„Mode ist Teil unseres täglichen Lebens. Sie verändert sich ständig, ist ein Spiegel aller Ereignisse. Man kann sogar das Herannahen einer Revolution an unserer Kleidung ablesen”, schrieb Modeikone Diana Vreeland in ihrem Buch „Allure“ bereits im Jahr 1980. Mode als Spiegel unserer Zeit – das hat seitdem nichts an Bedeutung verloren. Auf ihre allergrößte Herausforderung kann sich die Modewelt aber scheinbar noch immer nicht ganz einstellen – den Klimawandel.
Auf dem letzten UN-Klimagipfel wurde die Kluft zwischen dem Globalen Norden und den ärmeren Ländern des Globalen Südens erneut deutlich, und das hat auch Auswirkung auf die Modeindustrie. Denn große Modemarken beziehen ihre Produkte in der Regel aus einigen der am stärksten vom Klimawandel gefährdeten Ländern der Welt. Trotz Maßnahmen wie dem Einsatz recycelter Stoffe, verringertem Wasserverbrauch oder der Kompensation von Treibhausgasemissionen, wird in den meisten Nachhaltigkeitsstrategien dabei eines kaum miteinberechnet: Klimaauswirkungen wie Hitze oder Überschwemmungen, die das Leben, geschweige denn die Arbeit in Ländern wie Bangladesch, Vietnam oder Afrika extrem erschweren werden. Das Geschäftsmodell der Modebranche ist demnach trotz einiger positiver Maßnahmen und Initiativen noch nicht darauf ausgelegt, sich komplexen Problemen wie dem Klimawandel auf Dauer zu stellen.
Modetrends als Mega-Problem
Probleme, die man lösen könnte, wäre da nicht die massive Überproduktion von Kleidung, die durch den Onlinehandel in den letzten Jahren nochmal ordentlich befeuert wurde. Das Resultat sind sogenannte Mikrotrends, die sich auf Social Media ausbreiten wie Lauffeuer. Während Modetrends bislang einige Jahre andauerten, halten sich Mikrotrends nicht einmal eine Saison. Für Initialzündung sorgen dabei nicht nur Influencer:innen, sondern mittlerweile auch Serien, wie beispielsweise „Euphoria“: Als die Figur gespielt von Alexa Demie ein schwarzes, tiefausgeschnittenes Kleid trug, stiegen dessen Suchanfragen nach Erstausstrahlung um unglaubliche 890 %.
Fast Fashion Unternehmen wie SHEIN unterstützen dieses extrem spontane Kaufverhalten mit passendem Angebot, das beinahe zeitgleich mit dem Streamingtermin erscheint. An einem durchschnittlichen Tag stellt der chinesische Mode-Riese Schätzungen zufolge 2.000 neue Artikel online. Wir sind im Zeitalter der „Echtzeitmode“ angelangt, wie es Autor Matthew Brennan in seinem Buch „Attention Factory“ bezeichnet. Statt den ohnehin schon kurzen zwei Wochen, die andere Modeketten brauchen, um Kleidung von der Idee über den Entwurf bis zur Auslieferung zu bringen, verkürzen Ultra-Fast-Fashion Label diesen Prozess mittlerweile auf nur drei Tage. Wie es Ariana Grande so schön singt, lautet das Motto der Modewelt derzeit: „I see it, I like it, I want it, I got it“ – und das so schnell und so oft wie möglich. Wäre eine Zukunft ohne Modetrends also eine mögliche Lösung?
Slow statt Fast Fashion
Sich nach aktuellen Modetrends zu kleiden, erfüllt gleich mehrere Bedürfnisse. Zum einen ist der Klick in den Warenkorb ein Dopamin-Kick, der in unsteten Zeiten wie diesen kurzzeitige Abhilfe verspricht. Zum anderen stillt es das Urbedürfnis der Menschheit nach Gruppenzugehörigkeit. Wechselnde Trends sind gleichzeitig das Zahnrad, das die Modeindustrie am Laufen hält. Anders ist das jedoch im Bereich fairer und nachhaltiger Mode, in dem es um Zeitlosigkeit und Langlebigkeit geht. Auch hier lassen sich Trends ausmachen, diese sind allerdings eher auf das „Big Picture“ einer zeitlosen Garderobe ausgelegt. Denn in Zeiten, in denen sich sowieso alles wiederholt – siehe den aktuellen Y2K-Durst der GenZ – ist es vielleicht an der Zeit, sich auf den persönlichen Stil zu konzentrieren.
Das sieht auch Janette Papas so, die vor vier Jahren ihr Modelabel Güç gründete. Statt auf kurzzeitige Modetrends konzentriert sich die Wienerin lieber auf einzigartige Entwürfe, die man individuell tragen kann. Mit einem Handgriff bekommen Blusen und Co. eine neue Silhouette. Ein Kleidungsstück, vielseitig tragbar zu machen mildert außerdem den Drang, ständig Neues kaufen zu müssen.
Mit einem “Made-to-Order”-Prinzip will Janette außerdem Überproduktion stoppen und ihrem Slow-Fashion-Konzept treu bleiben: “Meine Philosophie betont die Wichtigkeit eines nachhaltigen und organischen Wachstums, um sicherzustellen, dass das Unternehmen mit der Nachfrage Schritt halten kann. Ohne die Qualität der Produkte zu vernachlässigen. Viele Unternehmen setzen auf ein schnelles Wachstum, doch ich sehe das etwas anders, besonders wenn es um kleine Marken geht. Ich beobachte oft, wie Unternehmen sich in eine schnelle Expansion stürzen, nur um dann mit den Herausforderungen der gestiegenen Nachfrage zu kämpfen. Für mich steht die Nachhaltigkeit im Vordergrund, nicht nur im Design, sondern auch in der Entwicklung meines Unternehmens.”
Modetrends neu gedacht
Unter dem Schlagwort “Degrowth” finden sich derzeit immer mehr Modelabel wie Güç, die einen ganz runterschalten und nicht mehr auf schnellstes Wachstum setzen. Stores, die sich auf Eco-Fashion spezialisiert haben, können wiederum auf lokale Vorlieben eingehen – ganz im Gegensatz zu globalen Konglomeraten. Da Eco-Fashion meist keinen schnellen Trends folgt, geht es hier eher um Lieblingsstücke, die man so lange wie möglich tragen kann. Auch temporäre Trends werden im Bereich Fair- und Eco-Fashion so ausgelegt, dass sie zeitlose Wertigkeit besitzen. Stores und Labels setzen dabei auf eine strikte „No-Greenwashing“-Politik, die ein paar Schritte weiter in die Zukunft blickt und wirklich alle Beteiligten der Wertschöpfungskette involviert. In Zukunft könnte die Kaufentscheidung also um eine weitere, entscheidende Frage erweitert werden: Bin das ich oder will ich einfach nur dazugehören?
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