Hands on V ist ein Kanal auf TikTok, über den Ronja, sowie zwei weitere Creators sexuelle Aufklärung alltagstauglich machen. Sie sprechen über Tabuthemen und zeigen, dass es nichts gibt, worüber man nicht reden kann und noch ganz viel, worüber man unbedingt reden sollte. Im Interview spricht Ronja darüber, was Sex eigentlich ist, nervige Rollenbilder und die Zensur in sozialen Medien.
Eure Mission ist, weibliche Sexualität von Scham und Tabus zu befreien. Gegen welche Tabus kämpfst du an?
Wir wollen alles unter der Gürtellinie alltagstauglicher machen. Wir bieten einen Safe Space, in dem wir eigene Erfahrungen ehrlich und offen teilen. Die Community kann sich damit identifizieren oder auch nicht und sich dazu austauschen. Klar, es gibt die klassischen Tabus, über die man ja auch immer liest. Das sind Masturbation, Geschlechtskrankheiten, ONS, Squirting, Orgasmen, und vieles mehr. Wir arbeiten ganz eng mit unserer Community und greifen konkrete Themen auf, die uns in den Kommentaren zugespielt werden. So werden unsere Content Creator zum Beispiel gefragt, wie man sich ein Lecktuch selber bastelt oder wonach Penis und Vagina schmecken.
Bei euch geht es viel um Sex, Orgasmen und die Vielfalt des Körpers. Eure TikTok-Videos kritisieren oft das Verhalten und die Unwissenheit von Männern beim Sex. Erreicht ihr damit eigentlich Männer?
Wir wollen Männer nicht kritisieren, sondern eher den Dialog finden. Das zeigt unsere Erfahrung und auch die Kommentare unter den Posts. Wir wollen unseren Content nahbar und authentisch gestalten, weshalb wir aus eigenen Erfahrungen reden. Die meisten unserer Content Creator verkehren mit Männern, sie spielen bei uns eine essenzielle Rolle. Das sollte keinesfalls Kritik sein, sondern zeigen, dass wir beide Seiten abholen und viel Aufklärungsarbeit leisten müssen. Auf unseren Social Channels folgen uns eine halbe Million Menschen. Dabei sind es gleich viele Männer wie Frauen. Wir haben erste Formate, in denen wir männliche Schamthemen ansprechen. So drehten wir kürzlich mit einem großen deutschen Influencer, der gesellschaftliche Tabus, wie Masturbation in Beziehungen, Errektionsprobleme oder Beschneidung anspricht. Das kam in der Community richtig gut an. Für nachhaltige Veränderung müssen wir die Masse erreichen, dazu zählen alle Geschlechter.
Was ist guter Sex?
Die Frage ist eher, was ist Sex überhaupt? Wann fängt er an, wann hört er auf? Ich glaube das Problem ist, dass Sex immer noch sehr heteronormativ dargestellt wird. Der Mann liegt auf der Frau, sie greift in seine Schultern, stöhnt und kommt. Sex ist gar nicht unbedingt ein penetrativer Akt zwischen zwei Menschen. Guter Sex kann Masturbation sein, guter Sex kann ein Orgasmus sein, guter Sex kann zwischen mehreren Menschen stattfinden, guter Sex kann einfach nur ein heißes Vorspiel sein, was sich durch Zärtlichkeiten, Küsse oder gemeinsames Lachen entwickelt. Und am wichtigsten: Er entwickelt sich die ganze Zeit. Er ist ein Prozess, je nach Stimmung, Lebenslage und PartnerInnen. Intern haben wir diese Diskussion immer wieder und teilen das in Videos mit unserer Community, die dann heiß diskutiert. Dass guter Sex für viele gar nicht unbedingt Orgasmus bedeutet, hat mich persönlich überrascht.
Was macht für dich eine emanzipierte, unabhängige Frau aus?
Eine Frau, die einfach ihr Ding macht und das, worauf sie Lust hat, ohne sich zu sehr von gesellschaftlichen Normen beeinflussen zu lassen. Ich glaube, dass das bei sexueller Selbstbestimmung anfängt, also meist schon im Kindesalter.
Glaubst du, dass es manchmal nervt, dass sich selbstbewusste Frauen zu Wort melden?
Nicht mehr als die Fragen nach „selbstbewussten Frauen“, oder „Powerfrauen“.
