In Zuge der Nachhaltigkeitsbewegung in der Mode haben sich eine Vielzahl von Tierlederalternativen aufgetan. Diese Entwicklung wirft jedoch die Fragen auf: Was genau veganes Leder ist, warum es als attraktive Lederalternative gilt und ob es wirklich eine ökologisch verträglichere Option als herkömmliches Leder darstellt. Wir gehen auf Spurensuche – sind Artikel aus Leder-Alternativen tatsächlich nachhaltiger?

Leder gegen Ressourcenverschwendung
Die Geschichte des Leders spiegelt eine tief verwobene Beziehung mit der Fleischindustrie wider und wirft ein Licht auf die komplexe Dynamik zur ökologischen Nachhaltigkeit. Obwohl oft als Abfallprodukt der Fleischproduktion bezeichnet, ist die Lederindustrie ein eigenständiger, profitabler Sektor und Tierleder dementsprechend ein Nebenprodukt. Die Nutzung von Tierhäuten kann jedoch als effiziente Ressourcennutzung gesehen werden, da die globale Nachfrage nach Rindfleisch die Nachfrage nach Tierhäuten aktuell noch leicht übersteigt. In den USA wurden letztes Jahr beispielsweise 14,5% der Häute nicht verwertet, was nicht nur eine Verschwendung darstellt, sondern auch Treibhausgasemissionen verursacht.
Konventionelles Leder stammt fast ausschließlich aus industrieller Massentierhaltung und ist oft mit über 40 Chemikalien belastet. Statt kompostierbares Textil verwandelt Leder sich dadurch in Sondermüll. Eine Kreislaufwirtschaft, die auf regenerative Landwirtschaft und nachhaltige Verarbeitungsmethoden setzt, könnte Tierleder in eine wertvolle Ressource verwandeln und die Notwendigkeit neuer, energieintensiver Rohstoffe reduzieren. Doch ein echter Wandel erfordert eine Veränderung unserer Sichtweise – Tiere nicht nur als Ressourcen, sondern als Gefährten zu betrachten.
Was ist veganes Leder?
Die industrielle Herstellung von tierischem Leder ist bekanntermaßen ressourcenintensiv und umweltschädigend. Der Einsatz von Wasser und Chemikalien hinterlässt einen tiefgreifenden ökologischen Fußabdruck. Veganes Leder eröffnet hier einen spannenden potenziellen Pfad der Nachhaltigkeit. Vor allem, wenn es aus natürlichen oder recycelten Materialien gefertigt wird. Veganes Leder, oft auch als Kunstleder bezeichnet, imitiert die Eigenschaften von echtem Leder, ohne dass dafür tierische Produkte verwendet werden. Es besteht aus einer Vielfalt von Materialien: Entweder aus Erdölderivaten wie Polyurethan (PU) und Polyvinylchlorid (PVC) oder aus natürlichen Quellen wie Kork, Apfelschalen, Ananasblättern und Pilzmyzel.

Die Krux der synthetischen Leder
Synthetische vegane Leder, wie PU und PVC, werden für ihre Robustheit, samtige Weichheit und Wirtschaftlichkeit geschätzt. Jedoch bergen sie erhebliche und für Konsument:innen oft verborgene ökologische Kosten. Diese aus Kunststoff und Erdöl gewonnenen Materialien belasten die Umwelt sowohl während ihrer Herstellung als auch bei ihrer Entsorgung. Sie sind nicht ökologisch abbaubar und setzen schädliche Chemikalien frei, darunter Phthalate, Dioxine und BPA – allesamt von der WHO als krebserregend oder hormonstörend eingestuft. Greenpeace hat PVC sogar die Titel „das giftigste Plastik“ sowie das „umweltschädlichste aller Kunststoffe“ verliehen.
Während die Modeindustrie versucht, durch die Verwendung von wasserbasiertem und lösungsmittelfreiem PU einen grüneren Weg einzuschlagen, bleibt die bittere Wahrheit: Beide Materialien sind erdölbasiert und weit entfernt von nachhaltig. Zusätzlich tragen beide Materialien während ihrer gesamten Lebensdauer sowie danach zur Mikroplastikverschmutzung bei. Aktuelle Forschungen legen nahe, dass gerade Mikroplastikfasern, die vor allem beim Waschen und Schleudern von Kleidung freigesetzt werden, eine der verbreitetsten Formen von Mikroplastik in unserer Umwelt darstellen.
Pflanzenbasiertes Leder: Natürliche Leder-Alternativen
COSH! bietet Besucher:innen einen Überblick des lokalen Modehandels mit Geschäften, die ihren Fokus auf ein nachhaltigeres Angebot legen. Ob Multibrand-Boutiquen, Marken-, Vintage oder Second-Hand Stores – COSH! gibt neben allgemeinen Informationen auch aufschlussreiche Details zu vielen Nachhaltigkeitsaspekten der Läden. COSH! hat ausgewählte Lederalternativen zusammengestellt.
1. Mirum – Pflanzenbasierte Lederrevolution

