Vor 15 Jahren revolutionierte die Marke Terra Canis die Tierfutterindustrie. Ein Gespräch mit Gründerin Brigitta Ornau über Tierliebe, Greenwashing und den Schritt in die weite Welt.
Frau Ornau, Ihr erster Hund stammt aus dem Tierheim. War die Hundeliebe schon immer da?
Ein Hund stand schon immer ganz oben auf meiner Wunschliste, egal ob zu Weihnachten oder zum Geburtstag. Doch bekommen habe ich nie einen. Nur einen als Kuscheltier, mit dem ich immer Gassi ging. Das war nicht wirklich befriedigend, weil ich ihn eher hinter mir her schleifte und der Stoffhund immer umfiel. Als ich dann mit 21 Jahren bei meinen Eltern auszog, war für mich ganz klar, dass ich als erstes einen Hund aus dem Tierheim rette. Ein Hund war einfach seit meiner Kindheit ein Herzenswunsch.
Wie kam es dann zur Idee mit dem Tierfutter?
Mein erster Hund stammt aus einer Tötungsstation in Spanien. Er war der kleinste und schwächste von allen und man machte mir wenig Hoffnung. Doch ich wollte ihm unbedingt helfen und retten. Er war sehr schwer krank und hatte Probleme mit der Nahrungsaufnahme. Also fing ich an, für ihn zu kochen, weil mich konventionelles Futter abstieß. Es roch nicht gut und sah auch nicht gut aus. Meinen Hund musste ich leider nach knapp einem Jahr einschläfern, da er einfach zu krank war. Aber die Idee mit gutem Tierfutter blieb und so kam es zu Terra Canis, als ich meinen zweiten Hund aus einer spanischen Tötung rettete.
Terra Canis ist seit Beginn für eine Verarbeitung von Rohstoffen in 100% Lebensmittelqualität bekannt. Und die Kampagne Terra Canis goes Green zeigt, dass sie auch bei der Produktion auf Nachhaltigkeit und Umwelt setzen. Wie sieht das konkret aus?
In den ersten 14 Jahren produzierten und arbeiteten wir in den Räumen einer älteren Münchner Metzgerei. Doch dann wurde es uns dort zu klein und wir mussten neu bauen. Auf Nachhaltigkeit zu achten, war uns dabei besonders wichtig. Klar arbeiten wir als Firma industriell, aber die erzeugte Wärme wird bei uns wieder in Energie umgewandelt. Bis Ende 2021 wollen wir die gesamte Firma auf Ökostrom umstellen. Und auf dem Dach unserer neuen Produktionsstätte haben wir eine Wiese angelegt. Mit 5000 Quadratmetern ist das unser Beitrag zur Renaturierung von Industrieflächen. Besondere Gräser und Blumen bieten Bienen und Vögeln einen natürlichen Lebensraum und Nahrung.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in Ihrem Leben?
Bei mir kam das Bewusstsein ehrlicherweise erst im Erwachsenenalter, so ab 30. Die heutige, junge Generation beschäftigt sich schon viel früher mit Umweltschutz-Themen. Ich bin heute sehr engagiert, aber natürlich nicht perfekt. Ich trenne meinen Müll, überlege, ob ich mir als nächstes ein Elektroauto zulege und ich reise so gut wie gar nicht mehr. Und das fällt mir ehrlich gesagt nicht schwer, da ich eh am liebsten Zuhause bin. Ich versuche weitestgehend auf Plastik zu verzichten und achte darauf, wo meine Lebensmittel herkommen. Wenn sie lokal angebaut werden, ist mir das am Liebsten.
Mit dem Verkauf Ihrer Produkte unterstützen Sie Wasserkraftwerke im Kongo, ein Waldschutzprojekt im Oberallgäu und andere Aufforstungs- und Klimaprojekte. Wie funktioniert das genau?
Unsere Partnerfirma errechnet unseren ökologischen Fußabdruck, den wir durch Produktion, Versand und Verkauf verursachen. Diesen gleichen wir dann mit unseren diversen Umwelt- Projekten wieder aus.
Klingt so, als möchten sie ihr schlechtes Gewissen bereinigen?
Wir achten extrem darauf, unseren größtmöglichen Beitrag zum Umweltschutz auch tatsächlich zu leisten. Wir überprüfen stetig jeden Produktionsschritt und versuchen ihn, wo es nur geht, zu optimieren. Auch zum Beispiel bei der Verpackung: Unsere Kartons bestehen zum größten Teil aus bereits recyceltem Papier. Für nächstes Jahr wollen wir auch unsere Snack Boxen optimieren. Das Cellophan der Verpackung soll dann durch eine plastikähnliche Verpackung bestehend aus Algen ersetzt werden. Beim Versand ist das allerdings aufgrund des Transportes per Auto oder Flugzeug schon schwieriger. Deshalb versuchen wir jeden Schaden, den wir nicht vermeiden können, wieder auszugleichen. So bewegen wir uns in einem neutralen Bereich. Aber natürlich ist es unser Ziel, beim Thema Umweltschutz immer einen Schritt nach vorne zu machen.
