In New York wird vielleicht wenig geschlafen. Aber es wird rund um die Uhr gekocht und geschlemmt und das auf vielfältigste Weise. Food-Bloggerin Sonja Stötzel hat sich in den kulinarischen Dschungel von Brooklyn, Manhattan und Queens gestürzt und teilt jetzt ihre Rezepte-Highlights und Erfahrungen mit uns.
Über 20 Jahre ist er jetzt her, der erste Blick vom Flugzeugfenster auf den niemals schlafenden „Big Apple“. Seither hat die magnetische Stadt Sonja Stötzel immer wieder aufs Neue in ihren Bann gezogen. Vor allem auch kulinarisch. Die Münchnerin aka „Madame Cuisine“ betreibt mit ihrem Mann seit rund fünf Jahren einen Food-Blog. Und mittlerweile erreicht dieser durchschnittlich 350’000 Seitenaufrufe im Monat. Auch wenn ein Koch- und Back-Blog nicht wenig Aufwand bedeutet, macht die Arbeit den beiden weiterhin „so viel Spaß, wie am ersten Tag“, so die 42-Jährige. Und besonders Freude macht es, wenn der Blog schließlich zu einem eigenen Kochbuch führt. Am liebsten eines über die neuesten Foodtrends aus Sonjas Lieblingsmetropole New York City.
Auf der Suche nach dem kleinen Quäntchen Glück
2013 war Sonja, eigentlich Physiotherapeutin und dazu auch noch zweifache Mutter, auf der Suche nach neuen beruflichen Perspektiven. „Nach dem kleinen Quäntchen Glück, das mir in meinem Leben noch fehlte“. Die Blog-Idee kam von ihrer Freundin. Tue das, was Du mit Leidenschaft und Hingabe tust, riet ihr diese. Stötzels große Leidenschaft ist Kochen. Schon als kleines Mädchen setzte sie ihr Vater neben sich auf die Arbeitsplatte, wenn er kochte. „Und meine Mutter gab mir immer etwas Teig, an dem ich mich ausprobieren durfte“. Obwohl nie viel Geld vorhanden war, wurde nie am Essen gespart und immer mit frischen Zutaten gekocht. Die Küche, das ist für Sonja Stötzel bis heute noch immer der kreativste und geselligste Ort in ihrem Leben.
„If you can dream it, you can do it!“
Im März 2018 ist es dann so weit. Sonja Stötzel setzt, ganz nach dem amerikanischen Motivations-Slogan „Wenn Du es träumen kannst, kannst Du es auch tun“ ihren Traum in die Realität um. Acht Tage reist sie mit einer befreundeten Fotografin und einer Assistentin quer durch New York, etwa durch Manhattan (East Village, Greenwich Village und Midtown), Brooklyn (Bedfort-Stuyvesant, Bushwick, Dumbo, Greenpoint, Park Slove und Williamsburg) und Queens. Dort trifft sie ihr dortiges Food-Netzwerk, testet sich durch unzählige Restaurants und spricht mit Köchen, Bäckern und Café-Besitzern, um sich dann ihre Rezepte-Favoriten zu notieren. So lässt uns die Autorin mit ihrem im Oktober erscheinenden Buch „New York Foodtrends“ dank vielfältiger Kreationen, vom Ricotta-Honig-Pancake bis zum besten Halal-Burger der Welt, teilhaben an dieser kulinarischen Entdeckungstour ihrer Träume.
Welche Trends haben Sie in New York überrascht?
In kulinarischer Hinsicht überrascht diese Metropole wirklich an jeder Ecke mit einem Highlight. Vom “Super-Health-Food” bis hin zu “deep fried” bekommt man einfach alles und das zu jeder Tages- und Nachtzeit. Da nicht wenige New Yorker bereits morgens um fünf Uhr noch vor der Arbeit in Fitnessstudios trainieren und das Körper- und Gesundheitsbewusstsein eine große Rolle spielt, hat mich der Trend “Southern Comfort Food” am meisten überrascht. Hier geht es um die eher schwere und deftige Südstaaten-Küche, die in Amerika auch als “Soul Food” bekannt ist.
