Glasklare Luft, die Sonne kitzelt im Gesicht, der Blick schweift übers Bergpanorama – ein Moment zum Durchatmen und genießen. Wäre da nicht diese schmerzhafte Blase am Fuß. Es ist eine Lektion, die wir wohl alle schon einmal gelernt haben: die falsche Ausrüstung verdirbt auch die schönste Wanderung. Nicht nur in die passende Kleidung, auch in den idealen Wanderschuh sollte man deshalb ruhig ein bisschen mehr Zeit investieren. Beachtet man dabei ein paar Dinge, wird das neue Schuhwerk ein treuer Begleiter für viele Jahre. Die zweite gute Nachricht: auch in diesem Bereich setzen immer mehr Labels auf Nachhaltigkeit und faire Produktion.
Das muss man beim Kauf beachten
Zuerst die wichtigste Frage: Wo will ich hin? Ausflüge ins Flachland verlangen andere Schuhe als mehrtägige Hüttenwanderungen oder hochalpine Touren. Sucht man einen Allrounder, empfehlen Expert:innen Wanderschuhe mit rutschfester Sohle, guter Dämpfung und hohem Schaft, der über dem Knöchel endet. Diese geben mehr Halt und minimieren die Verletzungsgefahr.
In der Regel gilt, je höher das Ziel liegt, desto härter muss die Sohle des Schuhs sein. Das Klischee, man müsse Wanderschuhe erst ordentlich eingehen, bevor sie bequem sind, stimmt heute nicht mehr. Viel eher sollte gleich beim ersten Reinschlüpfen nichts drücken oder scheuern. Moderne Wanderschuhe sind innen gepolstert und verändern ihr Tragegefühl auch nach mehrmaligem Tragen nicht. Der Fuß sollte nach vorne hin genügend Platz haben, etwa einen Zentimeter vor dem großen Zeh. Ansonsten kommt es auf längeren Strecken bergab zu blauen Zehen. Zur Anprobe immer gleich die passenden Wandersocken tragen. Diese verhindern Reibung und schmerzhafte Druckstellen.
Ein weiter Weg
2012 deckte die Zeitschrift Ökotest die größten Problemstoffe in Schuhen auf. So waren in neun von zehn getesteten Modellen sogenannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) in der Sohle und Chrom in der Ledergerbung enthalten – beide gelten als umweltschädlich und krebserregend. Außerdem auf der Liste waren per- und polyfluorierte Substanzen, sogenannte PFAS. In der atmungsaktiven Membran vieler Outdoor-Jacken als auch Wanderschuhe stecken außerdem giftige Perfluorcarbone (PFC). Diese verteilen sich über Feinstaub und Wasser sogar bis in die entlegensten Gegenden der Welt, wie Greenpeace bereits 2015 in einer Studie herausfand.
Über Abrieb beim Gehen oder beim Waschen Zuhause werden diese Stoffe gelöst und verschmutzen natürliche Kreisläufe. Sie reichern sich in der Natur an und gelangen über die Nahrungskette schlussendlich auch in unsere Körper. All diese Stoffe, die oft auch in Imprägniersprays vorkommen, können nicht abgebaut werden, bleiben also ewig erhalten. Beim Kauf von Kleidung als auch Imprägniersprays sollte man also statt Aerosol-Sprays zu Wachsen oder Pumpsprays greifen und auf die Kennzeichnungen “Fluorfrei”, “frei von PFC” oder “ohne PFAS” achten. Die Kennzeichnungen “PFOA-frei” oder “PFOS-frei” umfasst nur zwei Einzelsubstanzen dieser großen Gruppe schädlicher Stoffe, ist also nicht ausreichend.
Tipps für den Durchblick
Um bei Outdoor-Bekleidung und Schuhen auf Nachhaltigkeit und faire Herstellung zu achten, kann man das jeweilige Label beispielsweise im Markencheck der Fair Wear Foundation nachschlagen. Das derzeit relevanteste Siegel im Outdoor-Bereich ist das bluesign®-PRODUCT-Label. Es schließt viele Schadstoffe aus, allerdings nicht gänzlich alle fluorierten Chemikalien. Außerdem werden damit einzelne Produkte zertifiziert und nicht etwas das gesamte Label. Wer das Angebot mit Checks wie diesen genauer unter die Lupe nimmt, merkt also schnell: einen 100% nachhaltigen Wanderschuh gibt es derzeit noch nicht. Einige Unternehmen gehen aber zumindest in die richtige Richtung.
