„Hirn aus, Haxn zam!“ ruft mir Langlauflehrer Paul zu, als ich in die Übungsspur gleite. Zugegeben, ich hätte mir diese Sportart einfacher vorgestellt. Viel zu verkopft konzentriere ich mich auf die richtige Bewegungsabfolge, anstatt sie zu genießen. Früher ein wenig angestaubt, gilt Langlaufen heute nämlich als das lässige, elegante Pendant zum Skifahren. Auch wenn die gleitenden Bewegungen, die ich gerade übe nicht anstrengend aussehen, merke ich bereits nach der ersten Stunde ein Ziehen in den Schenkeln. „Wenn man die Technik richtig ausführt, ist Langlaufen einer der effektivsten Sportarten um den ganzen Körper zu trainieren. Das Pensionisten-Klischee kann man also gleich vergessen“, sagt Paul und blinzelt in die Sonne. Ich blicke mich um und kann ihm nur zustimmen: Kinder, die blitzschnell auf ihren schmalen Skiern herumflitzen, ältere Leute, die mit perfekter Technik und Lächeln im Gesicht ihre Bahnen ziehen und alle Altersstufen dazwischen sind hier vertreten. Und vielleicht auch der oder die eine oder andere internationale Spitzensportler:in – denn hier im Langlaufstation in Ramsau am Dachstein trainiert die Weltelite des nordischen Sports. Mit der Dachstein Panoramaloipe hoch oben auf 2.700m hält die Region auch den Titel der höchsten Gletscherloipe der Welt.
Die Wiege des Langlaufs
Hoch oben am Sonnenplateau der Ramsau braucht man nicht lange, um zu merken, wofür die Region bekannt ist. Statt Autos beherrschen hier die Langläufer:innen die Straßen oder genauer gesagt die 220 Kilometer Loipen, die sich durchs gesamte Gebiet ziehen. An so gut wieder jeder Unterkunft hier führt eine der bestens präparierten Langlaufloipen vorbei. Viele von ihnen münden direkt im Langlaufstadion, in dem ich meine ersten Schritte in Langlaufskiern wage. Ich wollte wissen, warum sich diese Region gerade dieser Sportart verschrieben hat, wie gesund diese ist und ob man ganz ohne Vorkenntnisse und Training starten kann. Vor allem der letzte Punkt klärt sich recht schnell.
Schweißtreibend
Im Gegensatz zum Schifahren oder Snowboarden braucht man keine spezielle Kleidung fürs Langlaufen. Wasser- und windfeste Sportkleidung im Zwiebellook, Handschuhe und eine leichte Outdoorjacke genügen, denn bei so viel Bewegung kommt man richtig ins Schwitzen. „Zu warme Kleidung ist ein Anfängerfehler, den viele machen“, sagt Paul. „Genauso wie zu große Langlaufschuhe. Wenn der Fuß darin herumwackelt, dann entwickeln sich schnell Blasen.“ Das angenehm leichte Equipment aus Schuhen, Skiern und Stöcken borge ich mir direkt im Langlaufzentrum aus. Das ist praktisch und vergleichsweise günstig. „Wenn man sehr oft Langlaufen geht, rentiert sich vermutlich ein eigenes Equipment. Man bekommt das schon zum kleinen Preis. Es ist aber wie überall – richtig gute Qualität kostet“, so Paul.
Apropos Preis: Langlaufen ist nicht nur in der Anschaffung der Ausrüstung günstiger als andere alpine Sportarten, auch die Ticketkosten halten sich in Grenzen. Profis können natürlich überall vorankommen – für alle anderen ist es aber angenehmer, präparierte Loipen mit Spuren vorzufinden. Deshalb muss man auch in der Ramsau einen Loipentarif zahlen. Zur Hauptsaison belaufen sich die Kosten für eine Tageskarte beispielsweise auf 15 Euro, eine Wochenkarte ist um 38 Euro zu haben.
