In einer Welt, die von technologischen Fortschritten und wissenschaftlichen Errungenschaften geprägt ist, könnte man erwarten, dass ein Problem wie Lebensmittelverschwendung der Vergangenheit angehört. Doch paradoxerweise zeigt sich genau das Gegenteil: Während Milliarden von Menschen hungern, landen jährlich Millionen Tonnen von Nahrungsmitteln im Abfall. Diese Diskrepanz wirft nicht nur ethische und ökologische Fragen auf, sondern fordert auch dazu auf, die grundlegenden Werte und Praktiken unserer Konsumgesellschaft zu hinterfragen. Denn: Lebensmittelverschwendung ist nicht nur ein ökonomisches und wirtschaftliches Problem. Sie ist ein Spiegelbild unserer Beziehung zu den Ressourcen des Planeten sowie zu unseren Mitmenschen und regt an, über grundlegende Werte nachzudenken. Was bedeutet es für jeden von uns, im Überfluss zu leben, während andere an Hunger leiden?
Vierzig Prozent zu viel
Im Durchschnitt landen 40 Prozent aller Lebensmittel im Müll, während weltweit etwa 820 Millionen Menschen an Hunger leiden. Lebensmittelverschwendung betrifft dabei alle Stufen der Lieferkette: von der Landwirtschaft über die Verarbeitung bis hin zum Handel und den Endverbraucher:innen. In Industrieländern entsteht ein Großteil der Verschwendung auf Konsumentenebene, während in Entwicklungsländern ein großer Teil während Produktion und Lagerung verloren geht. Die Produktion und der Transport dieser verschwendeten Lebensmittel verursachen etwa 8% der globalen Treibhausgasemissionen. „In einigen Teilen der Welt werden große Mengen essbarer Lebensmittel weggeworfen, während in anderen Unterernährung herrscht. Diese Ungerechtigkeit ist zwar leicht zu erkennen, doch einfache Lösungen gibt es nicht“, erklärt Sonja Schachner-Hecht, Bildungsreferentin bei Südwind. Die Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Österreich hat es sich zum Ziel erklärt, gegen diese Ungleichheit anzukämpfen. Ihre Taktik: so früh wie möglich mit Aufklärung beginnen, nämlich bereits in den Schulklassen.
Gemeinsam stark
Mit der Initiative Food Rescue setzt Südwind auf Bildung als Lösung für das Problem Lebensmittelverschwendung. Die internationale Bildungsinitiative besteht aus sechs Partnerorganisationen aus Frankreich, Griechenland, den Niederlanden, Österreich und Zypern. Man arbeitete eng zusammen, um die Klimakompetenz und den nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln dort zu fördern, wo es am sinnvollsten ist: nämlich schon bei Kindern. Gemeinsam entwickelte man also ein Programm, das Kindern zeigt, wie sie einen verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln erlernen und dadurch so wenig wie möglich verschwenden. Durch kreative Methoden werden Schüler:innen für die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Klima sensibilisiert. Spielerisch zum Umweltschutz – so kann’s gehen.
Lebensmittelrettung als Kinderspiel
In Zusammenarbeit mit einem internationalen Lehrer hat Südwind ein mehrstündiges Programm für 9- bis 12-jährige Kinder entwickelt, das dieses abstrakte Thema unterhaltsam und verständlicher machen soll. Positive Ergebnisse gibt es bereits jetzt: Die Food Rescue-Unterrichtsmodule wurden in zehn Schulen mit über 20 Lehrkräften und 300 Schüler:innen getestet. Schulklassen beleuchten dabei die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Klimaschutz und erarbeiten Möglichkeiten zur Lebensmittelrettung. Die Module kombinieren inhaltliches Fachwissen in Form von Präsentationen, Arbeitsblättern und Aktivitäten. Das wichtigste dabei: Spaß, Kreativität und Eigeninitiative der Schüler:innen fördern. Denn dann, das wissen wir wohl alle noch aus der eigenen Schulzeit, lernt es sich gleich viel einfacher. „Die Kreativität der Schüler:innen ist ein wichtiger Hebel“, betont auch Südwind-Expertin Schachner-Hecht. „Bewusstseinsbildung und die dauerhafte Förderung nachhaltiger Verhaltensweisen erfordern eine Kultur der sozialen Achtsamkeit und einen partizipativen Ansatz. Und die Kompetenzen junger Menschen stärken wir am besten, wenn wir sie aktiv in die Problemlösung einbeziehen.“
Lernen für die Zukunft
Die Initiative von Südwind und Food Rescue betrachtet Bildungsprozesse als wesentliches Element im Umgang mit der Klimakrise. Ziel ist es, die Klimakompetenz von Kindern zu erhöhen und eine reflektierte und wertschätzende Beziehung zu Lebensmitteln zu schaffen. Denn Dinge wie einen verschwenderischen, unachtsamen Umgang mit wertvollen Ressourcen sind nicht angeboren, sondern werden erlernt. Die Bedeutung von Nachhaltigkeit und die Förderung einer verantwortungsbewussten Generation durch solche Bildungsinitiativen sind entscheidend für die Bewältigung globaler Herausforderungen. Durch frühzeitige Bewusstseinsbildung und innovative Lehrmethoden können wir gemeinsam einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung leisten.
Hier erfährst du mehr darüber, wie du frische Kräuter und Gemüse selbst ziehen kannst – sogar auf noch so kleinen Balkonen.