Sharing is Caring? Was das Teilen von Waren und Diensten für Konsumenten und Wirtschaft bedeutet.
„Geteilte Freud ist doppelte Freud“ – Diese Küchenkalender-Weisheit fasst ziemlich simpel die Möglichkeiten eines gesellschaftlichen Trends zusammen, der an etablierten Konsummodellen vorbei agiert: Die Shar(ed)Economy. Nicht mehr selbst zu besitzen, sondern Besitztümer untereinander zu teilen, ist hierbei die Devise.
Schon als Kind lernen wir, dass zu teilen eine menschliche Qualität ist, weil wir dabei auch an unsere Umwelt denken. Im Fall von Shareconomy denken wir sogar an DIE Umwelt, wenn man der Argumentation von Befürwortern folgt.
In den sozialen Medien werden nicht nur Meinungen einfach ausgetauscht
Mit Geschäftsmodellen wie dem Online-Unterkunftsvermittler „9flats“ oder dem Carsharing-Dienst „Drive Now“ hat sich die Nischen-Bewegung jedoch schon längst wegentwickelt vom privaten Austausch, hin zu einem Wirtschaftszweig, der mit den Möglichkeiten des Internets insbesondere für zukünftige Generationen interessant sein könnte. Im Internet legten vor allem die sozialen Netze vor gut 12 Jahren auch den Grundstein für die Shareconomy, wie Prof. Dr. Gerrit Heinemann, der sich als ausgewiesener Handelsexperte auch mit allen relevanten digitalen Entwicklungen beschäftigt und E-Commerce lehrt, im FOGS-Gespräch erzählt. „Mit Facebook&Co. wurde es quasi Bestandteil des Lebens, Meinungen und Bewertungen miteinander zu teilen. Irgendwann wurden nicht mehr nur Ansichten ausgetauscht, sondern auch Dinge, für die man sonst Geld hätte ausgeben müssen“, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler die Anfänge. Freundschaftsdienste 2.0 also.
Wer viel unterwegs ist, schleppt nicht gern Kram mit sich
Diesen Trend pushen dementsprechend vor allem jene, die mit dem Internet groß geworden sind: Die sogenannten „Digital Natives“, deren Wertorientierung nicht mehr so stark nach Besitz strebt. Nebst dieser Generation der um 1980 und bis 2000 geborenen Millenials nutzen gemäß Gerrit Heinemann derzeit im Wesentlich noch zwei weitere Konsumentengruppen die Vorteile des Teilens. „Die Wahl des Angebotes hängt auch mit den Mobilitätserfordernissen sowie mit der Infrastruktur am Wohnort zusammen. Generell werden sich die Anforderungen an die Arbeitnehmer in puncto Mobilität zukünftig erhöhen. Das wird sehr viele Geschäftsmodelle begünstigen“, beschreibt Heinemann einen Motivationsfaktor für Sharing-Nutzer. Natürlich wollen Einige auch einfach ökologisch bewusst handeln und teilen, tauschen und (ver-)leihen deswegen. Auch, wenn es für tatsächliche Umwelteffekt durch den Ko-Konsum noch keine belastbaren Zahlen gibt. Insbesondere wenn Menschen nicht viel Eigenes besitzen, weil sie häufig unterwegs sind, steht der Umweltverträglichkeit gegebenenfalls ein erhöhter CO2-Footprint gegenüber, den ihr mobiler Lebenswandel mit sich bringt.
Von der Eigentums- zur Besitzgesellschaft?
Größere Mobilität sowie mehr Erlebnis- und Konsumvielfalt bei geringerer Umweltbelastung? Klingt doch aber erst mal gut. Die Shareconomy hat jedoch auch skeptische Beobachter. So gaben Autoren deutscher Wirtschaftsmedien wie dem Handelsblatt auch das mögliche Risiko einer wirtschaftlichen Schieflage zu bedenken, sofern die Ansätze der Shared Economy bei einer breiteren Masse Anklang finden sollten. Eine zentralisierte Besitzgesellschaft, in der Wenige Vieles ihr Eigentum nennen und über die Verfügung entscheiden, könnte eine Folge sein.
