Zen-Buddhismus, eine von vielen Strömungen des Buddhismus, geht zurück bis ins China des 5. Jahrhunderts und wurde später im 12. Jahrhundert in Japan zu der Philosophie geformt, die wir heute kennen. Zen ist keine Theorie oder Wissenschaft, auch keine Religion. Es handelt sich vielmehr um eine Philosophie, die durch praktische Erfahrung gelebt wird. Ein wesentliches Merkmal des Zen-Buddhismus ist die Meditation. Leider führt das dazu, dass diese Lehre von vielen, die nichts mit Meditation am Hut haben gleich mal abgelehnt wird. Aber eigentlich lassen sich diese Jahrtausende alten Weisheiten sehr gut für unsere moderne Zeit umsetzen, ganz ohne Esoterik und Co. Wir haben 5 Zen-Lektionen zusammengetragen, aus denen wir aktuell besonders viel Kraft tanken können.
Nimm dich als Teil des Ganzen wahr
Ein Leben nach der Zen-Philosophie bedeutet, mit der Natur des Universums und der Essenz des wahren Glücks in Einklang zu kommen. Klingt ganz schön spirituell, oder? Dabei ist es genau das, was Umweltaktivist:innen, Zero Waster oder Tierschützer:innen heute machen. Sie sehen das große Ganze und sind sich bewusst, dass jeder Handgriff den wir als Einzelperson tun, Auswirkung auf die ganze Welt hat. Es bedeutet nichts anderes, als achtsamer zu handeln. Wenn wir beispielsweise im Supermarkt tropische Früchte kaufen, sollten wir uns überlegen, welchen Weg diese zurückgelegt haben. Kaufen wir eine Jeans, die gerade einmal 10 Euro kostet, sollten wir darüber nachdenken, wieviel Lohn für die Arbeiter:innen bei solch einem Preis übrigbleiben kann. Wenn alles miteinander verbunden ist, hat unser tägliches Handeln gleich viel mehr Bedeutung und positive Entscheidungen viel mehr Gewicht.
Mitgefühl mit anderen, aber vor allem auch mit dir selbst
Im Buddhismus ist Mitgefühl das A und O für ein glückliches Leben. Ziel ist es, das Gute in jedem Menschen wahrzunehmen. Auch wenn wir sein Verhalten nicht immer nachvollziehen können, sollten wir nicht über ihn urteilen. Aus dieser Verbundenheit heraus behandeln wir jeden, den wir kennen genauso, wie wir mit uns selbst umgehen. Voraussetzung dafür ist eine liebevolle Beziehung zu uns selbst. In unserer Leistungsgesellschaft passiert es oft, dass wir uns erst dann wertschätzen, wenn wir möglichst viel geleistet haben. Wir fühlen uns schlecht, wenn wir den ganzen Tag nur faulenzen. Wir sind hart zu uns, wenn wir zu spät auf E-Mails antworten oder erwarten von uns selbst ständig Bestleistungen. Wenn wir für Kollegen:innen also Verständnis aufbringen würden, wieso nicht für uns selbst? Ist man mit sich selbst im Einklang, fallen Verständnis und Mitgefühl für andere umso leichter.
Richtig zuhören muss gelernt sein
Dass uns die eigenen Gedanken manchmal von einem Gespräch ablenken und wir nicht mehr richtig zuhören, kennen wir leider alle. Im Zen heißt es aber, dem Gegenüber genauso viel Wertschätzung und Achtsamkeit entgegenzubringen wie uns selbst. Ein Gespräch sollte sein wie eine Meditation: Die Aufmerksamkeit ist im Hier und Jetzt, die eigenen Gedanken bzw. das eigene Ego stehen nicht im Vordergrund. Konzentrieren wir uns ausschließlich auf die Worte des Gegenübers, sind wir besonders achtsam. Dann ist es, als würden wir gerade meditieren.
Befreie dich von Anhaftungen
Mit „Anhaftungen“ meint man im Zen, dass das eigene Glück nicht abhängig von den Worten oder Taten anderer, Besitztümern und Errungenschaften ist. All dies ist vergänglich. Je mehr wir daran festhalten, desto größer ist der Schmerz, wenn wir früher oder später loslassen müssen. Das Ziel im Zen ist es, durch Meditation in Erfahrung zu bringen, wer man wirklich ist – ohne all diese Dinge. Eine Lebensweise, die derzeit viele Menschen rund um den Globus wiederentdecken – von Minimalisten über modernen Nomaden bis hin zur Declutter-Ikone Marie Kondō. Weniger Konsum heißt außerdem auch, dass weniger Ressourcen verschwendet werden und damit auch weniger Zeug im Müll landet.
Strebe nach kollektivem Wachstum
Im traditionellen Buddhismus wird eine Gemeinschaft von Praktizierenden, meist Mönche und Nonnen, Sangha genannt. Diese leben gemeinsam in Frieden, praktizieren ihre Lebensphilosophie und ihren Glauben und entwickeln somit ein höheres Bewusstsein für sich selbst und die Menschheit. Diese spirituelle Gemeinschaft ist aber keineswegs auf Bergklöster oder Tempel beschränkt – jeder von uns kann sein privates Sangha gründen. Es könnte beispielsweise ein feministischer Buchclub sein, in den man sich regelmäßig austauscht. Oder eine Online-Community, für die besten Tipps rund um klimaschonende Ernährung. Oder eine Gruppe von Gleichgesinnten, die sich regelmäßig trifft, um Nachbarschaft, Seen oder Parks freiwillig von Müll zu befreien. Die einzige Bedingung für so ein modernes Sangha ist, dass es Gesellschaft und Umwelt etwas zurückgibt.
Man kann diese Zen-Lektionen also einfach als gute Vorsätze ansehen, die man sich immer wieder ins Gedächtnis ruft. Wer Zen aber richtig praktizieren möchte, der sollte sie in regelmäßigen Meditationen verinnerlichen. Dieses stille Sitzen (Zazen genannt) wird im Zen als direkter Weg zur innerlichen Freiheit angesehen. Wenn wir erst einmal die Stille in uns gefunden haben, können wir auch in den Einklang mit der Umwelt kommen. Wer es weniger spirituell mag, kann es auch als Gegenstück zu unserem täglichen Social-Media-, und Medienkonsum sehen. Denn anstatt unser Hirn ständig mit neuen Eindrücken, Bildern und Tönen zu bombardieren, drücken wir für 15-20 Minuten komplett auf Pause und gönnen unserer Wahrnehmung Ruhe. Das hilft, Gedanken zu sortieren und sie wertfrei zu beobachten.
Titelbild: César Couto via Unsplash
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