Vom 24. bis 26. Mai gastierte das beliebte Wanderfestival im Allgäu zwischen Immenstadt und Kempten. Unsere Autorin Eva war bei den deutschen Fjällraven Classics mit dabei und hat ihre ganz eigenen Eindrücke mitgenommen.
Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich mit knapp 250 anderen Menschen wandern gehe, hätte ich denjenigen wohl für verrückt erklärt. Es gibt für mich nämlich nichts Schlimmeres, als unterwegs warten zu müssen, Pause zu machen, wenn jemand anderes als ich das möchte oder mich zeitlich nach jemand anderem zu richten. Touren mit bis zu fünf Menschen sind für mich vollkommen cool, vorausgesetzt wir haben in etwa das gleiche Wandertempo, die gleiche Kondition und die gleiche Vorstellung von Verweildauern und Pausen. Passt das nicht, gehe ich ehrlich gesagt sehr gerne alleine. Große Gruppen mag ich ohnehin nicht so gerne. Wieso dann ausgerechnet ein Wanderfestival? Nun ja, kann man mal machen, dachte nicht, als die Einladung kam. Gedanken über fehlende Kondition machte ich mir nicht, schließlich lebe ich im Bergparadies und gehe Touren, für die andere einen ganzen Tag einplanen, gern als kurze Feierabendrunde. Zudem stelle ich mich gerne neuen Herausforderungen. Allen voran drei Tage einen schweren Rucksack inklusive Schlafmatte, Schlafsack, Klamotten, Getränke und Essen zu tragen. Das war immerhin neu für mich. Bisher übernachtete ich immer auf Hütten oder direkt im Freien.
Fjällraven Classics 2023 – Start bei strömendem Regen
Das erste Event der Fjällräven Classics in Schweden war 2005 ein voller Erfolg. Jedes Jahr waren es dann mehr Teilnehmende. Heute gibt es die Fjällräven Classics auf der ganzen Welt, zum Beispiel in den USA, in Schottland, Asien, Schweden und seit 2022 auch in Deutschland.
Unser enges Team bestand aus gut sieben Journalistinnen und Journalisten, unserer schwedischen Bergführerin Sofie, drei Frauen der zuständigen Presseagentur sowie zwei Fotograf:innen. Insgesamt galt es 57,9 Kilometer und über 2266 Höhenmeter zu überwinden. Los ging es bei strömendem Regen. In dem Moment wünschte ich mir nichts mehr, als nach der Tour wieder zurück ins Hotel zu kehren und warm zu duschen. Stattdessen warteten knapp 24 Kilometer und gut 1000 Höhenmeter Anstieg auf uns. Der erste Tag sollte der anstrengendste sein, meinte Sofie. Nachdem wir uns am Start angemeldet hatten, ging es im Regen los. Zuerst über Feldwege und Asphaltstraßen, dann auf Wanderwegen in Serpentinen steil bergauf. Innerhalb kürzester Zeit waren Schuhe und Regenhose komplett verdreckt, hielten aber dennoch dicht.