Wie sieht’s mit dem Inhalt aus?
Man muss zwischen Lebensmittelqualität und Bio Qualität differenzieren. Bio Tiernahrungsmittel werden in der Regel nicht aus lebensmittelechten Rohstoffen hergestellt und sind daher in der Regel qualitativ weniger gut, aber ethisch gesehen natürlich das bessere Produkt. Tiernahrung in 100% Lebensmittelqualität aller Rohstoffe und Fleisch aus artgerechter Haltung, ist so teuer, dass es sich leider bisher am Markt nicht durchgesetzt hat.
Braucht es dazu mehr Bereitschaft von Verbrauchern und auch Unterstützung von Seiten der Politik?
Ich glaube generell, dass solche Themen in Deutschland schwierig sind. Im Vergleich zu Ländern wie Spanien und Italien geben wir weniger Geld für Lebensmittel aus. Die Leute wollen zwar die höchsten Standards, dafür bezahlen ist die andere Sache. Man sieht ja, wie Discounter wachsen. Die meisten wissen, wie schlecht es Tieren in der Massentierhaltung geht und kaufen trotzdem das billigste Fleisch. Die junge Generation ist da anders. Sie essen lieber weniger Fleisch und bezahlen dafür mehr. Aber ja, es liegt ganz klar an unser aller Bereitschaft, für Gutes mehr ausgeben zu wollen.
Im April 2017 haben Sie einen nicht unerheblichen Anteil Ihrer Firma an Nestlé verkauft. Haben die Bemühungen um noch mehr Nachhaltigkeit etwas damit zu tun?
Nein, das hat es nicht. Natürlich war ich da in der Kritik. Aber ich muss sagen, dass Nestlé auch viel Gutes macht, was die Leute nicht sehen bzw. nicht sehen wollen. Die Firma investiert immer mehr in kleinere nachhaltige Unternehmen. Aber man muss auch klar sagen, dass eine so große Firma einen Paradigmenwechsel nicht innerhalb von drei Jahren umsetzen kann. Gerade solche Firmen benötigen aufgrund ihrer Größe eine gewisse Zeit Veränderungen zu realisieren. In einer kleinen und quirligen Firma wie Terra Canis geht so ein Prozess natürlich viel schneller. Die Themen um Nachhaltigkeit beschäftigen mich ja schon länger, das hätte ich auch ohne Nestlé umgesetzt.
Also sehen Sie sich mit als Retterin, die die Firma zum Umdenken bewegt?
Nein, dazu sind wir leider zu klein, um so einen großen Einfluss zu haben. Aber die Firma passt sich immer mehr den aktuellen Gegebenheiten an. Der Teilverkauf war für mich ein langwieriger Entscheidungsprozess. Das wäre aber auch bei allen anderen Firmen so gewesen. Nestlé ist für Terra Canis einfach ein Tor in die Welt. Als kleine Firma kommt man sonst nicht so schnell in die großen internationalen Märkte. Keine Firma ist zu 100 Prozent perfekt, vor allem nicht in dieser enormen Größe. Denken Sie an die Pharmaindustrie, die Bekleidungsindustrie und HiTech Firmen. Ich finde es wichtig, dass große, jahrzehntealte Firmen bereit sind, sich anzupassen, zu ändern und zu optimieren, und dies auch sukzessive umsetzen.
Sie wollen also expandieren?
Ich war vor einigen Jahren in Belgien in einem Pet Care Store und erschrocken darüber, dass kein mit Terra Canis qualitativ vergleichbares Produkt erhältlich war. Ich möchte einfach, dass unsere Qualität den Verbrauchern weltweit zur Verfügung steht, damit der Hundebesitzer entscheiden kann, welche Qualität er füttert. Wir sind natürlich permanent dabei, auch vegane und vegetarische Produkte zu testen, sind aber im Hinblick auf die artgerechte Ernährung von Hunden nicht überzeugt. Auch Insektenprotein ist für uns interessant, aber noch nicht gut genug erforscht.
Es muss einfach artgerecht sein. Ich beobachte, dass sich durch Corona mehr Leute Haustiere angeschafft haben. Sport und die Natur stehen wieder mehr im Vordergrund. Ich hoffe das bleibt so und es findet auch ein Umdenken weiterhin statt. Nicht dass die Tiere dann in einem Jahr im Tierheim sitzen.