Der Sommer naht und mit ihm die heißen Temperaturen. Da können wir auf Polyester, Acryl und Co. auf unserer Haut gut verzichten. Aber synthetische Stoffe bringen uns nicht nur unnötig ins Schwitzen, sie entwickeln sich gerade zu einer enormen Umweltbelastung. Aber was genau macht sie denn so böse?
Wir haben bei den beiden Gründerinnen Hannah Peper und Romana Eßlinger angeklopft, denn sie müssen es wissen. Die Zwei gründeten erst kürzlich ihr Fair Fashion Label Sonho Stories, in dem sie komplett auf synthetische Materialien verzichten – vom Garn bis zum kleinsten Knopf. Co-Gründerin Hannah sieht es als Mission für Modelabel, Aufklärungsarbeit zu leisten und stand uns dafür Rede und Antwort.
Liebe Hannah, was ist denn das größte Umweltproblem an synthetischen Stoffen?
Eines der größten Probleme ist das Mikroplastik, welches sich bei jedem Waschgang von synthetischer Kleidung löst. Das sind kleinste Partikel, die durch Kläranlagen in unsere Böden und Meere gelangen. Seebewohner halten diese kleinen Stücke dann für Futter oder nehmen sie unbewusst auf. Der Kunststoff absorbiert giftige Chemikalien, die die Biodiversität beeinträchtigen und Krankheiten verursachen. Experten vermuten, dass mehr als 100 Millionen Tonnen Abfall in den Weltmeeren schwimmen – die Textilindustrie ist für mehr als 30 % davon verantwortlich.
Welches Problem an synthetischen Stoffen wird noch unterschätzt?
Mischfasern! Viele Kleidungsstücke, die wir heute tragen, bestehen aus Stoffen, die aus verschiedenen Garnen gesponnen werden. Ein Wollpullover besteht in den seltensten Fällen noch aus 100% Wolle. Denn Wolle ist ein teures Material. Um Kosten zu sparen, werden oft günstige, also synthetische Materialien untergemischt. 40 % Wolle, 40 % Acrylic, 20 % Polyester, beispielsweise. Das Problem dabei: Mischfasern können nach der Tragezeit nicht voneinander getrennt und recycelt werden. Sie werden also zu Textilmüll, der oft nur noch CO2 intensiv verbrannt wird.
Ihr verwendet Materialien wie Cupro oder Tencel. Diese stehen allerdings oft in der Kritik, da sie mithilfe chemischer Prozesse hergestellt werden. Wie argumentiert ihr da?
Tencel ist eine Lyocellfaser, die aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz entsteht. Wir verwenden Tencel von der österreichischen Firma Lenzing, die das Holz aus 99 % nachhaltiger Forstwirtschaft beziehen. Die Fasern werden in einem geschlossenen Prozess hergestellt, in dem Wasser wiederverwendet und keine Chemikalie in die Umwelt gelassen wird. Unser Bemberg-Cupro stammt aus der Baumwollpflanze und wird ebenfalls in einem geschlossenen Produktionskreislauf hergestellt. Das Unternehmen nutzt 40 % erneuerbare Energie und hat eine Zero Waste Mentalität.
Es gibt noch nicht das eine perfekte natürliche Material, auf das wir jetzt alle setzen können. Wir glauben daran, dass wir unsere Ressourcennutzung verteilen müssen. Aber eines ist sicher: die Tencel- und Cuprofasern stammen aus nachwachsenden Rohstoffen, die Herstellungsprozesse werden streng überwacht und im Kreislauf gehalten und es gibt die Möglichkeit, die Stoffe nach dem Tragen biologisch abzubauen. Zudem sind sie langlebig, sehr angenehm zu tragen und hautfreundlich. Da ist unserer Meinung nach schon sehr viel richtig dran.
Eure Knöpfe bestehen aus der Corozo-Nuss. Wie kamt ihr darauf und warum ist diese Nuss, die von so weit her kommt besser als bspw. heimisches Holz?
Wir haben lange überlegt, welches Material wir für die Knöpfe nutzen und uns dann bewusst für die Corozo-Nuss entschieden. Sie wird oft mit Elfenbein verglichen, weil sie sich so glatt anfühlt und schön schimmert. Zudem ist sie kratzfest und extrem langlebig. Diese Eigenschaften passten erstens zu unserem Designanspruch und zweitens zu unserem Kreislaufansatz. Wir möchten ein gut durchdachtes Kleidungsstück kreieren, das lange getragen wird und nach der Tragezeit recycelt werden kann. Dafür müssen wir abwägen. Eine ähnliche Qualität haben wir bei heimischem Holz noch nicht gefunden.
Wenn man durch unser Gespräch nun Lust bekommen hat auf einen Umstieg, der halbe Kleiderschrank aber aus synthetischen Stoffen besteht – welche Tipps hast du dazu?
Die Frage ist, ob du zufrieden mit deinem Kleiderschrank bist. Du bist es? Dann weiter so, denn je länger wir Kleidungsstücke tragen, desto nachhaltiger ist es. Wichtig ist beim Waschen von synthetischen Stoffen einen Waschbeutel (z.B. Guppyfriend) verwenden, um das Mikroplastik zu minimieren. Hast du aber das Gefühl, dass du nie das Passende zum Anziehen hast und immer etwas Neues brauchst, kannst du etwas Zeit in folgende Fragen investieren: Was trage ich wirklich? Welche Schnitte/Materialien stehen mir am besten? In welchen Farben fühle ich mich am wohlsten? Welche Stücke trage ich nur, um kurzzeitig trendy zu sein? Welche Kleider brauche ich für welche Anlässe? Die Teile, die vielseitig einsetzbar sind und die du oft trägst, kannst du behalten. Merkst du, dass dir etwas fehlt, ist es sinnvoll in Stücke zu investieren, die sich erstens gut mit deinen vorhandenen Kleidern kombinieren lassen und dir zweitens lange Freude bereiten.
Kleidungsstücke aus reinen, natürlichen Materialien lassen deine Haut atmen, produzieren kein Mikroplastik und werden nicht zu gefährlichem Textilmüll. Wenn wir uns vor dem Kauf Gedanken darüber machen, wie wir unser Geld investieren, welche Unternehmen und Werte wir damit unterstützen möchten, macht es doch gleich viel mehr Spaß!
Habt ihr zum Schluss noch eine Botschaft, die ihr mit unseren Leser:innen teilen wollt?
Wir glauben daran, dass unser Konsum bestimmt, ob unser Planet divers bleibt oder zerstört wird. Und wir glauben daran, unsere Produkte im Kreislauf zu halten, anstatt unbrauchbaren Müll zu produzieren. Deshalb freuen wir uns über jeden Menschen, dessen Kaufentscheidung ein gutes Beispiel abgibt. Wir haben Angebot und Nachfrage in der Hand. Mit Sonho Stories möchten wir außerdem zeigen, dass wir Träume leben können. Sonho bedeutet auf Portugiesisch “Traum” und mit unserem Label leben wir unsere Traumgeschichte. Auf diese Reise möchten wir Menschen mitnehmen und sie dazu inspirieren, einfach anzufangen. Wir müssen kein riesiges Kapital haben, alles sofort können oder den perfekten Zeitpunkt abwarten. Die Reise ist doch das Spannende!