Laut Umfragen sind die meisten Menschen theoretisch dazu bereit, ein klimaschonendes Leben zu führen. In der Praxis handeln wir aber leider oft anders. Die Wissenschaft nennt dieses Phänomen „value-action gap“. Denn: ein nachhaltiger Lebensstil ist doch furchtbar kompliziert – oder? Wir rücken vier hartnäckigen Vorurteilen an den Kragen.
„Das bringt doch alles gar nichts.“
Der Kampf gegen Windmühlen, der Tropfen auf dem heißen Stein – manchmal haben wir das Gefühl, als einzelne Person nichts bewirken zu können. „Was bringt es schon, wenn ich die Gemüsepfanne statt dem Schnitzel bestelle oder das Bio-Obst kaufe?“ Nun, statistisch gesehen: viel! Am Beispiel der Suchmaschine Ecosia sieht man, dass ganze Wälder entstehen können, nur durch einen Mausklick. Die Suchmaschine funktioniert genau wie Google, mit dem Unterschied, dass man mit jeder Suche einen Baum pflanzt. Das klingt erst mal nach Greenwashing, immerhin pflanzt heutzutage jeder Bäume, oder? Das „Beweismaterial“ ist allerdings erstaunlich: Durch die weltweiten Klicks sind bereits über 180.000.000 Bäume gepflanzt worden und neue Wälder entstanden, in Kenia, Indonesien, aber auch in Mitteleuropa, ganz in unserer Nähe.
Noch ein Beispiel gefällig? Im Zuge des „Veganuary“ leben zu Beginn des Jahres immer mehr Menschen einen Monat lang rein pflanzlich. Eine Challenge, die richtig ansteckend ist und tatsächlich viel bewirkt: Von 2014 bis 2020 hat diese weltweite Initiative laut einer Berechnung des Harvard University’s Animal Law and Policy Programms rund 103.840 Tonnen CO2-Äquivalent eingespart. Das entspricht etwa 15.000 Autofahrten um die Erde! Inzwischen dürfte der Wert deutlich gestiegen sein, denn allein 2022 nahmen 629.000 Menschen aus über 200 Ländern und Regionen teil – Tendenz steigend. Keine Sorge übrigens beim kontroversen Thema Tofu: Laut Greenpeace ist dieser bereits in allen heimischen Supermärkten aus lokalem Anbau in Österreich erhältlich, der Regenwald bleibt somit also verschont. Nachhaltige Veränderungen mögen klein wirken, aber gerade im Freundes- und Familienkreis motiviert man sich gegenseitig, oft sogar ungewollt. Klar sind beim Thema Umweltschutz Großkonzerne und Politik gefragt, aber wir dürfen nie vergessen: Gemeinsam können wir viel bewegen!

„Ein nachhaltiger Lebensstil ist aufwändig.“
Sich einen Überblick über den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verschaffen, klingt kompliziert, ist aber ganz einfach: Mit Fußabdruck-Rechnern bestimmt man CO2-Emissionen und Co. in nur fünf Minuten. Wer danach Maßnahmen setzen und umweltschonender leben will, muss aber nicht zwingend alles umkrempeln und leben wie in der Steinzeit. Statistiken zeigen, dass neue Gewohnheiten und kleine Handgriffe im Alltag tatsächlich etwas bringen und weitere positive Veränderungen anstoßen. Eine Erhebung in Deutschland bewies beispielsweise, dass sich knapp 1,5 Milliarden Kilowattstunden Strom pro Jahr einsparen ließen, wenn alle Waschmaschinen des Landes nur noch das Eco-Programm nutzen würden. Zum Vergleich: Eine durchschnittliche Kleinstadt benötigt ungefähr 12 Millionen KWh Strom pro Jahr.
Lösungen sind also manchmal bereits da und nur einen Knopfdruck entfernt. Alleine den Deckel auf den Kochtopf zu setzen oder aufs unnötige Vorheizen des Backrohrs zu verzichten, spart dem Kopfprozess ein Drittel Energie. Kleine Veränderungen mit Viel Wirkung verstecken sich in Supermarkt und Drogerie, im selben Regal, zu dem man sowieso muss, nur einen Handgriff entfernt. Anstatt auf Wegwerf-Produkte wie Tampons zu greifen, könnte man beispielsweise Periodenunterwäsche testen, die in vielen schönen Varianten auch schon in Drogerien erhältlich sind. Waschmittel, die palmölfreie, biologische Tenside verwenden tragen nicht nur Zerstörung des Regenwaldes bei. Und Toilettenpapier aus Recyclingfaser sorgt ganz einfach dafür, dass unsere Ressourcen nicht gleich wieder „den Bach“ runtergehen.

