„Wenn man das letzte Jahr durchlebt hat und noch fragt ob Nachhaltigkeit einen Platz hat, dann war man nicht anwesend.“ – Interview mit Samata, CEO von Red Carpet Green Dress über Nachhaltigkeit auf dem Roten Teppich.
Die Award Saison in Hollywood ist derzeit wieder in vollem Gange, wenn auch Pandemie-bedingt etwas anders als in vergangenen Jahren. So mussten auch die Oscars ein paar organisatorische Abstriche machen, aber die Stars, die Looks und der rote Teppich wurde uns glücklicherweise dennoch nicht vorenthalten – inklusive einer stylischen, und nachhaltigen Ansage von den Fashion Change-Makern von Red Carpet Green Dress. Wir sprachen mit CEO Samata über ihre langjährige Bindung zu den Academy Awards, ihre Mission und darüber, was sie sich für die Zukunft der Branche erhofft.
Wie hat sich die Academy Awards Kollaboration ergeben?
Das Ganze fing vor ungefähr neun Jahren an, als Suzy Cameron mit ihrem Mann James zu den Oscars ging und entschied, dass sie auf dem roten Teppich auch über den Nachhaltigkeitsfaktor der Mode reden möchte. Daraufhin gründete sie Red Carpet Green Dress.
Ich kam im zweiten Jahr an Bord und wir entschieden uns zu einer offiziellen Partnerschaft, um uns für mehr Nachhaltigkeit auf dem roten Teppich einzusetzen.
Das Thema Nachhaltigkeit hat oft einen etwas düsteren oder wenig hoffnungsvollen Beigeschmack. Durch die Oscars erreichen wir Millionen von Menschen in fast 100 Ländern. So können wir Nachhaltigkeit zu einem spannenden Thema machen und Neugierde schüren.
Seit 2020 arbeitet ihr mit TENCEL zusammen. Wie kam es dazu?
Über die Jahre wurde uns bewusst, wie schwierig es ist nachhaltige Materialien zu finden, also haben wir beschlossen, uns aktiv an der Lösungsfindung zu beteiligen. TENCEL hat das sofort verstanden und uns unglaubliche Materialien angeboten. Uns wurde klar, dass wir das Gleiche wollen: nachhaltige Designs, die sich toll anfühlen und zugänglich für alle sind.
Können Sie beschreiben wie die allgemeine Einstellung zur Nachhaltigkeit in der Mode war, als Sie in die Branche eingestiegen sind?
Als ich anfing, war meine Wahrnehmung, dass es etwas mit Naturverbundenheit zu tun hat, damit ein bisschen öko zu sein, und wahrscheinlich auch mit Hanf. Im Grunde dachte ich an jedes Klischee, das man sich vorstellen kann. Es wurde sehr stark mit dem Hippie-Lifestyle assoziiert – in einer abwertenden Art und Weise, die ich ziemlich herablassend fand. Und man dachte definitiv nicht, dass ein Kleid für den roten Teppich nachhaltig und schön sein kann, das war also eine große Barriere.
Wie hat sich das seither verändert?
Mittlerweile haben die Leute erkannt, dass Design bei nachhaltiger Mode auch im Vordergrund stehen kann. Sie sehen, dass es um so viel mehr geht als nur ein Produkt oder einen Lebensstil. Es betrifft die ganze Gesellschaft, es geht um soziale Gerechtigkeit und um materielle Innovationen.
Außerdem betrachten wir das Thema heute umfassender. Ursprünglich war Nachhaltigkeit sehr auf die westliche Welt ausgerichtet. Es wurde nie so richtig in Betracht gezogen, dass indigene Gemeinschaften in diesem Bereich wegweisend sein könnten.
Jetzt, wo wir uns im Jahr 2021 befinden, reden wir endlich mehr darüber, wie global und kulturell Nachhaltigkeit eigentlich ist. Das Verständnis dafür, was Nachhaltigkeit umfasst hat sich also erweitert.
Glauben Sie, dass die Ereignisse des letzten Jahres diese Entwicklung gebremst haben?
Nein, ich denke, das gilt nur für jene, die den Sinn des letzten Jahres verpasst haben. Ich habe das Gefühl, wenn man das letzte Jahr durchlebt hat und immer noch in Frage stellt, ob Nachhaltigkeit einen Platz in unserer Gesellschaft hat, dann war man im letzten Jahr nicht anwesend.
COVID selbst ist buchstäblich ein Spiegelbild dessen, wie wir mit Arten und Tieren umgehen, also sollte man eigentlich gar nicht erst darüber reden müssen, warum wir eine nachhaltigere Zukunft brauchen. Ein verantwortungsvollerer Konsum sollte zur Selbstverständlichkeit werden.
„Das wirklich große Thema [wenn es um Nachhaltigkeit geht] sind die Menschen, denn ohne die läuft nichts.“
Auch das Thema soziale Gerechtigkeit gehört zur Nachhaltigkeit dazu. Es ist wichtig, dass wir über Zertifizierungen, Transparenz, regenerative Landwirtschaft und so weiter sprechen, aber das wirklich große Thema sind die Menschen, die dahinter stehen. Denn ohne die läuft nichts. Das letzte Jahr hat wirklich gezeigt, dass gefährdete Gruppen nicht den Schutz bekommen, den sie brauchen. Die Modeindustrie hat die Möglichkeit sich zu engagieren und etwas dagegen zu tun. Einige Marken und Organisationen haben das bereits getan, andere nicht.
Welche Veränderungen wünschen Sie sich noch für die Branche?
Meine Vision ist Zusammenarbeit, in ihrer reinsten Form. Wenn wir wirklich bereit sind, verletzlich zu sein, unsere Grenzen zu überwinden und offener miteinander umzugehen. Im Moment fühlt es sich immer noch so an, als ob die einzelnen Parteien nicht dazu bringen können, zusammenzuarbeiten.
Wir konzentrieren uns nur auf einzelne Gruppen, zum Beispiel Modemarken oder Konsument:innen. Das hat gute Seiten, denn als Konsument:innen kaufen wir Kleidung, wir können ihre Lebensdauer verlängern, sie besser pflegen, bessere Kaufentscheidungen treffen und wir können Marken besser recherchieren. Diese können hingegen alle Aspekte des Wertschöpfungskreislaufs mitbeeinflussen. Jedoch beziehen wir oft die Hersteller:innen, die mit den Marken und Einzelhändlern:innen arbeiten, nicht genug mit ein. Oder wir beziehen Investor:innen und Regulierungsbehörden nicht mit ein, die gebraucht werden, um zum einen Geld in den Bereich zu stecken und ihn zum anderen zu regulieren. Wir müssen also mehr dieser wichtigen Gruppen dazu bringen, zusammenzuarbeiten.
„Meine Vision ist Zusammenarbeit, in ihrer reinsten Form. Wenn wir wirklich bereit sind, verletzlich zu sein.“
Darüber hinaus würde ich gerne einige Gesetze sehen – ich denke, das würden wir alle gerne – nur um sicherzustellen, dass wir unsere Ziele auch wirklich erreichen. Und ich würde gerne mehr Mut zur Ehrlichkeit sehen, damit wir alle bisschen freier über die Dinge sprechen, mit denen wir Probleme haben, und über die Barrieren, die wir spüren.