Zeigt der Trend eine gewisse Abkehr vom Gesundheitswahn?
Definitiv. Diese „Soul kitchen“ soll das Gefühl von “Essen wie bei Muttern” vermitteln und der Seele gut tun. Kartoffelbrei mit flüssiger Butter, Fleisch mit einer dicken Soße, deftige Eintöpfe – da breitet sich ein wohliges Gefühl im Bauch aus und man fühlt sich heimelig und geborgen in einer immer schneller werdenden Welt. Rohkost und Blattsalate erzeugen dieses Gefühl ja eher nicht.
Weniger Gesundheitswahn, dafür mehr Achtsamkeit?
Viele wollen einfach kein hormonbehandeltes Fleisch oder genmanipuliertes Gemüse mehr essen, das auf Dauer krank macht. Gute, einfache und ehrliche Zutaten spielen eine immer größere und wichtigere Rolle. Man macht sich zunehmend Gedanken darüber, was man da überhaupt isst, was dem Körper gut tut und woher das Essen stammt. Jetzt müssen wir es nur noch schaffen, dass gute Lebensmittel auch für alle Menschen erschwinglich werden.
Was passiert in NYC konkret betreffend Nachhaltigkeit? In New York gibt es mittlerweile ja Projekte wie etwa die Dachfarm in Brooklyn, die jährlich fast 23’000 Kilogramm Obst und Gemüse für Bauernmärkte und Restaurants generieren soll…
Man beginnt sich etwa dafür zu interessieren, welche Fische es in den heimischen Gewässern gibt und bevorzugt diese. So etwa auch das „Seamore’s“, einem Seafood-Restaurant in Dumbo, das ausschließlich auf nachhaltigen Seafood setzt. Oder man fragt sich, wie man die regional ansässigen Bauern unterstützen kann, ob es da direkte Bezugspersonen gibt und was man selbst tun kann. Viele Restaurants kultivieren eigene Kräutergärten auf ihren Hausdächern. Was das regionale und saisonale Gemüse betrifft, so darf man zwei Dinge nicht vergessen: New York alleine hat mehr als 8,5 Millionen Einwohner und es ist klar, dass die wenigen Farmer aus dem Umland es nicht schaffen, jeden Einzelnen mit ihren Produkten zu versorgen.
Welche Trends sind Ihre persönlichen Favoriten?
„Farm to table” und “Artisanal bread”. “Farm to table” heißt so viel wie “von der Farm auf den Tisch”. Das Gemüse wird von den Bauern aus dem Umland bezogen. Die Küche ist somit regional, saisonal und nachhaltig. Bei dem Trend “Artisanal bread” wird das Brotbacken als Kunst verstanden und wiederentdeckt. Auch hier spielen die Herkunft des Korns, die Bodenbeschaffenheiten und die Verwendung feinster und reinster Zutaten eine große Rolle. Zu erwähnen sei hier die Bäckerei und Café „Bakeri“ in Greenpoint. Da kann man den Bäckern sogar bei ihrem Handwerk zuschauen.
In New York werden jedoch bestimmt auch die Begriffe wie „farm to table“ oder „organic“ für Marketingzwecke genutzt?
Natürlich. Wer in einem New Yorker Winter zum Nachtisch eine Erdbeermousse in einem “Farm to table”-Restaurant serviert bekommt, der darf sich zu Recht fragen, woher die Erdbeeren denn nun eigentlich kommen. Aber es gibt einige, die recht konsequent sind. Das “The Eddy” im East Village etwa. Bald werden dort wieder Gerichte mit geschmortem Kürbis oder Roter Bete serviert, die auf dem Bauernmarkt am Union Square oder bei den Bauern aus dem Umland eingekauft werden. Der Bauernmarkt beim Union Square findet übrigens gleich drei bis vier Mal pro Woche statt.