Mirum steht an der Spitze der pflanzenbasierten Lederrevolution. Kreiert von einem innovativen Chemiker der US-Marineakademie und gefertigt von Natural Fiber Welding in Illinois, markiert Mirum die Schwelle zu einer neuen Ära in der Modeindustrie. Mit dem Ziel, die Messlatte für nachhaltige Lieferketten neu zu definieren, symbolisiert es einen bedeutenden Meilenstein auf dem Weg zu einer kreislauffähigen Zukunft. Dieses bahnbrechende Material, hergestellt aus natürlichen Zutaten wie Korkabfällen, Hanf, Kokosnuss und Pflanzenöl, präsentiert sich als plastikfreie, kreislaufgerechte Alternative. Durch die Kompression dieser Fasermischungen entsteht eine Lederähnliche Textur, die individuell anpassbar ist, sodass Marken einzigartige Designs bei Natural Fiber Welding in Auftrag geben können. Die Vielseitigkeit von Mirum hat bereits namhafte Marken wie Camper, Stella McCartney und allbirds für sich gewonnen, die seine Fähigkeit, mit ungiftigen Farbstoffen behandelt zu werden, zu schätzen wissen.
2. MuSkin – Parasitärer Wunderstoff

Gewonnen aus dem Phellinus ellipsoideus, einem einzigartigen parasitären Pilz, der in den subtropischen Wäldern auf Baumstämmen gedeiht, bietet MuSkin eine faszinierende Mischung aus Weichheit und Vielseitigkeit. Seine Bandbreite reicht von der zarten Anmutung von Wildleder bis hin zur robusten Textur, ähnlich der von Kork. Was MuSkin jedoch wirklich von anderen Materialien abhebt, ist sein vollständig toxin- und chemikalienfreier Herstellungsprozess, was es zur perfekten Wahl für hautnahe Produkte macht. Seine natürliche Zusammensetzung, angereichert mit endemischen Penicillinen, bietet nicht nur eine atmungsaktive Qualität, sondern wirkt auch dem Bakterienwachstum entgegen. Darüber hinaus lässt sich MuSkin mit umweltfreundlichen Wachsen behandeln, um es wasserdicht zu machen, was seine Anwendungsmöglichkeiten erweitert. Aufgrund der komplizierten Ernte, der eingeschränkten Verfügbarkeit der genannten Pilze und der begrenzten Anbauflächen scheint es jedoch weit davon entfernt zu sein, Leder im großen Stil ersetzen zu können.
3. Pod Peel – Die Süße Verführung

Aus den malerischen Landschaften Portugals stammt Pod Peel, eine 100% pflanzliche Version von Leder-Alternativen, gewonnen aus dem Johannisbrotbaum. Dieses Material vereint Strapazierfähigkeit mit einer weichen, ansprechenden Textur, was es ideal für eine Vielzahl von Produkten macht: von modischen Taschen über elegante Schuhe bis hin zu stilvollen Dekorationsartikeln. Das Geheimnis hinter Pod Peels Einzigartigkeit liegt im Johannisbrot, einer schotenförmigen Frucht. Sie ist bekannt für ihren süßen Geschmack und oft als natürlicher Kakaoersatz geschätzt. Neben seiner Verschleißfestigkeit und Flexibilität ist Pod Peel bemerkenswert pflegeleicht und benötigt lediglich ein feuchtes Tuch zur Reinigung. Jedes Stück ist durch sein spezielles „gefädeltes“ Finish und die handwerkliche Verarbeitung ein Unikat, welches die natürliche Schönheit und Vielfalt hervorhebt.
4. Korteccia – Traditionelle Handwerkskunst

