Vintage- und Second-Hand-Stores erfahren gerade einen erneuten Boom. Kleidung aus zweiter Hand zu kaufen, ist nämlich nicht nur nachhaltig, sondern schont auch die Geldbörse. Dennoch: Bei Outdoor- und Sportbekleidung konnte sich dieser Trend noch immer nicht ganz durchsetzen. Warum gerade der Markt für Outdoor-Second-Hand noch so unerschlossen ist, haben wir Christina Meißner von Bergzeit gefragt. Der Onlineshop für Outdoorbekleidung startete letztes Jahr sein Projekt Bergzeit RE-USE, eine Wiederverkaufsplattform für gebrauchte Sportbekleidung, Accessoires und Schuhe.
FOGS: Liebe Christina, warum steckt der Markt für Outdoor-Second-Hand immer noch in den Kinderschuhen?
Christina Meißner: Zum einen hat der Markt im Fashion-Bereich bereits eine gewisse Reife erreicht, während es im Outdoor-Bereich bisher nahezu kein Angebot gab und sich damit kein Markt dafür etablieren konnte. Das benötigt etwas Zeit. Das Potenzial dafür ist aber definitiv vorhanden und wir können hier bereits einen positiven Trend vernehmen. Zum anderen kommt hinzu, dass Outdoor-Produkte eine deutlich höhere Komplexität mit sich bringen. Die Produkte müssen nicht nur gut aussehen, sondern auch funktional sein – darauf muss sich die Kundschaft verlassen können. Vertrauen baut sich erst nach und nach auf.

FOGS: Vertrauen ist ein gutes Stichwort. Imprägnierungen reiben sich ab, kleine Kratzer oder Löcher verringern die Wasserdichtheit usw. Ist bereits benutzte Outdoorkleidung qualitativ schlechter oder ist das ein Irrglaube?
Christina Meißner: Das Ziel von Second Hand ist, jedem Produkt die Möglichkeit zu geben, seine Lebensdauer voll auszuschöpfen. Wer beim Kauf dabei auf Neuware verzichtet und sich für einen Second-Hand-Artikel entscheidet, leistet einen wertvollen Beitrag für unsere Umwelt und wird zudem mit günstigeren Preisen belohnt. Bereits benutzte Outdoorkleidung oder Schuhe müssen dabei qualitativ nicht zwingend schlechter sein. Unser Expert:innen-Team prüft jedes eingesendete Produkt. Damit stellen wir sicher, dass wir nur Produkte zum Wiederkauf anbieten, deren Qualität wir auch gewährleisten können. Das Ganze spiegelt sich am Ende im angepassten Preis-Leistungs-Verhältnis wider.
FOGS: Welche Erfahrungen macht ihr mit eurer Kundschaft und dem RE-USE-Konzept? Wird es skeptisch betrachtet?
Christina Meißner: Wie jedes neue Projekt, wird auch dieses von allen Seiten beleuchtet und das ist auch gut so! Die Reaktionen auf Bergzeit RE-USE an sich sind durchwegs positiv. Kund:innen begrüßen das neue Angebot der Second-Hand-Ware und sind sehr interessiert am Konzept. Für sie ist es besonders wertvoll, dass sie schnell und unkompliziert Outdoor- und Bergsport-Bekleidung, Schuhe und Ausrüstung sowohl kaufen, als auch verkaufen können.
Wir sind aber nach wie vor dabei, den Markt zu verstehen und die richtigen Hebel zu setzen. Dass wir dabei nun einen Ankauf von Endkund:innen vornehmen, die Ware entsprechend beurteilen und bepreisen müssen, ist für uns ein komplett neues Business, auf dem wir bis vor einem halben Jahr noch unerfahrene Neulinge waren. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse nutzen wir bei Bergzeit, um die Bereiche für unsere Kundschaft laufend zu optimieren und uns weiterzuentwickeln. Mit der nötigen Skepsis gibt man uns die richtigen Impulse, um den Second-Hand-Markt nachhaltig Outdoor-fähig zu machen.

FOGS: Hat gebrauchte Sportkleidung vielleicht noch Vorteile, an die man nicht gleich denkt?
Christina Meißner: Natürlich hat man sofort die klassischen Vorteile der Nachhaltigkeit und der günstigeren Preise im Kopf. Einen Punkt der Nachhaltigkeit möchte ich im Zusammenhang mit Sportbekleidung jedoch noch einmal hervorheben: Um Funktionskleidung zu ihrer Qualität und Funktionalität zu verhelfen, werden oftmals verschiedene Materialien miteinander kombiniert und verbunden. Dies führt dazu, dass aktuelle Recyclingprozesse hier meist an ihre Grenzen stoßen. Die Materialien müssten für ein Recycling zunächst wieder voneinander getrennt werden, was ein sehr aufwändiger und kostspieliger Prozess ist. Das heißt, in dem wir Funktionskleidung solange wie möglich tragen und im Kreislauf halten, reduzieren wir Sondermüll. Ein weiterer oft unterschätzter und wenig thematisierter Vorteil ist der, dass gebrauchte Kleidung verträglicher für empfindliche Haut ist.
FOGS: Warum das?
Christina Meißner: Bereits getragene Kleidung wurde für gewöhnlich mehrfach gewaschen und damit befinden sich meist deutlich weniger Schadstoffe in den Fasern, die unter anderem durch Farbstoffe zustande kommen. Je häufiger Bekleidung also getragen und gewaschen wurde – desto besser für unsere Haut.

Wir haben euch motiviert? So einfach könnt ihr mitmachen: Bei Bergzeit RE-USE könnt ihr getragene Outdoor-Kleidung fast aller gängigen Marken registrieren und kostenlos einschicken. Je nach Zustand werden die Artikel geprüft und aufbereitet. Fehlerhafte Kleidung wird nach Abstimmung mit den Kund:innen gespendet oder korrekt recycelt. Gleichzeitig findet ihr auf der Verkaufsplattform auch Retouren- und Reklamationsware, die somit nicht vernichtet werden muss. Ein Win-Win für Umwelt und Geldbörse.