Griechenland bedeutet für mich Kindheitserinnerungen. Tiefblaues Meer, sandige Zehen, der Kokosnussduft meiner Sonnencreme. Abendessen in lauschigen Tavernen, das lange Warten auf die Rechnung, das vom Kellner mit gelassenem Kopfnicken quittiert wird. Und das erste Nippen an den Ouzo-Resten in den Gläsern meiner Eltern. Erinnerungen, die gerade in meinem Kopf auftauchen, als der Anisschnaps meinen Gaumen berührt – diesmal mein eigener, in Erwachsenengröße. Prompt lerne ich meine erste Lektion über griechische Kulinarik: Ouzo trinkt man während dem Essen und nicht danach. „Jámas“, proste ich in die Runde, dann schweift mein Blick über die glitzernde Meeresoberfläche der nächtlichen Bucht in Rhodos.
Ich sitze im Restaurant Fournoi, eines der kulinarischen Highlights des kürzlich eröffneten Lifestyle Resorts Elissa auf Rhodos. Die beliebte Urlaubsinsel ist durch ihre mittelalterliche Altstadt und traumhafte Locations für Segel- und Tauchfans bekannt, weniger aber für Ökotourismus. Tatsächlich sind das Elissa sowie Schwesternhotel Helea die ersten ihrer Art in ganz Griechenland, die mit der Energieeffizienzklasse A+ ausgezeichnet wurden und stellen damit hoffentlich die Weichen für viele Nachahmer.


Rhodos auf der Zunge
Solarpanele auf den Dächern des Resorts sowie Erdwärmeanlagen sind also noch ein seltener Anblick auf Rhodos. Eines ist hier allerdings so allgegenwärtig wie in ganz Griechenland: gutes Essen. Gebannt sehe ich zu, wie sich mein Tisch mit traditionellen, modern-interpretierten Gerichten füllt: Ein Rinder-Taco mit eingelegten Rosen, umhüllt von dünnem Pitabrot aus Mehl und Olivenöl, das sich Ladopita nennt. Der Fischfang des Tages, verfeinert mit rhodischen Gewürzen und gegrillt auf Zitronenblättern sowie die Mini-Shrimps Garidaki Simiako, die es nur rund um die nahegelegene Insel Symi gibt.
Bald darauf folgt auch schon die zweite Lektion: Für die Griech:innen ist Essen einfach alles. Ein Ritual, das Menschen zusammenbringt und unterhält. Selbst beim noch so kurzen Inlandsflug teilt das Bordpersonal Snacks aus, was überall sonst schon eine Seltenheit darstellt. Gastfreundschaft bedeutet hier, dass niemand hungrig bleibt und das manifestiert sich eben in großen Portionen und vielen Gängen. Den Nachschlag abzulehnen? Ein Affront. Und so ergebe auch ich mich meinem Schicksal, als mir ein Teller mit Galaktoboureko, einer Art griechisches Millefeuille mit Grießpudding und Tonka vor die Nase gestellt wird. „Jámas“, zur Verdauung.
Geschmackvolle Architektur
Tags darauf streife ich nach einem ebenso reichhaltigen Frühstück durch das Resort. Neben dem reichen kulinarischen Erbe der Insel zelebriert man im Resort Elissa auch deren Architektur. Das Design der Gästezimmer ist inspiriert von traditionellen rhodischen Familienhäusern, die Lobby schmücken Holzschnitzereien sowie Böden mit handverlegten Kieselmosaiken. In einigen Zimmern finden sich Trennwände aus Sisalseilen, handgeknüpft von Künstlerinnen der Insel. Die Wiederbelebung vergessener Techniken und Rückbesinnung auf die Wurzeln der Insel zieht sich durch das ganze Lifestyle-Resort, wie ich beim Stopp an der Poolbar Istrio merke. Wie alle Restaurants hier, ist auch sie nach einer versteckten Sehenswürdigkeit benannt. Istrios, ein kleines Dorf im Süden der Insel, befindet sich in einem weitläufigen Naturschutzgebiet des europäischen Netzwerks „Natura 2000“. Ich bestelle das inoffizielle Nationalgetränk Freddo Espresso – einen aufgeschäumten doppelten Espresso auf Eis – und blicke aufs Meer von Rhodos, wo sich nicht weit von hier jedes Frühjahr hunderte Wasserschildkröten tummeln.




