2024 ist das Jahr, in dem die Klimaerwärmung Schokoladenträume zum Schmelzen brachte. Kakao ist plötzlich nicht mehr nur eine Zutat für süße Leckereien, sondern heiß begehrte Mangelware. Der Preis für Rohkakao hat sich mehr als verdreifacht, Schokoladenhersteller schlagen Alarm und in den Supermarktregalen zeichnet sich eine dunkle Zukunft ab. Die Kakaokrise ist Realität- Doch wie konnte es dazu kommen? Wer ist verantwortlich? Wir haben Gerrit Wiezoreck von VIVANI gefragt: Müssen wir uns bald von unserer Lieblingssüßigkeit verabschieden?

Kakao – das braune Gold in der Krise
Schon Ende 2023 bahnte sich an, was Anfang 2024 zur bitteren Realität wurde: Die Kakaoernte in Westafrika – woher mehr als 60 Prozent des weltweiten Kakaos stammt – fiel katastrophal schlecht aus. Heftige Regenfälle und eine Pilzplage zerstörten große Teile der Ernte. Gerrit Wiezoreck von VIVANI erklärt: „Die Nachfrage nach Kakao steigt seit Jahren, während das Angebot sinkt. Letztes Jahr fiel rund ein Drittel der Ernte in Westafrika aus – von dort stammen über 70 Prozent des weltweiten Kakaos. Das sorgt für eine Verknappung auf dem Weltmarkt und lässt die Kakaopreise explodieren.“ Während sich zu Beginn noch alles um verteuerte Schoko-Nikoläuse drehte, wurde spätestens im Frühjahr klar: Hier geht es um mehr als nur ein saisonales Problem. Der Preis für eine Tonne Kakao kletterte im April auf einen schwindelerregenden Höchststand von 10.990 US-Dollar – ein Plus von 367 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Gerrit Wiezoreck ist Geschäftsführer der Marke VIVANI, einer Schokoladenmarke, die sich auf hochwertige Bio-Schokolade spezialisiert hat. VIVANI setzt auf nachhaltigen Anbau, faire Handelsbeziehungen und qualitativ hochwertige Zutaten. Neben VIVANI gehört auch die vegane Schokoladenmarke iChoc zum Portfolio, die sich auf pflanzliche Alternativen spezialisiert hat. Beide Marken stehen für bewussten Genuss und eine transparente Lieferkette, die die Kakaobauern in den Fokus stellt.
Klimawandel – der unsichtbare Spielverderber

Der Kakaoanbau ist ein sensibles Geschäft, denn die Pflanze gedeiht nur unter ganz bestimmten Bedingungen – hohe Luftfeuchtigkeit, konstante Temperaturen und regelmäßige Niederschläge. Doch genau das wird durch den Klimawandel immer unberechenbarer. „Kakaobäume sind sehr wettersensibel. Durch die Klimakrise kommt es häufiger zu längeren Dürre- und Regenperioden. Und weil der Preis für konventionellen Kakao aus Westafrika in den letzten fünf bis sieben Jahren sehr niedrig war, hatten die dortigen Farmerinnen und Farmer kaum Möglichkeiten in die eigenen Plantagen zu investieren,“ erörtert Gerrit Wiezoreck das Problem. Während es an manchen Orten zu viel regnet, herrscht an anderen extreme Dürre.
Und als wäre das nicht genug, sorgt das Wetterphänomen El Niño zusätzlich für Chaos: Dürren, Stürme und ungewöhnliche Klimamuster setzen den ohnehin angeschlagenen Plantagen weiter zu.
Monokulturen und ihre Tücken
Ein weiteres Problem ist der konventionelle Kakaoanbau selbst. Um den weltweiten Hunger nach Schokolade zu stillen, wurde in Westafrika jahrelang auf Monokulturen gesetzt. Der Haken? Diese Plantagen laugen den Boden aus, machen die Pflanzen anfälliger für Krankheiten und erfordern hohe Mengen an Pestiziden und Düngemitteln. „Konventioneller Kakao für den Massenmarkt wird in Monokulturen angebaut. Die Bäume stehen dort dicht an dicht in Reihen, ohne den Schutz durch andere Gewächse. Das macht sie anfälliger für Pilzkrankheiten und Wetterschäden,“ erklärt Gerrit Wiezoreck. Die extremen Wetterereignisse des letzten Jahres haben nun schonungslos offengelegt, dass diese Anbaumethoden nicht nachhaltig sind – und das rächt sich jetzt.
Ghana – ein Land zwischen Gold und Kakao
Neben den klimatischen Herausforderungen gibt es in Ghana, dem zweitgrößten Kakaoexporteur der Welt, noch ein ganz anderes Problem: Illegaler Goldabbau. Tausende Hektar Kakaoplantagen wurden bereits von Goldgräbern zerstört, die mit Chemikalien wie Cyanid den Boden vergiften und den Bäuerinnen und Bauern ihre Existenzgrundlage nehmen. Manche Landwirtinnen und Landwirte verkaufen ihre Felder sogar freiwillig, weil sie keine Perspektive mehr sehen. Das Resultat: Die Kakaoanbauflächen in Westafrika schrumpfen drastisch – und ein Ende dieses Trends ist nicht in Sicht. Eine Studie prognostiziert, dass in der Elfenbeinküste bis 2050 über die Hälfte der aktuellen Anbauflächen verschwunden sein wird. Zudem könnte Ghana bereits 2027 seinen Platz als zweitgrößter Kakaoexporteur an Ecuador verlieren.
Foto: © Pablo Merchán Montes

