Regentropfen durchschneiden die Luft, Donner grollt in den unendlichen Weiten des Bergpanoramas und Nebelschwaden wabern aus den dichten Wäldern – wer einmal ein Frühlingsgewitter in den Bergen erlebt hat, weiß, dass es sich oft genauso schnell verzieht, wie es begonnen hat. Ähnlich verhält es sich mit Alltagsstress, der sich bei einem Aufenthalt in der Natur ganz schnell in Luft auflöst. Die positive Wirkung von Bergen, Wäldern und Wiesen ist dabei nichts Neues und wird schon seit Jahrtausenden überliefert – vom japanischen Shinrin-Yoku (Waldbaden) bis hin zum Räuchern mit Kräutern und Harzen. Manchmal verblassen diese kleinen Wunder aber hinter den Innovationen der modernen Welt. Grund genug also, um an ganz besondere Naturwellness-Orte zu reisen und die Heilkräfte der Natur wiederzuentdecken.
Ursprünglich Saunieren in Europas naturbelassendstem Tal
Im Kärntner Lesachtal, dem offiziell naturbelassendstem Tal Europas, ticken die Uhren langsamer – und das im bestmöglichen Sinn. Hier, abseits der Hauptstraße, versteckt im Tal und umrahmt vom imposanten Bergpanorama befindet sich die Tuffbadquelle. Bereits im 18. Jh. wurden die Patres des Servitenordens Maria-Luggau bei der Heilkräutersuche auf die Wirkung dieses Wassers aufmerksam. Mittlerweile wurde die Calcium Magnesium-Sulfat-Hydrogencarbonat-Quelle offiziell zum Heilvorkommen erklärt. Kein Wunder, dass sich hier bereits vor über 20 Jahren das familiengeführte Almwellnessresort Tuffbad niederließ und die Kraft dieser Quelle seitdem nutzt.
Da man im Lesachtal alte Traditionen und Überlieferungen hochleben lässt, hält das Naturwellness-Resort noch einige besonders ursprüngliche Saunaerlebnisse bereit. Im Steinbad beispielsweise gibt das Gestein zischend sein wertvolles Innerstes preis. Die aufsteigenden Dampfschwaden sind angereichert mit Mineralstoff-Konzentraten, die Körper und Atemwegen guttun. Das Brechelbad genannte Kräuterdunstbad wird in vielen alten Schriften als “Saunabad der Bauern” bezeichnet. In der Mitte stößt ein Badeofen regelmäßig Kräuterdämpfe aus, was besonders tiefe Verspannungen lockert. Tannennadeln am Boden reizen dabei zusätzlich die Fußreflexzonen.
Im historisches Brotbad sauniert man bei angenehmen 35°C. Es soll an früher erinnern, als man die Abwärme des Backofens nutzte, um die Patient:innen von Rheuma zu befreien. Es sollte außerdem böse Gedanken vertreiben und Sünden wurden so einfach ausgeschwitzt. Die etwas weltlichere Erklärung für das Wohlbefinden: Die mit Sauerteigenzymen aus dem Backofen angereicherte Luft wirkte sich positiv auf Stoffwechsel und Verdauung aus.
Relaxen im radioaktiven Thermalwasser: Die Kur 2.0
Seit Jahrhunderten schon gilt das Gasteinertal als Ort der Heilung. Weltweit einzigartig sind die Heilstollen sowie das Thermalwasser, das hier seit Urzeiten aus den Tiefen des Gesteins sprudelt. Ein Kuraufenthalt in den Heilstollen lindert erwiesenermaßen Atemwegserkrankungen, während das Thermalwasser Hautprobleme wie Ekzeme und Psoriasis lindern kann. Junge Hotels wie das Sendlhofer’s in Bad Hofgastein wollen dem etwas angestaubten Begriff der Kur nun neues Leben einhauchen. Heute ein hippes Aparthotel, ist es eines der wenigen noch vorhandenen, ursprünglichen Kurhotels der Region. Hier schwimmt man nicht nur in den angenehm warmen Pools aus Gasteiner Thermalwasser, es fließt Dank direktem Zugang zur Thermalquelle auch aus den Trinkbrunnen im Hotel.
Neben Inhaltsstoffen wie Natrium- und Kalzium-Ionen und Kieselsäure zeichnet sich das Thermalwasser hier vor allem durch seinen Gehalt des radioaktiven Edelgases Radon aus. Bezüglich Verstrahlung muss sich hier aber niemand Sorgen machen: Das Wasser weißt lediglich geringe Mengen davon auf. Die leichte Strahlung kurbelt die Ausschüttung spezieller Botenstoffe an, die Entzündungen reduzieren, den Stoffwechsel anregen und das Immunsystem stabilisieren. „Ein Bad in diesem belebenden Wasser hat eine entspannende Wirkung auf das gesamte Nervensystem“, weiß Eva Goldmann, Co-Inhaberin des Sendlhofer’s. „Wir nennen diese Anwendung allerdings Gasteiner Jungbunnen, weil das Wort Radon-Wannenbad heutzutage nicht mehr so sexy klingt“, fügt sie lächelnd hinzu.
Im 38 Grad warmen Wasser schwebt man beinahe schwerelos für 20 Minuten in der Wanne. Danach heißt es mindestens 30 Minuten ruhen, loslassen und moderne Stressfaktoren wie Smartphone und Bildschirme vergessen. In Verbindung mit hippem Design und kreativem Kulinarik-Angebot, erlebt diese „Kur 2.0“ zurecht gerade eine Renaissance.
