Die Produktion von sogenannter „Fast Furniture“, also schnell und billig hergestellten Möbeln ist in den letzten 20 Jahren um ganze 500% gestiegen. Gleichzeitig häuften sich aber auch Berichte über die negativen Umweltauswirkungen und hohe Schadstoffrisiken solcher Billigmöbel. Die Frage, die sich immer mehr Menschen daher stellen: Nachhaltigkeit und Möbeldesign – passt das überhaupt zusammen?
Achtsame Kaufentscheidungen fangen beim Bewusstsein dafür an, welche Auswirkung ein Möbelstück überhaupt auf die Umwelt hat. Aus welchen Materialien besteht mein Möbelstück? Welche Klebstoffe wurden verwendet? Wo kommt das Holz her, aus dem mein neuer Tisch gemacht ist? Wurde dafür vielleicht sogar unnötig ein Wald gerodet? Es sind aber auch Fragen wie diese, die für normale Kund:innen oft gar nicht so leicht beantwortet werden können. Wenn Interior Brands und Möbelunternehmen ihre Arbeitsweisen und Lieferketten nicht transparent gestalten, bleiben auch mögliche negative Umweltauswirkungen im Verborgenen. Wie also schafft man es als große Möbelmarke die Dinge besser zu machen und die schwierige Balance zwischen Konsum und Nachhaltigkeit zu meistern? Wir fragen nach bei Arnaud Vanpoperinghe, CEO von tikamoon.
FOGS: Herr Vanpoperinghe, welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um sicherzustellen, dass Ihre Produkte so umweltfreundlich wie möglich sind?
Arnaud Vanpoperinghe: „Seit 2008 bieten wir Möbel aus Massivholz an, die für eine lange Lebensdauer konzipiert sind. Wir haben aber schon immer eine grüne Seele. Daher ergreifen wir auch laufend Maßnahmen, um das noch zu fördern. Die Reduzierung der für unsere Möbel verwendeten Rohstoffe beispielsweise, oder die Verringerung des CO2-Fußabdrucks unserer Transporte. Oder die Erweiterung unseres Angebots an FSC®-zertifizierten Produkten.“
FOGS: Können Sie uns mehr von ihrer Strategie „Tikagreen“ erzählen?
AV: „Tikagreen ist dazu da, unsere nachhaltige Entwicklung zu fördern und die Auswirkung auf die Umwelt zu verringern. Wir haben das Programm gerade erweitert und sind der Initiative 1% for the Planet® beigetreten. Als Mitglied dieses Kollektivs spendet tikamoon nun seit dem 1. April 2024 1% des Jahresumsatzes seiner FSC®-zertifizierten Produktpalette an Organisationen, die sich für den Schutz und die Wiederherstellung von Waldökosystemen einsetzen. Wir haben außerdem beschlossen, die vom WWF Frankreich geförderte Initiative Nature Impact zu unterstützen.“
FOGS: Ein wichtiger Punkt in Sachen Nachhaltigkeit im Möbeldesign ist es, ihre Lebensdauer zu verlängern. Arbeitet tikamoon auch daran?
AV: „Wir wollen unsere Produkte für die breite Masse zugänglich machen und arbeiten daher ständig an den Kosten. Zu diesem Zweck haben wir ein Upcycling-Atelier in Frankreich in der Nähe von Lille. Im Jahr 2023 haben wir dort über 18.000 Möbelstücke repariert. Manche Möbel können während des Transports beschädigt werden, auch wenn wir unser Bestes tun, um sie zu schützen. Sie werden dann an unsere Upcycling-Werkstatt weitergeleitet. Unsere Schreiner kümmern sich um die beschädigten Möbel: vom Ausbessern eines Kratzers bis zum Ersetzen bestimmter Elemente. Diese Möbel werden dann in unserem Second-Hand-Laden in Nordfrankreich verkauft.“
„Darüber hinaus planen wir, unsere Werkstätten und Verkaufsstellen in den nächsten Jahren auf ganz Europa auszuweiten. Wir arbeiten auch an der Zugänglichkeit unserer Produkte, damit wir verschiedene Zahlungsmöglichkeiten wie Ratenkauf ohne zusätzliche Gebühren anbieten können.“
FOGS: Wie wichtig ist die Verwendung von FSC®-zertifiziertem Holz beim Thema Nachhaltigkeit im Möbeldesign?