Korteccia, ein Meisterwerk traditioneller ugandischer Handwerkskunst, entsteht aus der Rinde des ostafrikanischen Mutuba-Feigenbaums. Diese Rinde zeichnet sich durch ihre schnelle Regenerationsfähigkeit aus, was Korteccia zu einer umweltfreundlichen Wahl wie Kork macht. Sie ist gekennzeichnet durch niedrigen Energieverbrauch und minimale CO2- Emissionen. Korteccia besteht ausschließlich aus Rindenfasern – ohne den Einsatz von Bindemitteln, Farbstoffen oder Zusatzstoffen. Die Herstellung entspricht zudem den ethischen Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und SA 8000, was eine verantwortungsbewusste Produktion garantiert. Korteccia vereint Nachhaltigkeitsprinzipien und Ethik und feiert zugleich das reiche kulturelle Erbe Ugandas.
5. CorkonLinen – Europäische Innovation

Unsere Textilreise bringt uns zu Ronja Nielsen. Sie hat mit ihrer innovativen Kreation CorkonLinen eine Brücke zwischen europäischer Fertigung, handwerklicher Präzision und Kreislaufwirtschaft geschlagen. Diese einzigartige Textilinnovation vereint französisches Leinen und portugiesischen Kork, die mittels eines patentierten, natürlichen und wasserbasierten Klebstoffs kunstvoll miteinander verbunden werden. In der portugiesischen Werkstatt des Unternehmens wird der Stoff sorgfältig geschliffen, bevor er mit natürlichen, kompostierbaren Farbstoffen gefärbt wird. So wird diese Art von Leder-Alternativen zu einer echten kreislaufwirtschaftlichen Lösung.
6. TômTex – Abfall wird zum neuen Luxus

TômTex, ins Leben gerufen von Uyen Tran im Jahr 2020, ist ein weiterer Stern am Textilhimmel. Es wird aus Chitosan gefertigt, das aus Krabbenschalen und Pilzabfällen – einem Nebenprodukt der Lebensmittelindustrie – gewonnen wird. Das Material bietet es eine umweltfreundliche und kosteneffiziente Option. Obwohl TômTex technisch gesehen nicht vegan ist, hat es bereits in der Modewelt starke Akzente gesetzt, unter anderem durch die Verwendung durch Designer Peter Do während der New Yorker Fashionweek. Die Transformation von Chitosan in eine formbare Flüssigkeit macht TômTex zu einer der wenigen plastikfreien Leder-Alternativen. Seine Markteinführung, die bis Ende 2023 erwartet wird, verspricht ein Material, das biologisch abbaubar, ungiftig, leistungsfähig wie Leder und dazu noch preiswert ist.
7. Laborgezüchtetes Leder – Luxus ohne Schuldgefühle

Die Ära des laborgezüchteten Leders ist längst angebrochen. An der Spitze dieser Revolution steht Modern Meadow, ein US-amerikanisches Unternehmen, das von Andras Forgacs ins Leben gerufen wurde. Mit seiner zukunftsweisenden Technologie der zellulären Landwirtschaft entwickelt Modern Meadow eine innovative Form von Leder, die aus kultivierten Zelllinien gewonnen wird, ohne auf Tierhäute angewiesen zu sein. Hefezellen, die durch einen speziellen Fermententationsprozess Kollagen entwickeln, stellen das Herzstück der Technologie von Modern Meadow da. Das Unternehmen bietet eine Form von ethischen, tierleidfreien Leder-Alternativen, die die textuellen und funktionalen Eigenschaften von traditionellem Leder nachbildet. Diese fortschrittliche Technologie verspricht, die Art und Weise, wie wir über Mode und Luxus denken, neu zu definieren und unsere heutige Vorstellung von Luxus neu zu gestalten.
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Beitragsbild: © Unsplash