So unterschiedlich wie wir als Person sind, so unterschiedlich sind auch unsere Ansichten und Prägungen aus der Kindheit. Manche davon sind gut, andere sollten wir vielleicht manchmal überdenken. Magdalena Heinzl ist Sexualtherapeutin und spricht in ihrem Podcast SexOlogisch ganz befreit über (Sex-)Klischees und Partnerschaft. Mit FOGS sprach sie über Tabus und wie wichtig es ist, ein Leben lang zu lernen.
Du bist Sexualtherapeutin und Sexualpädagogin, Traumapädagogin, setzt Dich für Gleichberechtigung ein, hast einen Podcast und machst Sextoyparties. Ganz schön viele Themen und Bereiche. Was macht Dir am meisten Spaß?
Tatsächlich die Abwechslung. Ich erreiche mit meiner Arbeit so viele unterschiedliche Menschen und Zielgruppen. Über Sex zu sprechen fiel mir schon immer leicht. Das Thema verbindet und beschäftigt alle. Ich liebe die Fragen von Kindern und Jugendlichen bei Workshops wie: „Warum gibt es Kondome mit Geschmack?“ „Was bedeutet Rainbowkiss?“ „Wie macht man Sex? Von Vorne oder Hinten? Ich bin verwirrt.“
Du sprichst in deinem Podcast SexOlogisch ganz befreit über Sex und Partnerschaft. Welche Tabus kommen Dir im Alltag in diesem Bereich am häufigsten unter?
Oh da gibt es viele. Besonders häufig höre ich Ideen, wie:
- „Wenn es beim Sex nicht läuft, dann ist die andere Person einfach nicht die Richtige.“
- „Man muss aufnehmenden Sex haben – alles andere ist kein echter Sex.“
- „Wenn ich nicht drei mal in der Woche Sex mit meinem Partner habe, geht er fremd.“
- „Pornos schauen verdirbt den Charakter und ist absolut schädlich.
- „Wenn Du keine Lust hast, stimmt was nicht mit Dir und der Beziehung.“
- „Sex = Liebe“
- „Schmerzen beim Sex sind normal, dass muss man als Frau einfach aushalten.“
- „Wer streitet, hat eine schlechte Beziehung.“
Es ist wirklich interessant, wie viele dieser toxischen Glaubenssätze wir mit uns herum tragen.
Wir alle sind von Geburt an sexuelle Wesen und können immer wieder lernen – ein Leben lang. Das ist das Schöne und darum geht es mir in meiner Arbeit mit Menschen. Zu verstehen, was sie in ihrem sexuellen System bisher gelernt haben und was sie noch dazu lernen wollen. Es geht nie darum, etwas vollkommen „abzutrainieren“.
Wie kam es dazu, dass Sex und die Liebe zum eigenen Körper so einen großen Teil Deines Lebens einnehmen?
Ich war schon seit meiner Kindheit eine Art Dr. Sommer. Ich fand das Thema immer schon spannend, egal ob in Büchern oder der BRAVO. Sobald es da war, saugte ich alles auf wie ein Schwamm. Im Studium zur Sozialen Arbeit fiel mir auf: Sobald das Thema Sexualität auftaucht, sind alle am Rudern und das zuvor professionelle Arbeiten wird plötzlich ziemlich unprofessionell. Also beschloss ich, die Ausbildung zur Sexualpädagogin zu machen. Gerade habe ich mein eigenes Zentrum für sexuelle Bildung eröffnet. Egal ob es um Kinder und Jugendliche, Paare, Menschen mit Behinderungen oder auch alte Menschen geht – sie alle sind sexuelle Wesen und haben Aufklärung und Beratung verdient.
Es tut sich viel in der Gesellschaft, trotzdem sind viele veraltete Rollenbilder und (Sex-)Klischees noch immer fest in unseren Köpfen verankert. Welche ärgern Dich am meisten?
Besonders schlimm finde ich die Angst vor „Frühsexualisierung“. Das ist nur Angstmacherei und hindert uns daran, professionelle und altersadäquate sexuelle Bildung zu machen. Sätze wie: „Frauen haben weniger Lust und kommen einfach so schwer zum Höhepunkt“ machen mich wütend. Das mag zwar für manche stimmen, hat aber viel mit unseren Lernerfahrungen zu tun und damit, dass „klassischer heterozentrierter Sex“ eben nicht für alle die Erfüllung ist. Es gibt so viel mehr. Ansichten wie, “es gibt nur zwei Geschlechter” sind für mich schlicht und ergreifend Bullshit. Schon mal was von inter* gehört? Wenn man mit Biologie argumentiert, dann bitte richtig. Ich finde es großartig, dass jetzt mehr darüber auch gesprochen wird. Aber es liegt ein weiter Weg vor uns. Wenn Gesprächspartner (ich gendere bewusst nicht) so Sätze wie: „Werde bloß keine Karrieretussi. Kinder sind die wahre Bestimmung des Lebens.“ sagen, bin ich auch raus.
Was bedeutet Sex für Dich?
Sex ist aus fachlicher Sicht für mich etwas anderes als Sexualität. Jedenfalls vielseitig und spannend – ansonsten hätte ich den falschen Job 😉
Wie gehst Du mit Kritik an Deiner Person um und was rätst Du anderen Menschen dahingehend?
Häufig geht es nicht um Kritik an mir. Mit dem Thema Sex löst man viele Emotionen aus. Da triggert man schon viele persönliche Themen bei den Menschen. Ich kann das mittlerweile ganz gut wegstecken, denn ich fungiere ja letztlich nur als Projektionsfläche. Kritik am Aussehen von Menschen macht mich nach wie vor sehr sehr wütend. Niemand hat das Recht, den Körper oder das Erscheinungsbild einer anderen Person zu kommentieren. Damit meine ich auch gut gemeinte Kommentare wie: „Hast Du abgenommen? Steht Dir gut.“ Oder „Die lange Jeans steht Dir schon besser als das.“ Können wir nicht Menschen einfach so leben lassen, wie es sich für sie gut anfühlt? Mit Kritik oder Beleidigungen bin ich mittlerweile sehr deutlich. Entweder ich drehe die Frage um oder stelle eine ebenso übergriffige oder komische Frage, damit die Menschen vielleicht bemerken, dass das nicht cool war. Oder sag ihnen ehrlich, was ich von ihrer Aussage halte. Je nachdem wie spontan ich in der jeweiligen Situation bin.
Mehr spannende Einblicke in die (weibliche) Sexualität, bekommt ihr auch in unserer FOGS-Ausgabe N°24.