Die USA sind die Vorreiter, wenn es um Food-Trends geht. Können Sie anhand Ihrer Recherchen beurteilen, in welche Richtung sich das Thema Kulinarik generell entwickelt? Viele der Food-Trends sind, wie vermutlich auch die Trends in Sachen Mode, Design usw., schnelllebig. Was in der einen Woche trendy ist und von allen Seiten gehyped wird, kann in der nächsten Woche ein alter Schuh sein. In meinen Augen sind viele der kulinarischen Trends, die in New York entstehen, auch ein Zeichen des Überflusses und der Langeweile. Viele Leute sind im wahrsten Sinne des Wortes satt und so denkt man sich etwas Neues aus. Grundsätzlich glaube ich aber, dass die Leute beim Thema Essen immer bewusster werden.
Gibt es bestimmte Nahrungsmittel, die besonders neu im Mittelpunkt stehen?
Bei dem Trend “Farm to table” sind mir vor allem alte Gemüsesorten wie Topinambur, Pastinake und verschiedenste Beten aufgefallen. Ansonsten bin ich immer wieder erstaunt, was der Dauertrend “Coffee” für neue Kreationen auf den Tisch bringt. “Cold brewed coffee” gilt derzeit in New York immer noch als extrem hip. Am liebsten aus frisch gerösteten Bohnen aus fairem Handel.
New York ist ein „melting pot“ von verschiedenen Kulturen. Welche internationalen Küchen sind trendweisend für die kommende Zeit?
In New York leben seit jeher die verschiedensten Nationalitäten auf engstem Raum zusammen. Bisher war es jedoch eher so, dass gerade Einwanderer sich möglichst nur mit Ihresgleichen zusammengetan haben. Die Puerto Ricaner umgaben sich vorwiegend mit Puerto Ricanern, die Chinesen mit Chinesen. Das ändert sich jetzt, was in meinen Augen vor allem daran liegt, dass die jüngeren Generationen in New York geboren und nicht mehr so Heimat verwurzelt sind, wie die Eltern oder Großeltern. Zudem sind die jungen, wilden Küchenchefs vieler Restaurants einfach total neugierig und versuchen Einflüsse aus aller Herren Länder in ihre Küchen zu integrieren. Besonders angetan war ich in Williamsburg etwa von der „Brasserie Seoul“ von Sung Park, einer überraschenden Küche mit französisch-koreanischen Einflüssen.
Welche Trends schwappen gerade auf Deutschland über?
Dank der unzähligen Social Media-Kanäle verbreiten sich Trends heute rasend schnell. Cold brewed coffee etwa bekommt man auch bei uns schon in einigen Cafés. Der Trend “Halal food”, also das “reine” Essen der Muslime, wäre aber z.B. etwas, das ich mir im Zusammenhang mit der zunehmenden Beliebtheit der Küche aus dem Nahen Osten gut vorstellen könnte. In Bushwick, im Norden Brooklyns, habe ich Sibte Hassan besucht, den Küchenchef von „BK Jani“, von dem ich wohl den besten Halal-Burger der Welt serviert bekommen habe.
Welche Inspirationen, die Sie in New York aufgestöbert haben, integrieren Sie seither selbst beim Kochen für sich und Ihre Familie?
Ich habe mich ziemlich stark in ein richtig gutes Sauerteigbrot-Rezept verliebt und hoffe sehr, dass ich bald die Zeit und Muße finde, mich mit diesem Thema näher auseinander zu setzen und dann mein eigenes “Artisanal bread” zu Hause backen kann.
Welche Stadt oder auch welches Land würde Sie für ein nächstes Projekt betr. Food-Trends reizen?
Ganz unbedingt Kapstadt bzw. Südafrika. Zwar war ich noch nie dort, aber kulinarisch steht das sonnenverwöhnte Südafrika bei mir ganz hoch im Kurs!
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Autorin des Textes: Kristina Köhler // Der Text ist zuerst erschienen in der FOGS-Herbstausgabe 2018 – hier nachbestellen.
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