Südtirols magisches Gestein
Geht man die knarzigen Holztreppen des Badehauses hinauf, taucht man ein in eine ganz besonders heimelige Welt: Es duftet nach Kräutern, das Kaminfeuer verströmt behagliche Wärme und außer dem Knistern der Flammen ist nichts zu hören. Hier, im kleinen Ort Lüsen, am Ende des unberührten Lüsnertal auf 1.100m führt Kornelia Schwitzer ihre SilberQuarzit-Rituale durch. Hier im Naturhotel Lüsnerhof, das zu den Belvita Leading Wellnesshotels Südtirol gehört, ist man spezialisiert auf naturnahe Wohlfühlrituale. Das Gestein Silberquarzit kommt weltweit ausschließlich im Pfitschtal vor und ist als wissenschaftlich attestierte Heilerde ausgezeichnet. Weiterer Pluspunkt: Im Gegensatz zu trendigen Pendants wie Jade oder Rosenquarz, wird das Gestein nicht unter unfairen und umweltschädlichen Bedingungen abgebaut. Kombiniert mit handgepflückten Wildkräutern aus der Region und einer speziellen Massagetechnik werden bei Kornelias Behandlungen die Selbstheilungskräfte des Körpers aktiviert.
„Die Kraft dieses Urgesteins wirkt bei jedem Menschen anders“, sagt die Expertin über dieses Erlebnis. „Manche spüren ein Gefühl von Schwere und Taubheit, andere wiederum nehmen elektrische Impulse oder ein Prickeln in Armen und Beinen wahr. Intensive Gefühle wie Freude oder Glückseligkeit sind ebenfalls Reaktionen auf die SilberQuarzit Experience.“ Kräuterrauch wabert durch die Luft, während Kornelia bei der Behandlung völlige Stille walten lässt. Dadurch, dass hierbei der als „Ruhenerv“ bezeichnete Parasympathikus aktiviert wird, fällt das Loslassen besonders leicht und die Entspannung wirkt noch lange Zeit nach. Glückshormone wie Oxytocin fließen durch den Körper, während man draußen vor dem Badehaus die frische Südtiroler Bergluft einsaugt.
Belebende Kälte im Allgäuer Gebirgsbach
Das „Kneippen“ erlebt gerade wieder einen Aufschwung, da man sich dabei mit wenig Mitteln und Aufwand viel Gutes tun kann. Erfinder Sebastian Kneipp (1821-1897) gilt als einer der Pionier:innen der Naturheilkunde. Schwer an der Lunge erkrankt, verabreichte er sich kalte Güsse und stieg im Winter, wenn auch nur kurz, in die eisige Donau. Und siehe da, sein Gesundheitszustand verbesserte sich rasant und der Sohn armer Weber aus dem Allgäu wurde zum Erfinder einer ganzheitlichen Gesundheitslehre, die bis heute Gültigkeit hat. Das Naturwellness-Ritual, das viele von uns wahrscheinlich von den Großeltern kennen, boomt gerade wieder, auch weil man es bei Outdooraktivitäten durchführen kann. Vielleicht sogar auf einer der vielen Wanderrouten im Allgäu.
Zum Wassertreten in frischen Gebirgsbächen muss man einfach nur die Wanderschuhe abstreifen, barfuß ins kalte Wasser steigen und für einige Minuten abwechselnd die Beine hochheben. Danach mit einem rauen Tuch von unten nach oben abreiben und rein in die warmen Socken. Anschließend sollte man entspannen und die frische Bergluft einatmen. Auch das Barfuß-Gehen war für den Naturheilkundler ein Wundermittel. Am besten Morgens, direkt nach dem Aufstehen mit noch warmen Füßen solle man drei Minuten über taufrisches Gras gehen oder 30 Sekunden durch frisch gefallenen Schnee. Das Motto von Kneipps ganzheitlicher Lehre klingt vertraut: In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist – und umgekehrt hält ein wacher Geist seinen Körper fit und im Einklang mit der Natur.
Ein Bad im Heu
In den Alpenregionen blickt das Heubaden auf eine lange Tradition zurück. Bereits Sebastian Kneipp nahm diese alte Wellnesstechnik 1896 in seine Gesundheitsfibel auf. Damals war von einer Schwitzkur unter einer dicken Lage Heu die Rede, die gesundheitsfördernde und heilende Wirkungen haben solle. Die moderne Variante des Heubades gestaltet sich natürlich um einiges komfortabler als damals: Bequem im Bett liegend, wird man in eine Schicht feuchtes Heu gepackt und kommt durch die Wärme, die sich dabei entwickelt ganz schön ins Schwitzen. Mineralstoffe, Spurenelemente und ätherische Öle, die das Heu freisetzt, können über die Atemwege sowie über die Haut ihre wohltuende Wirkung im Körper entfalten. Von Arnika über Frauenmantel bis Thymian – bis zu 80 Pflanzenarten im Bergheu wirken durchblutungsfördernd sowie entkrampfend und können daher sogar lindernd auf Beschwerden wie Rheuma wirken.
Im Vitalpina Hotel Pfösl in den Dolomiten kann man so ein Heudampfbad mit Südtiroler Kräutern und Blüten beispielsweise selbst testen. Hier wird besonders viel Wert darauf gelegt, den Gästen authentische Naturwellness wieder näher zu bringen: Von Waldbaden, über Brotbackkurse mit hauseigenem Roggen im 300 Jahre alten Steinbackofen bis hin zu Führungen im Permakulturacker.
Titelbild: Foto © Mikita Karasiou via Unsplash