Wie ist es jedoch um die Massentauglichkeit der Shareconomy bestellt? Professor Heinemann prognostiziert dafür eher geringe Chancen. Zwar zeigt die Tatsache, dass sich auch große Unternehmen wie Otto oder Mediamarkt mit Modellen beschäftigen eine gewisse Relevanz des Themas. Dennoch vermutet der E-Commerce-Forscher, dass sich Sharing lediglich als weiteres Marktsegment für bestimmte Zielgruppe etabliert: „Insgesamt wird es vor allem diejenigen ansprechen, die eine hohes Maß an Flexibilität schätzen und Waren nicht dauerhaft benötigen. Denn längerfristig etwas zu mieten, ist häufig teurer als es sich selbst anzuschaffen. Da gibt es bisher kaum attraktive Modelle. Auch, dass man sich um Aspekte wie Entsorgung und Reparatur keine Gedanken machen muss, ist vorteilhaft für diejenigen, die lieber leihen als kaufen.“ Von einer fehlenden Massentauglichkeit spricht Heinemann nicht zuletzt, weil es auch bereits Gegen-Trends gibt. Beim „Cocooning“ geht es beispielsweise darum, sein Hab und Gut in Ehren und zusammen zu halten. Für die Anhänger dieses Einschlages bedeutet Besitz die Sicherheit unabhängig zu sein, während vor der eigenen Haustür, zumindest subjektiv betrachtet, raue Zeiten toben.
Auch der Branchenverband Bitkom unterstellt der Shareconomy kein flächendeckendes Umsich-greifen. Zwar teilen laut Verband 83 Prozent der deutschen Internetnutzer Inhalte im Netz, beim Austausch physischer Komponenten sieht die Bilanz jedoch deutlich anders aus. Laut Bitkom nutze nicht einmal jeder Zehnte Tauschbörsen, nur drei Prozent der Deutschen würden sich am Carsharing beteiligen und lediglich zwei Prozent ziehen regelmäßig fremde Wohnungen dem Hotel vor. Diese Zahlen dürften vor allem diejenigen beruhigen, die in Sharing eine massive Bedrohung für bestehende Geschäftsmodelle wie das Hotel- und Taxigewerbe oder den Handel sehen. Zumal Autovermietungen, Mitfahrzentralen oder Tauschbörsen schon lange bestehen und nicht erst mit dem Begrifff „Shareconomy“ real wurden.
Wichtige Wirtschaftszweige reagieren mit eigenen Konzepten auf den Trend
Im Bereich der Privatinitiativen kann sich Gerrit Heinemann allerdings durchaus hohe Dunkelziffern vorstellen. „Es genügt häufig ein paar Leute aus der Freundesliste auf Facebook zu fragen, wenn man auf der Suche nach etwas ist. Diese privaten Tauschgeschäfte werden nirgends abgebildet“, so der Professor. Auch wenn er dem Argument, dass die Shareconomy die Wirtschaft bedrohe, nicht in Gänze folgt, gibt der Experte zu bedenken, dass ein Viertel der Arbeitsplätze in der Bundesrepublik an den Autobauern hängt. Viele der Hersteller begegnen dem Sharing-Trend daher bereits mit neuen Konzepten, wie das Beispiel von BMW und Mini deutlich macht. Insbesondere im Reisebereich sieht Gerrit Heinemann sogar Chancen, um Kapazitätsengpässe zu bewältigen, ohne auf Teufel komm raus neue Fläche bebauen zu müssen. Firmen wie Airbnb führt er dabei als bestes Beispiel an.
Mehr oder weniger Konsum durch Shareconomy?
Wer das Thema als Konsument kritisch betrachten möchte, sollte auch auf die eigenen Motivationen und Gewohnheiten schauen. So ist es auch die Überlegung wert, ob die ständige und relativ kostengünstige Verfügbarkeit von Diensten, Raum oder Waren im Endeffekt nicht ein verstärktes Konsumverhalten beflügelt. Denn Sharing bedeutet nicht zwangsläufig, dass man weniger konsumiert. Genau genommen, kann es das Verbrauchsverhalten des Einzelnen sogar steigern, wenngleich sich Konsumforscher Heinemann auch um diesen Aspekt keine allzu großen Sorgen macht: „Mehr als Autofahren kann ich ja am Ende nicht. Jeder von uns hat nur ein bestimmtes Zeitkontigent. Die Dinge und Services werden nun anders genutzt. Daran, dass sie genutzt werden, ändert sich meiner Meinung nach jedoch auch in nächster Zeit nichts für die breite Masse.“ Dennoch steht insbesondere in Großstädten der Mini oder Smart häufig direkt vor der Tür bereit und der Weg zur S-Bahn ist so weit. So laden Shareconomy-Angebote aus Bequemlichkeit häufig nämlich auch die zum Autofahren ein, die sonst auf die öffentlichen Verkehrsmittel zurückgreifen würden.
Diese Entwicklungen sind der Umwelt dann alles andere als zuträglich. Dennoch dürften sie dafür sorgen, dass sich langfristig ein größeres Bewusstsein in den Köpfen der Menschen durchsetzt. Die Akzeptanz und Selbstverständlichkeit im Lebensalltag auch Sharing-Konzepte einzubinden und bewusster zu konsumieren, könnte sich so gesellschaftlich weitläufiger etablieren und sich damit ausgleichend auf die Umwelt auswirken.