Spekulierende heizen die Preise an
Doch nicht nur Missernten und Umweltzerstörung treiben die Kakaopreise in die Höhe. Großkonzerne haben früh erkannt, was kommt, und große Vorräte aufgekauft – das hat die Verknappung weiter verschärft. Zudem haben Spekulierende an den Rohstoffbörsen die Situation zusätzlich angeheizt: Durch automatisierte Handelssysteme wurden Preise in die Höhe getrieben, ohne dass tatsächlich ein realer Handel mit Kakao stattfand. Gerrit Wiezoreck bestätigt: „Viele große europäische Hersteller versuchen jetzt, den fehlenden Kakao in Lateinamerika aufzutreiben. Sie fahren dort einzelne Farmen per LKW an und kaufen den Bio-Kakao direkt ‘an der Straße’ ab, der eigentlich vertraglich uns zugesichert war. Verschärft wird die Krise durch Spekulanten, die an der Börse ordentlich mitverdienen wollen.“


Ist Besserung in Sicht?
Gerrit Wiezoreck blickt besorgt in die Zukunft: „Das kommt vor allem auf die Kakao-Ernten der nächsten Jahre in Westafrika an. Bleiben sie so unergiebig wie aktuell, muss man zukünftig mit deutlich höheren Schokoladenpreisen rechnen.“ Die Lage bleibt angespannt. Falls nicht bald bessere Ernten kommen, wird Kakao ein rares Gut bleiben – und damit auch Schokolade. Schon jetzt experimentieren Herstellende mit Alternativen, doch ein vollwertiger Ersatz für echten Kakao ist nicht in Sicht.
Was können wir als Konsumierende beitragen?
Die Wahl der richtigen Schokolade kann tatsächlich einen Unterschied machen. Kakao aus biologischem Anbau stammt meist aus Mischkulturen, die widerstandsfähiger gegen extreme Wetterbedingungen sind. Durch die hohe Biodiversität – also den Reichtum an verschiedenen Pflanzenarten – sind diese Anbaumethoden nachhaltiger und weniger anfällig für Krankheiten oder Ernteausfälle.
„Gute Schokolade kann und darf nicht so billig sein wie eine Tüte Zucker“, meint Gerrit Wiezoreck. Wer also hochwertige, nachhaltig produzierte Schokolade kauft, unterstützt nicht nur bessere Anbaumethoden, sondern trägt auch dazu bei, dass der Kakaoanbau langfristig bestehen bleibt. Und mal ehrlich – bewusster Genuss macht doch sowieso mehr Freude!
Titelbild: Foto: © Tetiana Bykovets
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