AV: „Für uns ist es wichtig, dass das von uns verwendete Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt. Um dies zu erreichen, verlassen wir uns auf die FSC-Zertifizierung. Sie garantiert, dass der Wald nachhaltig bewirtschaftet, die biologische Vielfalt geschützt wird und die Bewirtschaftung für die lokalen Gemeinschaften sozial und wirtschaftlich vorteilhaft ist. Die angewandten Forstwirtschaftspraktiken werden sorgfältig überprüft, um die Vielfalt von Fauna und Flora zu schützen und den Erhalt des Waldes langfristig zu gewährleisten. Im August 2018 haben wir außerdem die FSC® Chain-of-Custody-Zertifizierung erhalten. Seitdem konnten wir den Anteil unserer Produkte, die FSC-zertifiziert sind, jedes Jahr erhöhen und erreichen heute einen 55-prozentigen Anteil bei den Produkten.“
FOGS: Sie haben ein Bewertungssystem zur Darstellung der Umwelteinwirkung von Produkten eingeführt. Können Sie erklären, welche Kriterien dabei berücksichtigt werden?
AV: „Auf der Grundlage unserer 7 Umweltkriterien haben wir ein einfaches Bewertungssystem mit 1 bis 4 „Blättern“ entwickelt. Anhand dieser Tabelle können die Kund:innen ihre Produkte vergleichen und auswählen.“
Die 7 Kriterien sind:
1. „Massivholz“, das ein lebendiges Material ist, eine hohe Recyclingfähigkeit hat und Energie spart.
2. „Keine Verbundwerkstoffe“ bedeutet, dass wir keine MDF- oder Spanplatten verwenden.
3. „Ressourcenschonend“ heißt, dass wir ein Konzept zur Abfallbegrenzung und maximalen Wiederverwendung von Verschnitt haben.
4. „Traditionelle Montage“: Robuste und langlebige Möbel, die von unseren Schreiner:innen von Hand zusammengebaut werden.
5. „Hohe Reparierbarkeit“: Langlebig dank der einfachen Reparatur von Massivholz und verfügbaren Ersatzteilen.
6. „FSC®-zertifiziertes Holz“: Verantwortungsvolle und nachhaltige Forstwirtschaft.
7. Partnerschaft mit „1% for the Planet®“
FOGS: In den letzten Jahren nahm das Bewusstsein für die Umweltauswirkung von Konsumgütern wie Möbeln zum Glück stark zu. Wie kann man umweltbewussten Konsum zusätzlich pushen?
AV: „Da haben auch Unternehmen die Pflicht, neue Denkweisen zu entwickeln, um vom Überkonsum wegzukommen. Wir wollen, dass ein Sideboard vier Leben bei vier verschiedenen Menschen hat und nicht vier Sideboards nur einem Menschen gehören.“
FOGS: Welche Zukunftsaussichten würden Sie nachhaltigem Design in der Möbelindustrie geben?
AV: „Für mehr Verantwortung und Nachhaltigkeit im Möbeldesign müssen verschiedene Elemente berücksichtigt werden. Leicht zu reparierende Möbel beispielsweise, sowohl in Bezug auf das Design als auch auf die verwendeten Materialien. In einigen Jahren könnte es zu einer Verknappung von Rohstoffen kommen. Langfristig könnte Holz ein Rohstoff werden, den wir nicht mehr gewinnen können. Wir müssen in der Möbelindustrie deshalb mit neuen Materialien innovativ sein und darauf achten, dass sie lange halten und leicht zu reparieren sind. Es ist auch wichtig, Möbel vielseitig einsetzbar zu machen, so dass ein und dasselbe Möbelstück verschiedene Bedürfnisse der Endkonsument:innen befriedigen kann.“
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