Autorin Susanne Kaloff bringt die Sorge um eine ausgefeilte Morgenroutine um den Schlaf.
Das ist nicht nur das neue It-Wort bei Promis, sondern ein richtiger Vollzeitjob. Haben wir früher nicht einfach nur Kaffee getrunken zum Aufwachen?
Es gibt ein Wort, das mich seit einiger Zeit auf Trab hält:
Morgenroutine. Das ist irgendwie ein schicker Begriff bei sämtlichen Celebs von Miranda Kerr bis Gwyneth Paltrow, es gibt hashtags wie #mymorningroutine und jeder Promi erzählt ungefragt, was er am Morgen so treibt. Die Zeit nach dem Aufstehen scheint irgendwie irre wichtig und mit viel Ego aufgeladen. Cameron Diaz verriet zum Beispiel kürzlich, dass sie direkt neben ihrem Bett eine anderthalb Liter Flasche stilles, kaltes Wasser stehen hat, die sie komplett auf einen Zug runtergulpt, sobald sie auch nur ein Auge geöffnet hat. Das hat mich völlig aus der Fassung gebracht, weil ich seit Jahren wie ein Roboter eins tue: Eine Tasse heißes Wasser mit Zitrone trinken. Das kommt aus dem Ayurveda und soll nicht nur die Verdauung aufwecken, sondern den ganzen Körper basisch machen. Warum denn nun plötzlich kaltes Wasser? Tja, sagte Cameron, das rege den Stoffwechsel optimal an.
Dass man am Morgen den Grundstein für den Tag gescheit legt, ist ja kein Geheimnis, aber irgendwie wird daraus langsam eine Art Religion. Diese muss schon am Abend zuvor zelebriert werden. „Die Morgenroutine ist ein mächtiges Instrument, um seinen Alltag in den Griff zu bekommen. Bereits mit dem Abend zuvor werden die Weichen gestellt“ las ich irgendwo. Mich stresst das zunehmend. Gestern beispielsweise lag ich bereits mit meinem Yogi Guten-Abend-Tee im Bett, die Stimme von Karena im Ohr, eine New Yorker Yogalehrerin, deren App ich für einen erholsamen Schlaf runterlud. Es gibt dort eine kurze (6:11 Minuten) und lange (19:06 Minuten) Version für Nighttime Sleep. Karena hat eine unerträglich sanfte Stimme, die mich ein bisschen aggressiv macht, weswegen ich meist nur sechs Minuten und elf Sekunden aushalte, ohne in meinem Nachthemd jemandem etwas anzutun. Gestern schreckte ich jedoch schon nach zwei Sekunden auf, weil mir siedendheiß einfiel, dass ich vergessen hatte, die Haferflocken für den nächsten Morgen einzuweichen. Das ist auch so ein gesunder Trend: Overnight Oats. Hinzu kommt, dass der folgende Tag angeblich nicht die geringste Chance haben soll, wenn man am Abend zuvor schmutziges Geschirr in der Spüle stehen lässt.
Die gesamte Kolumne können Sie in der aktuellen Ausgabe des Print-Magazins lesen.