Jahr für Jahr landen Millionen ungenutzter Kosmetikprodukte im Müll – oft nur, weil ihr Mindesthaltbarkeitsdatum naht oder sie ein Fehlkauf waren. Ein neuer Ansatz will das ändern: Second-Hand-Kosmetik. Was für manche nach einem Tabubruch klingt, könnte eine der spannendsten Antworten auf die Wegwerfmentalität in der Beauty-Branche sein.
Hygiene als Vertrauensfrage
Wer bei gebrauchter Kosmetik zuerst an Bakterien oder Hautreizungen denkt, ist nicht allein. „Das Thema Hygiene ist für uns zentral! Wir wissen, dass viele Menschen bei Kosmetik vor allem auf Hygiene achten“, sagt Salima El Abdellaoui, Gründerin von REVOURI, der ersten Plattform für Pre-Owned-Luxuskosmetik. Sie erklärt, dass genau deshalb umso strengere Regeln gelten. Produkte mit direktem Hautkontakt wie Mascara, Eyeliner oder offene Cremetiegel sind gänzlich ausgeschlossen, da sie potenziell mit Bakterien in Berührung kamen, die sich ungehindert vermehren konnten. Verkauft werden nur Artikel, die sicher weitergegeben werden können, zum Beispiel Parfums, Produkte in Pumpspendern, Lippenstifte, Lidschatten oder originalversiegelte Ware. „Zusätzlich ist vorgeschrieben, dass die Originalverpackung immer mitgesendet wird. Bei ausgewählten Produkten führen wir zusätzliche Laborprüfungen durch, um ihre Unbedenklichkeit zu bestätigen.“


Auch bei Produkten wie Rouge, Bronzer oder Lidschatten, die potenziell Kontakt mit Make-up-Pinseln oder Fingern hatten, kann Salima entwarnen: „Puderprodukte gehören zu den unbedenklichsten Kosmetikprodukten im Secondhand-Bereich, da sie kaum Wasser enthalten und so gut wie keinen Nährboden für Keime bieten. Bei REVOURI werden sie dennoch sorgfältig vorbereitet: Die oberste Schicht wird mit einem Skalpell sanft abgetragen und die Oberfläche desinfiziert. So bleibt jedes Produkt hygienisch sicher für die nächsten Besitzer:innen.“ Verfügbar sind schlussendlich drei Zustände: Neu (völlig unbenutzt in Originalverpackung), getestet (90 % des Produkts ist noch vorhanden) sowie teilweise genutzt (50 % des Produkts ist noch vorhanden). Aber egal welcher Zustand, jedes Produkt durchläuft einen umfassenden Qualitätsprozess. Dieser besteht aus Authentizitätsprüfung im Labor, der Reinigung nach höchsten Hygienestandards und der professionellen Aufbereitung samt neuem Packaging.
Wer kauft gebrauchte Kosmetik?
Während aktuellen Statistiken zufolge bei Second-Hand-Mode eher die junge Generation Z führt, ist die Zielgruppe bei Second-Hand-Kosmetik breiter aufgefächert. Sie reicht laut REVOURI von der 20-jährigen Studentin bis zur 70-jährigen Kundin. „Jüngere Käufer:innen legen oft besonderen Wert auf Nachhaltigkeit und Kreislaufdenken, während ältere Kund:innen vor allem die Möglichkeit schätzen, hochwertige Markenprodukte zu attraktiven Preisen zu erwerben“, erklärt die Gründerin. Um auch sehr skeptische Personen zu erreichen, setzt REVOURI auf völlige Transparenz: genaue Zustandsangaben, ein Bewertungssystem und Käufer:innen schutz sollen Vertrauen schaffen.

Der Preisvorteil gegenüber neuen Markenprodukten ist offensichtlich, aber nicht das einzige Argument für den Kauf. „Second-Hand-Kosmetik hat neben dem Preisvorteil noch viele weitere Vorteile: Sie ist nachhaltiger, da Produkte nicht ungenutzt entsorgt werden, und sie eröffnet Zugang zu limitierten oder vergriffenen Artikeln“, so die Gründerin. Viele Kund:innen nutzen die Plattform auch aus praktischen Gründen: „Zum Beispiel um bei besonderen Anlässen ein außergewöhnliches Produkt zu tragen, von dem sie wissen, dass sie es nicht regelmäßig nutzen werden. Ebenso kann man hochwertige Produkte zunächst preisgünstig ausprobieren. Gerade dann, wenn der Neupreis hoch ist oder das Produkt im Handel nicht verfügbar ist“, so Salima.
Vom Nischenmarkt zum neuen Standard?
Noch wirkt der Markt klein, REVOURI ist hierzulande das erste Unternehmen dieser Art. Doch das könnte sich bald ändern, ist sich Salima sicher: „Wir sind überzeugt, dass Second-Hand-Kosmetik kein reiner Nischenmarkt bleiben wird. Der Trend zum bewussten und nachhaltigen Konsum ist längst im Mainstream angekommen. Bei Mode, Elektronik oder Möbeln sehen wir, wie stark Kreislaufwirtschaft wächst. Kosmetik ist der nächste logische Schritt“, sagt die REVOURI-Gründerin. Mit sorgfältiger Aufbereitung, Laborprüfungen und edlem Packaging will man ein neues Bewusstsein für Luxus schaffen – weg vom schnellen Konsum, hin zu stilvollem Wiederverwenden. Oder, wie es die Gründerin selbst formuliert: „Weniger Überfluss, mehr Wirkung.“

Ihr wollt noch tiefer ins Thema Kosmetik eintauchen? Hier geht es zum Beitrag über vegane und tierversuchsfreie Kosmetik.