Seit Dezember 2021 ist Sofie Eifertinger in der Rolle der Lisi Madlmeyer in der Netflix-Serie Kitz zu sehen. Doch Sofie ist kein Schauspiel-Neuling. Sie steht schon seit 2012 vor der Kamera. Und nicht nur das. Neben ihrer Karriere als Schauspielerin absolviert sie den Masterstudiengang „Gender, Intersektionalität und Politik“ an der Freien Universität Berlin. Wir haben die 26-Jährige auf der Green Actors Lounge in Berlin zum Interview getroffen und mit ihr über ihre Inspiration, ihre Rollen und die Zusammenarbeit am Set gesprochen.
Wie bist du zum Schauspiel gekommen?
Ich habe mit meiner besten Freundin zusammen angefangen. Wir haben Hollywoodfilme wie Juno oder Der Teufel trägt Prada angesehen und sie anschließend nachgespielt. Wir sind dann gemeinsam zu einem Schauspielworkshop gegangen. Dort haben wir Improvisations-Unterricht bekommen. Wir haben gelernt, unsere Komfortzone zu verlassen. Der Workshop ging etwa ein halbes Jahr. Unser Schauspiellehrer hat mich dann einer befreundeten Casterin vorgestellt, die mir meine ersten Castings organisiert hat. Beim zweiten Versuch hatte ich Erfolg. Ich bekam die Rolle und es folgten weitere Einladungen zu Castings.
Nach dem Abi und einer Ausbildung bin ich für mein Politikstudium nach Berlin gezogen. Gerade mache ich meinen Master in Gender, Intersektionalität und Politik. Parallel drehe ich weiterhin, immer wenn ich etwas Besonderes in einer Rolle sehe. Ich möchte das Gefühl haben, dass ich an einer Rolle wachsen kann, dass sie mich auch persönlich erweitert.
Haben Dich starke Frauen-Charaktere inspiriert selbst Schauspielerin zu werden?
Bestimmt. Insbesondere Anne Hathaway in Plötzlich Prinzessin. Sie erfährt unverhofft, dass sie mit einem Königshaus in dem fiktiven Staat Genovien verwandt ist und erlebt einen plötzlichen sozialen Aufstieg. Dadurch wird ihr selbst ein Spiegel vorgehalten, denn sie wird vor die Herausforderung gestellt, herauszufinden, wer ihr wahren Freunde sind.
Was war deine erste Rolle?
Das war eine Episodenhauptrolle für „Schafkopf – A bissel was geht immer“. Ich habe ein Mädchen gespielt, die ihre Mutter pflegt. In der Serie geht es um eine Anwältin auf dem Land, die sich dort für die „kleinen Leute“ und soziale Gerechtigkeit einsetzt. Es war toll, dass die Casterin meine Reife wahrgenommen hat und erkannt hat, dass ich fähig bin, diese schwierige Rolle glaubhaft darzustellen.
Wie bereitest du dich auf deine Rollen vor?
Wenn eine neue Rolle reinkommt, entwickle ich sehr schnell ein Gefühl für die Figur, dafür, was sie bewegt und warum sie sich in einer Situation befindet. Ich schreibe dann einmal runter, was mein Charakter sagt. Dann schaue ich mir an, was das Gegenüber sagt und interpretiere die Dynamik. Ich gehe sehr intuitiv an meine Rollen heran, spüre mich in die Figur hinein. Durch Selbsthypnose kann ich mich in einen Zustand versetzen, der mich befähigt, hypersensibel auf das, was die Szene erzählt einzugehen.
Was macht dir denn am meisten Spaß am Schauspielern?
Unser Leben ist von so vielen Verantwortungen umwoben. Wir sind Teil eines gesellschaftlichen Systems, haben Verpflichtungen im Beruflichen und im Privaten. Das Spielen gibt mir den Freiraum, unabhängig von äußeren Verpflichtungen etwas zu erleben.
Was motiviert dich zur Unterstützung der Green Actors Lounge?
