakranken Schach gespielt, die haben ihre Lebensfreude nicht verloren. Afrika ist per se kein unglückliches Land. In Eritrea, dem Sudan und Somalia, dort gibt es Dinge, die nicht gut sind, vor allem in der Politik. Die Afrikaner im Senegal leben in den Tag hinein. Sie haben nichts und das ist ok. Auch wenn sie krank sind, beklagen sie sich nicht.
Das hört sich entspannt an.
Ist es auch. Zumindest für mich. In Europa ist alles geplant und man hat so viele Verantwortungen, das macht uns sehr gebunden. Die Menschen im Senegal kommen mir viel freier vor. Dinge müssen passieren dürfen und genauso handhaben es die Leute dort.
Vielleicht weil sie keinen Besitz haben, den sie verriegeln müssen?
Ja, genau. Nichts haben kann auch befreiend sein.
Wie hast du dich dort verhalten?
Wie ein Kind. Neugierig, ohne Vorurteile und ohne Ängste. Ich hatte dort weniger Angst als daheim. Vor Ort hatte ich von den NGOs immer jemanden, der mich herumgeführt hat.
Welche Rolle spielt das Reisen für dich?
Mehr Möglichkeiten und mehr Demut. Ich reise gerne in Krisenregionen. Wenn ich dort drei bis vier Wochen bin, lebe ich mit den Einheimischen zusammen. Afrika ist Familie und zweite Heimat geworden. Wenn ich dort hin komme, ist die Welt in Ordnung. Ich mag aber auch andere Länder. Zum Beispiel fahre ich immer wieder nach Indien, meistens mit der Organisation “Ärzte ohne Grenzen”. Über Bangladesh möchte ich einmal ein Buch machen, aber diese Region kommt dann nicht so gut weg wie der Senegal. Es ist ein zerrissenes Land und das möchte ich im Buch zeigen. Die Kunst ist es, authentisch zu fotografieren.
Wann bist du am produktivsten?
Als mich meine Frau vor einigen Jahren verlassen hatte, war ich sehr sentimental und traurig, aber ich hatte die besten Ideen und machte jeden Tag zwei bis drei Bilder. Durch die Bilder konnte ich meinen Schmerz verarbeiten. Ich war ihr nie böse, denn ich verdanke ihr meine produktivste Zeit.
Was inspiriert dich bei der Art, wie du Motive ablichtest?
Ich sehe mir die Modelle an und habe dann ein Bild im Kopf. Ich bin nicht derjenige, der bei anderen abschaut. Wer gute Sachen kopiert, bekommt auch meistens gute Fotos hin. Aber das ist ja keine Kunst. Ich lasse es auf mich zukommen. Für mich zählt nicht, wie berühmt jemand hinter oder vor der Kamera ist, sondern der Mensch an sich.
Foto Credits: Joachim Bergauer