Die richtige Technik
„Hüfte und Schultern immer gerade halten. Spannung ist nur im Gesäß und in den Oberschenkeln. Wir stoßen uns mit einem Fuß ab, strecken beide Beine, lassen die Spannung los und gleiten ganz locker dahin, das spart Energie. Links, rechts, links, rechts“, geduldig erklärt mir Paul die richtige Technik, um möglichst elegant und effektiv voranzukommen. Erst jetzt merke ich, wie schlecht meine Koordination funktioniert. Ich gehe viel zu verkopft ran und verspanne mich. Dahingleiten sieht anders aus. „Du denkst zu viel!“, klärt Paul mich auf. „Deshalb ist Langlaufen nicht nur ein super Training für Gesäß und Beine, sondern stärkt auch Körpergefühl und Koordination – und es entspannt.“ Das sieht man hier übrigens allen an: Die Ramsau wirkt wie ein ruhiger Gegenpol zur anderen Seite des Tals. Wo auf der Planai und in der Hohenhaus Tenne Schlager und Gegröle zur Tagesordnung gehören, sitzt man hier lieber gemütlich in der Sonne und genießt die Ruhe. Nach einer kurzen Pause geht es auch für mich weiter zur nächsten Disziplin: dem Biathlon.
Anvisieren, atmen, Schuss
„Ich mag es gar nicht, wenn man mich Skilehrer nennt. Biathlon hat nichts mit Skifahren und Aprés Ski zu tun“, sagt Reini Kaurzinek und strahlt dabei eine Ruhe aus, die weit entfernt vom quirligen Treiben der Skipisten ist. Ein-zwei Zirbenschnapserl gönnt man sich zwar auch hier manchmal, aber wirklich nur zum Aufwärmen. „Wer Party will, muss in die Schirmbar gehen, auf die andere Seit’n des Tals. Biathlon und Langlaufen, das ist was fürs Herz, da steckt unsere ganze Leidenschaft drin.“ Da hat der Leiter der Langlaufschule und Staffelmeister im Biathlon recht.
Spaß hat man hier im Biathlonstadion der Ramsau aber offensichtlich genauso viel. Die Gruppe vor mir schreit und lacht als sie um die Wette ihre Langlaufrunden ziehen, um dann möglichst zielgenau ihre Schüsse abzugeben. Mit dem Laser-Gewehr, das eine Art Holzattrappe des Originals ist, geht das hier völlig ungefährlich. Auch mich packt plötzlich der Ehrgeiz, als ich mich den Zielscheiben nähere und mir Reinis Instruktionen vorsage: 10 Meter vor der Schießstelle ruhiger werden, tief durchatmen, richtige Position einnehmen und stabile Körperhaltung. Anvisieren, atmen und Schuss. Es klappt erstaunlich gut und ich muss bei jedem Klack-Geräusch schmunzeln. Auspowern, durchatmen und zur Ruhe kommen – das könnte genauso gut das Motto dieser Region zu sein.
Auf der Nachtloipe
Ich stehe auf der mit Flutlicht beleuchteten Nachtloipe als die Ramsauer Kirchturmglocken 20 Uhr schlagen. Recht intuitiv beginne ich die ersten Langlaufzüge. Es geht insgesamt 4 Kilometer leicht bergauf und bergab. Es wird anstrengend, die klirrend kalten -12 Grad bemerke ich nun nicht mehr. Kein Autolärm, keine Stadtgeräusche, nur mein Atem und der glitzernde Schnee. Links, rechts, links rechts – nicht nachdenken, einfach dahingleiten. Insgeheim plane ich bereits den nächsten Ausflug auf zwei Skiern.
Tipp zum Übernachten:
Regionale Produkte, köstliche Hausmannskost mit reichlich veganen Alternativen und ganz viele Tiere: Im Bio-Bauernhof Frienerhof fühlt man sich schnell daheim. Für Claudia und Georg Berger ist Nachhaltigkeit selbstverständlich, das merkt man an jeder Ecke des wunderschönen Hofs. Mit Langlaufloipen gleich vor der Haustür.