Ich habe mich als politische Künstlerin immer isoliert gefühlt. Durch mein Studium bin ich in zwei Welten unterwegs: In der politischen Forschung und in der Filmbranche. In der Forschung wird sehr vieles kritisch hinterfragt, analysiert und zerlegt. Die Filmbranche dagegen ist sehr lebendig. Ich hatte immer das Gefühl, mich entscheiden zu müssen. Möchte ich frei sein, intuitiv und impulsiv oder politisch, analytisch und kritisch? Bei der Green Actors Lounge bin ich auf Leute getroffen, die beides verbinden. Und das schaffen viel mehr Menschen als ich dachte. Es gehört viel Mut und Selbstbewusstsein dazu, seinen eigenen Standpunkt zu vertreten und voll dazu zu stehen. Schauspieler:innen sind normalerweise Leute, die in einer starken Abhängigkeit stehen. Die GAL bietet uns eine Plattform und ist ein empowernder Raum für Individuen mit dieser besonderen, transpersonalen Fähigkeit des Spielens.

Was sind deine Erfahrungen im Bezug auf Fairness in der Branche?
Aus meiner Gender Studies-Perspektive sehe ich die grundsätzliche Geschlechterordnung, die sich auch am Set widerspiegelt. Es gibt einfach durch die Sozialisierung, die wir erfahren – männlich, weiblich und unseren sozialen Hintergrund – unterschiedliche Wahrnehmungen wie berechtigt ich für gewisse Räume bin. Zeit ist am Set die wertvollste Ressource. Da geht es dann darum, sich selbst einen Raum zu erkämpfen. Dadurch entsteht ein Konfliktfeld, auf dem meiner Meinung nach immer noch zu oft die Falschen zurückstecken. Die Entscheidungsmechanismen sind oft unfair verteilt. Das betrifft im Großen auch die Finanzierungen, die darüber entscheiden, welche Geschichten überhaupt erzählt werden.
Wie entwickelt sich die Branche?
Die Entwicklung der Streamer ist meiner Meinung nach ein zweischneidiges Schwert. Positiv sehe ich, dass sie die Branche aufrütteln. Ein wichtiger Aspekt ist die Vielfalt vor und hinter der Kamera. Es gibt ein Konzept, das sich Lookism nennt. Das beschreibt unsere sehr tief verankerte Programmierung, Menschen nach dem Aussehen zu bewerten und auch auf Grundlage ihrer Attraktivität Rückschlüsse auf ihren Charakter zu ziehen. Dieses Phänomen wird aktuell von unserer Filmbranche reproduziert. Wir zeigen den hässlichen Mörder und das schöne Opfer. Wir spielen mit Alter, Herkunft, mit Geschlecht und weisen diesen Personen dann gewissen Charaktereigenschaften zu, die eigentlich gar nicht damit verbunden sind.
Ich würde mir wünschen, dass wir in Filmen eine größere Diversität abbilden. Aber auch hinter der Kamera ist Diversität wichtig. Wie ist das Team zusammengesetzt? Ich wünsche mir mehr Frauen hinter der Kamera, in der Regie, in der Produktion, an den Geldtöpfen. Wie schaffen wir es, dass die Gewerke untereinander noch stärker in Kommunikation treten? Ein Filmset kann eine wunderschöne Oase sein. Aber allzu oft stehen Zeit- und Gelddruck dem schöpferischen, kreativen Prozess im Weg.
Wie funktioniert die kollegiale Zusammenarbeit am Set?
Das Verhältnis zu meinen Mitspielenden ist für mich sehr wichtig. Deshalb versuche ich immer ein bisschen etwas Persönliches über meine Kolleg:innen zu erfahren. Das bedeutet nicht, dass ich ihr gesamtes Privatleben kennen möchte. Aber ich versuche, eine Art Bindung aufzubauen.