Nachhaltige Wanderschuhe finden
Das deutsche Unternehmen Meindl fertigt den Großteil der Wanderschuhe im oberbayerischen Kirchanschöring. Die Schuhe lassen sich außerdem immer wieder neu besohlen. Die Serie „Identity“ gibt der Kundschaft die Chance, das Leder bei allen Produktionsprozessen bis zum Rind zurückzuverfolgen. Das zertifizierte „terracare“-Leder stammt aus einer Gerberei in Nordrhein-Westfalen, die es CO2-neutral und schadstoffarm herstellt.
Der Wanderschuh-Hersteller Hanwag bezieht ebenfalls „terracare“-Leder für einige seiner Modelle. Sie sind wiederbesohlbar, einige Modelle sogar mit 100% recyclebarer Sohle. Laut Hanwag sind noch nicht alle Verfahren in der Herstellung hochwertiger Bergstiefel „grün“, man arbeite aber intensiv an den nächsten Schritten dafür.
Der skandinavische Hersteller Haglöfs bezieht Leder von zertifizierten Gerbereien, arbeitet mit recycelten Materialien und kompensiert CO2-Emmissionen der Herstellung. Genauso wie das Schweizer Label Mammut, das einige nachhaltige Wanderschuhe im Sortiment hat.
Outdoor-Experte Vaude setzt nicht nur auf „terracare“-Leder, sondern arbeitet auch noch mit umweltverträglichen Imprägnierungen, abriebfesten Sohlen aus biobasierten Material und Recycling-Anteilen in Futter, Membran und Sohle.
Ein interessantes Projekt startete der italienische Schuhhersteller Aku: In einem über zwölf Monate andauernden Prozess wurde ein Modell mit der Environmental Product Declaration (EPD) zertifiziert und ist damit von der Gewinnung der Rohmaterialien bis zur Entsorgung des ausgedienten Schuhs vollständig nachverfolgbar. In Zukunft soll dies auf jeweils ein Modell jeder Kategorie ausgebreitet werden, Wanderschuhe inbegriffen.
Vegane Wanderschuhe
Für viele geht Bioleder in Sachen Tierwohl noch nicht weit genug. Deshalb wächst auch bei Wanderschuhen das Angebot an veganen Modellen stetig. Ein Problem ist hierbei, dass Hersteller kaum angeben, ob der verwendete Kleber in ihren lederfreien Wanderschuhen ohne tierische Produkte erzeugt wurde. Modelle wie „Inox“ von Lowa oder die Schuhe von ethicalWARES sind z.B. streng vegan. Das heißt allerdings auch, dass biologisch-abbaubares Leder oder Wollstoff synthetischen Kunststoffen weichen müssen, die Mikroplastik in die Umwelt abgeben. Wer hier auf möglichst langlebige, fair-produzierte Modelle mit möglichst kurzen Transportwegen setzt, hat dennoch bereits einen wichtigen Schritt getan.
Reinigung und Pflege
Nach der Wanderung sollte man die Wanderschuhe möglichst bald von Schlamm und Schmutz befreien, da dieser das Obermaterial mit der Zeit porös machen kann. Mehr als warmes Wasser und eine Bürste braucht es dazu gar nicht. Um die Schuhe wasserfest zu halten, benutzt man am besten Wachs oder passende Sprays aus dem Fachhandel, die frei von fluorierten Chemikalien sind. Die alte Methode des Einölens und Einfettens sollte man allerdings sein lassen, auch bei Leder. Denn das schwemmt das Material auf. Das deutsche Unternehmen Fibertec bietet beispielsweise umweltfreundliche Pflegeprodukte, die PFC-frei und nach dem „bluesign“-Standard zertifiziert sind. Denn der nachhaltigste Wanderschuh ist immer noch der, der so lange wie möglich hält.