Welche Rollenbilder oder Klischees kannst du nicht mehr hören? Welche triggern dich besonders?
Kommentare zu Gerüchen und Aussehen der Vagina und Vulva. „Die Vagina stinkt nach Fisch“, „Wasch dich mehr“, „Outties finde ich nicht schön“, „deine Vagina ist bestimmt ausgeleiert, wenn du so viel Sex hast oder ein Kind bekommst“. Solche Aussagen führen dazu, dass viele Menschen verunsichert sind und sich mit ihren Geschlechtsteilen nicht auseinandersetzen. Mal mit dem Spiegel angucken, dran riechen, den Partner oder die Partnerin fragen ist dann tabu. Ein Klassiker ist der Orgasmus durch rein-raus: Es ist sehr verbreitet, dass die Lust oder der Höhepunkt besonders durch rein-raus getriggert wird. In den meisten Fällen ist der Penis für den weiblichen Orgasmus gar nicht gemacht. Die sensibelste Stelle der Klitoris liegt außen, demnach auch die Stelle, die bei den meisten Frauen zum Höhepunkt führt. Der Penis ist wichtig für die Fortpflanzung, aber zum Befriedigen der weiblichen Lust, kommt er schnell an seine Grenzen. Viele Frauen denken, dass sie „kaputt“ sind, weil sie durch reine Penetration nicht kommen können. Sie täuschen Orgasmen vor und haben vielleicht kein erfülltes Sexleben. Auf der anderen Seite empfinden Männer einen hohen Druck, dass ihr bestes Stück oder ihre „Performance“ nicht ausreicht, wenn eine Partnerin durch rein-raus nicht kommen kann.
Jede Revolution startet mit Widerstand.
Ronja, hands on V
Auch ihr kämpft damit, dass Beiträge zensiert werden. Welche Posts betrifft das besonders?
Die Community Guidelines in Sozialen Medien sind sehr streng, was Sexualität betrifft. Sex wird behandelt wie Alkohol und Waffen, selbst wenn es einen aufklärenden Charakter hat und gesundheitsfördernd ist. So ist es laut Community Guidelines verboten, (weibliche) Lust zu vermarkten. Es ist willkürlich, welche Posts betroffen sind und entfernt werden. Wir versuchen neue kreative Wege zu finden unsere Messages rüberzubringen, ohne dass Videos gelöscht werden. Wir nennen die Dinge deshalb nicht unbedingt beim Namen. Das ist paradox, weil wir genau gegen dieses Tabu ankämpfen wollen. Anstatt Vulva oder Vagina zu sagen, verwenden wir dann „V“, sagen „Selbstliebe“ anstatt Masturbation. Algorithmen screenen „blacklisted“ Wörter wie Sex oder Selbstbefriedigung. So ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man einen Shadowban bekommt. Also Videos weniger ausgestrahlt werden. Das kann man an den Zahlen immer gut sehen, bei denen es einen Ban gab.
Wie geht ihr mit der Zensur um?
Draus lernen und weitermachen – es bestärkt uns darin, dass auf dem Gebiet noch sehr viel Aufklärungsarbeit zu leisten ist. Jede Revolution startet mit Widerstand. Auch wenn TikTok immer noch unser Hauptstandbein ist, werden wir unseren Traffic in Zukunft mehr streuen, um das Risiko von Zensur zu minimieren.
Auf eurem Channel arbeitet ihr rein mit kurzen TikTiok-Memes, habt Ihr vor künftig noch mehr zu machen, zum Beispiel Podcasts, Talks in Videos oder Texte?
Unser Fokus wird weiterhin auf hochformatigen Videos liegen, aber wir wollen den Content noch mehr streuen, zum Beispiel Instagram-Reels, Youtubeshorts und weitere Formate testen, wie zum Beispiel einen Podcast, der aber auch gefilmt wird.
Über Ronja:
Ronja ist 32 und studierte in Copenhagen Business und Economics. Aus vielen Gesprächen und eigenen Erfahrungen heraus, entschloss sie sich mit zwei MitstreiterInnen und wechselnden Gästen dazu, tabuisierte Themen wie den weiblichen Orgasmus aufzugreifen. Ihr Schwerpunkt ist sexuelle Aufklärung und Intimgesundheit.
TikTok: https://www.tiktok.com/@handsonv
Website: https://handsonv.com/
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