Genauso geht es mir mit der Regisseurin oder dem Regisseur. In der Regel hat die Geschichte, die sie oder er erzählen möchte, auch einen persönlichen Hintergrund. Ich hatte das Glück, dass ich auch schon Drehbuchautor:innen kennengelernt habe. Bei Kitz beispielsweise war der Drehbuchautor mit am Set dabei. Das ist eine besondere Situation. Das war sehr spannend und hat den Prozess sehr ganzheitlich werden lassen.
Auch die Beziehung zur Kamera ist sehr wichtig, da sie das Gespielte einfangen und visualisieren. Ich bin noch dabei ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie mein Gesicht aus einer bestimmten Perspektive aussieht, wie meine Mimik und Gestik ankommen. Welcher Ausschnitt, welche Perspektive wird gewählt und warum? Für eine Totale spiele ich anders als für eine Close-up. Für eine Totale spiele ich mit dem ganzen Körper, die Umgebung wird miteinbezogen. Bei einem Close-up achte ich mehr auf meine Atmung, auf Emotion.
Auch das Verhältnis zum Garderobier oder der Garderobiere ist besonders. Es beginnt schon vor dem Dreh, wenn man gemeinsam die Kostüme entwickelt. Alles erzählt etwas: Die Wahl der Schuhe, ob diese offen sind, oder geschlossen. Welche Farben trägt die Person? Wie genderfluid oder binär bin ich gekleidet? Die Kleidung kreiert die Figur mit. Das gleiche gilt auch fürs Maskenbild. Es erzählt sehr viel, ob eine Person sich schminkt oder nicht. Wie stark sie sich schminkt. Alles erlaubt Rückschlüsse auf die Persönlichkeit. Das ist ein spannender, kreativer Prozess.


Gibt es Freundschaft am Set?
Ich bin mit vielen meiner Kolleg:innen befreundet. Das sind oft sehr spannende, kreative und intuitive Personen, die meine Vision und meine Ziele teilen. Das verbindet total. Wie sehr sich das ins Private oder Familiäre entwickelt ist dann noch einmal eine andere Frage.
Wie sieht es mit Konkurrenz aus?
Auf Castings gibt es Konkurrenz, denn jede Rolle kann nun mal nur einmal besetzt werden. Danach geht es darum, dass man gemeinsam eine Geschichte trägt und dann sollte es keine Rolle mehr spielen, ob man die Hauptrolle oder eine Nebenrolle spielt. Ich liebe es, die Hauptrolle zu spielen, aber ich bin nicht traurig, wenn ich eine kleine Rolle spiele, denn jede Figur ist wichtig für den Erfolg des Films.
Ich sehe aus wie viele andere deutsche Schauspielerinnen: Blond, blauäugig. Was mich von anderen unterscheidet ist meine Energie, mein Charakter. Jeder Mensch ist total individuell. Deshalb kann mir niemand etwas wegnehmen, weil nur ich ich bin. Der Druck steigt natürlich, wenn sehr stark von meinen Engagements abhängig bin. Deshalb schaffe ich mir mit meinem Studium ein zweites Standbein. Das lockert den Konkurrenzdruck für mich sehr stark auf.
Was verbindest Du mit dem Begriff Nachhaltigkeit?
Ich habe letztens im wörtlichen Sinne darüber nachgedacht. Eigentlich, finde ich, müsste es eher Vorhaltig heißen. Ich halte jetzt etwas, was ich auch mit in die Zukunft bringen möchte. Es bedeutet etwas Zukunftgewandtes. Etwas, was mich nicht nur jetzt erfüllt und sättigt, sondern auch in der Zukunft noch einen Mehrwert bietet.
Was wünschst du dir für deine weitere Karriere?
Auf der GAL haben wir in einem Panel über nachhaltige Schauspielverträge gesprochen. Ich würde mir Verträge wünschen, die uns mehr Planungssicherheit bieten. Im Moment hangeln wir uns von einem Projekt zum nächsten. Nachhaltiger wäre es, auch Festanstellungen im Schauspiel zu haben.

Wir bedanken und bei Sofie für das tolle Interview! Mehr über Sofie Eifertinger erfahrt ihr auf ihrer Website.