Wasser überall
Es war heiß, trotz Regen trug ich nur T-Shirt und ein Cap. In der Gruppe ging jeder sein Tempo, trotzdem war man nie allein. An bestimmten Punkten warteten wir aufeinander, machten kurze Pausen. Und auch ich war froh darüber. Denn gewohnt war ich es nicht, einen knapp 13 Kilo schweren Rucksack permanent zu tragen. An jedem Bach und jedem Wasserfall füllten wir unsere Wasser-Vorräte auf. Zu Mittag hörte es endlich auf zu regnen, die Sicht wurde trotzdem nicht besser. Und so entging uns der sagenhafte Ausblick ins Tal und die umliegenden Gipfel, während wir über die imposante Nagelfluhkette wanderten. Bei jedem Schritt ganz konzentriert, dass wir nicht im Matsch ausrutschten. Schon am ersten Tag des Fjällraven Classics merkte ich „Hey, ist ja gar nicht so wild, mit so vielen Leuten zu wandern. Vor allem, weil sich die über 250 Teilnehmenden ziemlich gut verteilten.“
Kalte „Dusche“ und gute Gespräche
Als wir am ersten Camp für die Nacht ankamen, lagen schon über 24 Kilometer Weg hinter uns. Zugegeben, der Abstieg zurück ins Tal zum ersten Camp war mühsam. Nicht, weil der Weg kompliziert gewesen wäre. Eher, weil der schwere Rucksack auf den Nacken drückte und man das Gewicht bei jedem Schritt in den Knien spürte. Mann, war ich froh, im Ziel angekommen zu sein. Neben dem frischen und warmen Kaiserschmarren für alle gab es für einige von uns noch eine Dusche. Neben dem Camp war ein eiskalter Bach und dem konnten wir nicht widerstehen. Das war wohl das beste , was wir unserem Körper nach diesem Tag gönnten.
Jeweils beim Start und Ziel, als auch bei den Checkpoints zwischendrin bekamen wir einen Stempel in unseren Wanderpass. Für uns ein Erfolg, weil wir etwas erreicht hatten. Für die Veranstalter eine Sicherheit, dass alle heil ankommen. Nach dem Abendessen, einer Fußmassage mit Massageball und sehr guten Gesprächen wartete die erste Nacht auf uns. Zelt ist generell nicht so meins, Schlafsack auch nicht, weil ich mich darin so eingeengt fühle. Ursprünglich wollte ich alleine ein Zelt beziehen. Als ich aber mitbekam, dass eine Kollegin noch einen Platz in ihrem Zelt frei hatte, welches ihr ganz nebenbei zu den Stationen transportiert wurde, sagte ich nicht nein. Im Nachhinein würde ich das allerdings nicht mehr machen. Vor allem nicht, wenn ein Hund dabei ist, der nicht im Vorzelt, sondern direkt neben mir schläft inklusive dreckigen Pfoten vom Wandern im Matsch. Geschlafen habe ich kaum, dafür mit dem Hund gekuschelt 🙂 Er hat mich ziemlich schnell ins Rudel aufgenommen.
Meditatives Gehen
Der nächste Tag begrüßte uns mit strahlendem Sonnenschein und sanften Nebelschwaden. Richtig kitschig und richtig schön. Die schlaflose Nacht war vergessen und ich freute mich auf die nächste Etappe. Gegen halb 9 brach unsere Truppe auf. Gut 20 Kilometer lagen dieses Mal vor uns. Es ging über Waldwege, Brücken, freie Almflächen mit atemberaubender Aussicht. Halt machten wir an einem Wasserfall mit gefühlt allen anderen Teilnehmenden. Normalerweise ein Moment, in dem ich mich beschwere, dass zu viel los ist. Dieses Mal störte es mich überhaupt nicht. Auch nicht, als wir immer mal wieder an Engstellen stehenbleiben mussten. Immerhin musste man sich dort an Seilen festhalten, was für viele Teilnehmenden absolutes Neuland war.
Die Aussicht war ein Traum an diesem Tag. Auf der Hündle Hütte gab es eine riesige Käsebrotzeit für uns, dazu Bier und Radler, danach Kuchen. Der Weg zum zweiten Camp war dann ziemlich matschig vom Regen der letzten Tage. Wir stiegen weiter ab ins Tal und dachten, wir seien schon angekommen. Allerdings ging es danach noch gefühlt ewig über Feld- und Asphaltwege. Das wären Etappen, die ich normalerweise mit Auto, Rad oder Bus fahren würde, aber definitiv nicht zu Fuß zurücklege. Solche Wegstrecken waren keine Motivation. Es tat richtig gut, nicht alleine zu gehen. Ich wäre in dem Fall vermutlich wahnsinnig geworden und hätte mir ein Taxi bestellt. Im Ziel warteten schon die Volunteers mit riesigen Glocken. Zugegeben, in diesen Momente schämte ich mich etwas fremd. Ich komme ja selbst aus einem kleinen Dorf in Oberbayern, wo Dirndl und Glocken nichts außergewöhnliches sind. Allerdings mag ich dieses zur Schau stellen von Traditionen in solchen Fällen gar nicht.