„Nachhaltig leben ist teuer.“
Vom Müllbeutel bis zum besonders energieeffizienten Kühlschrank – für umweltschonende Alternativen zahlt man meist einen höheren Preis. Oft aber sind die Öko-Äquivalente nur teurer in der Anschaffung, rentieren sich aber nach kurzer Zeit, weil sie langlebiger bzw. stromsparender sind. Durch die steigende Nachfrage für nachhaltige Produkte hat man mittlerweile auch in Supermarkt und Drogerie keine Probleme mehr, günstige Varianten zu finden – von der Naturkosmetik bis hin zum klimaneutralen Spülmittel. Das Label Lieber Wieder, ein Projekt der Geschützten Werkstätten Salzburg, beweist wiederum, dass nachhaltige Basics nicht teuer sein müssen. Die Textilien entstehen im Kreislaufprinzip, haben den geringstmöglichen CO2-Fußabdruck und müssen 15 strenge soziale, regionale und ökologische Qualitätskriterien erfüllen. Ein T-Shirt ist dabei schon ab 40 Euro erhältlich.
Egal ob Kleidung, Schuhe, Möbel oder Elektrogeräte: man sollte sich möglichst noch vor der Anschaffung überlegen, ob das Produkt auch repariert werden kann und wo. Findet sich ein alteingesessenes Reparaturzentrum oder Schusterbetrieb in meiner Nähe? Gibt es jemanden mit handwerklichem Talent in meinem Umfeld, oder könnte ich sogar selbst zu Nadel, Hammer oder Schleifmaschine greifen? Viele Fair-Fashion-Marken bieten mittlerweile solche Reparaturservices an. Das niederländische Label Mud Jeans konzipierte sogar ein ausgeklügeltes Leasing-System, bei dem kaputte Jeans einfach zurückgeschickt und recycelt bzw. repariert werden. Outdoor-Anbieter Vaude etabliert gerade ein Mietmodell für Zelte, Rucksäcke und Co., Onlineshop Bergzeit ein Kaufportal für Second-Hand-Ware zu günstigen Preisen.

„Nachhaltige Produkte sind nicht chic und voller Verbote.“
Weniger kaufen, dafür hochwertiger – mit dieser Devise können wir viel bewirken, vor allem im Kleiderschrank. Denn die Modewelt zählt leider zu den größten Umweltverschmutzern. Das Wort „Öko-Kleidung“ löst allerdings bei den meisten Modebegeisterten Naserümpfen aus. Keine Sorge, wir müssen uns nicht in farblose Leinensäcke hüllen, um umweltbewusster zu shoppen. Als „vielseitig, modern und sinnlich“ bezeichnet beispielsweise die junge Wienerin Janette Papas ihr Modelabel GÜÇ, das sie nach dem Mädchennamen ihrer Mutter benannte. Janette produziert in Wien und Paris, ausschließlich aus Naturmaterialien und möchte alle Körperformen inkludieren, wie sie sagt: “Die Kleidung soll sich an den Körper anpassen, nicht umgekehrt. Meine Teile sind langlebig, multifunktional, sollen einen Menschen ein Leben lang begleiten und sich immer wieder mit ihm verändern.”
Aber: Wie kauft man nun wirklich nachhaltig und findet sich im Dschungel aus Zertifikaten und Siegeln zurecht? „Es gibt die wunderbare Plattform „Bewusst kaufen“ vom Umweltministerium. In deren Label-Kompass, erfährt man unkompliziert und schnell, ob ein Gütesiegel gut ist oder nicht“, erklärt Wolfgang Pfoser-Almer. Er ist Geschäftsführer von Österreichs größter Nachhaltigkeitsmesse WeFair, die sich als Greenwashing-freie Zone versteht, in der man mit gutem Gewissen einkaufen kann. „Empfehlenswert für den Textilbereich ist der Global Organic Textile Standard (GOTS). Ein gutes Basic und weit verbreitet. Die Siegel des Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft (iVN) und das Bluesign-Siegel bei Outdoorbekleidung haben besonders strenge Kriterien. Der Blaue Engel sowie der Grüne Knopf berücksichtigen neben der Umweltauswirkung auch soziale Anforderungen“, so der Experte. Der Stil der modernen Fair-Fashion-Label, die sich mit diesen Zertifikaten schmücken? Ganz weit weg vom Öko-Klischee.
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