Rhodos-Klischees beiseite
Liebe geht durch den Magen – nirgends passt dieser Spruch so gut wie in Griechenland. Vom schicken Restaurant bis zur kleinen Taverne tischt man hier über Generationen überlieferte Rezepte der Wirtsleute auf, jeder Bissen ein kurzer Einblick in die Familiengeschichte. Auch Rhodos traf die Inflation hart. Die Löhne, die meist aus dem Tourismus kommen, steigen seit Jahren dagegen kaum. Umso wichtiger wird die typische Kost, die meist aus nur wenigen regionalen, saisonalen Produkten besteht.
Und auch, wenn beliebte Gerichte wie Souvlaki, Moussaka und Gyros auch in privaten Haushalten beliebt sind, ist die griechische Küche um einiges vielfältiger. Der klassische griechische Salat mit lokalen Zutaten wie Feta, Gurke, Tomate und Oliven wird auf Rhodos beispielsweise mit eingelegten Kapernblättern und dem wenig bekannten Meeresfenchel verfeinert. Seine medizinische als auch kulinarische Nutzbarkeit ist seit der Antike bekannt: Der hohe Vitamin-C-Gehalt eignete sich insbesondere für Seeleute zur Vorbeugung von Skorbut. Genauso alt ist das Rezept für Dolmades. Die gefüllten Weinblätter reicht man mit viel nativem Olivenöl, das hier besonders zart am Gaumen kitzelt. Die köstlichen frittierten Kichererbsenlaibchen Pitaroudia kennt in Deutschland kaum jemand, auf Rhodos aber jedes Kind.


Essen heißt Gemeinschaft
Umso vorfreudiger bin ich, als ich meinen Platz in Elissas Seafood-Restaurant Kavos einnehme, dessen Küchenchef Andreas in ganz Griechenland Bekanntheit genießt. Meiner vorsichtigen Bitte nach einem leichten Mittagessen kann das Service-Personal lediglich ein Schmunzeln abgewinnen: „Wir sind in Griechenland, wir kennen kein leichtes Essen“.
Nach mehreren Gängen voller lokaler, fangfrischer Köstlichkeiten entdecke ich dann einen Geschmack, der mir völlig fremd ist. Er steckt im Dessert Kaimaki, das neben Sauerkirschsirup und Pistazienpulver vor allem durch die dicke, Toffee-artige Textur der Eiscreme mein Interesse weckt. „Mastiha“ raunt mir der Kellner zu, als hätte ich gerade einen mystischen Schatz geborgen. „Tränen von Chios“ wird dieses Harz des Mastixstrauches genannt, der auf der griechischen Insel Chios zu finden ist und eine lange Tradition hat. Als Mastiha-Likör ergibt es dann nicht nur den perfekten Abschluss eines deftigen Menüs, sondern auch die einzigartig zähe Konsistenz und harzige Note der Mastix-Eiscreme. Serviert mit Kataifi, einem Gebäck, das wie Fadennudeln aussieht, gehackten Nüssen und Rosenblütenwasser, wird aus der regionalen Köstlichkeit ein weiteres Dessert, das ich nun Löffel für Löffel genieße.




Dass ich mich gerade mit jedem Bissen etwas mehr in die Insel Rhodos verliebe, kommentiert man rund um mich herum mit einem wissenden Lächeln. Nun lerne ich auch meine letzte Lektion in Sachen Griechenland und ein neues Wort, das mich ab jetzt begleiten wird: „Parea“ nennt man eine Gruppe von Menschen, die sich aus reiner Freude an Gesellschaft treffen, um in aller Ruhe Erfahrungen, Philosophien und Werte auszutauschen und die einfachen Dinge des Lebens zu feiern. Typisch griechisch eben.
Fotos: © Jenni Koutni