Endspurt und Abschied
Am letzten Abend des Fjällraven Classics machten wir Lagerfeuer im Camp, es gab den wohl besten Nachtisch von Profiköchin Vroni. Wir hatten Gelegenheit uns mit Rangerin Denise Klein auszutauschen, die uns bereits tagsüber ein Stück begleitete. Zudem erzählte uns Voggy von Plasticfree Peaks alles über deren Mission und den Patron. Einer ziemlich praktischen Kombination aus Brotzeitdose, Schneidebrett und Abfallbehälter. Der Abend war länger als der vorherige, immerhin kam ich erst um halb 12 ins Bett, was für einen so langen Tag schon ziemlich spät war. Schlafen konnte ich dieses Mal überhaupt nicht. Noch nie freute ich mich so sehr auf mein eigenes Bett.
Die letzte Etappe gingen wir am nächsten Tag in unserem eigenen Tempo, es gab nur den einen Treffpunkt: Das Ziel. Die erste richtige Pause gab es für uns am Alpseeblick. Ein Plateau, das uns eine wunderbare Aussicht auf den Alpsee bescherte „Da hüpfen wir später rein“, das war sicher.
Es waren noch gut acht Kilometer und es ging fast nur noch bergab. Auf einer Hütte gab es dann noch ein Radler für jeden. Zu viert marschierten wir mit Fotgraf Matthias die letzten Kilometer nach unten. Nur noch ein paar Meter bis zum See und danach noch 15 Minuten bis zur Ziellinie. Die fühlten sich mit meinen Füßen an wie drei Stunden.
Im Ziel des Fjällraven Classics gab es wieder tosenden Applaus für jeden. Was wir die letzten Tage eher peinlich fanden, fühlte sich in dem Moment so gut an. Wir hatten es geschafft. Aus völlig fremden Menschen wurde ein super Team, das sich schon gefühlt ewig kannte. Wir umarmten uns, als hätten wir einen neuen Planeten erobert.
Fjällraven Classics – Zusammen ist man weniger allein
Die Mission der Fjällraven Classics ist ganz einfach: Menschen zusammen in die Berge bringen und für die Natur begeistern. Denn erst wer die Schönheit der Natur erkennt, möchte sie auch schützen. Der erste Classic fand 2005 statt. Die Route führte 110 Kilometer durch die Wildnis Lapplands. Ursprünglich startete das alles aber in den 70ern, als der Gründer der Marke, Åke Nordin, eine Gruppe von Leuten zum Wandern einlud, um das Equipment zu testen.
Für mich waren die drei Tage ein echtes Erlebnis. Eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Ich kann nun verstehen, wieso so viele Menschen bei einem Festival dieser Art teilnehmen. Wieso sie hunderte, ja sogar tausende Kilometer aus Asien, Amerika oder den Niederlanden anreisen. Ich gehe noch immer gerne alleine auf den Berg, mache mein Tempo und starte, wenn ich es möchte. Aber ab und zu mit großen Gruppen zu wandern kann unheimlich bereichernd sein. Vor allem, weil man sich nicht über banale Dinge wie das Wetter unterhält, sondern echte Gespräche führt. Das weiß ich wirklich zu schätzen.
Wer möchte, kann die Runde im Allgäu natürlich ohne das Wanderfestival wandern. Allerdings ist wildes campen untersagt und war nur für diese 3 Tage erlaubt. Deshalb bitte auf Hütten und Pensionen ausweichen.
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