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Wir kaufen Ware aus der unmittelbaren Umgebung, um den ökologischen Fußabdruck um ein paar Schuhnummern zu verkleinern. Sehr fein. Aber tun wir das wirklich?
Der Radiowecker geht an, ein Blick auf die Uhr, ob er eh richtig eingestellt war, passt, Aufsteh- und Frühstücks-Autopiloten einschalten. Espressomaschine anwerfen, Orangen pressen, zwei Toasts in das Chrom-blitzende Gerät einführen, Butter und Marmelade raus, damit sie ein bisschen warm werden. Geht sich ein Ei aus? Ja, geht sich aus, in den Kocher damit. Die Espresso-Maschine ist mittlerweile auf Betriebstemperatur, ein erster Push up-Ristretto im Stehen, während der Toast noch bräunt, dann einen mit ein bisschen geschäumter Milch zum Sitzen. Ein schönes Frühstück ist das, fast wie aus der Werbung, und wir sind stolz: Das Ei ist aus dem Bioladen, Milch und Orangen auch, okay, der Toast ist aus dem Supermarkt, der Kaffee dafür vom Spezialisten, der all diese verschiedenen italienischen Klein-Marken hat, die französische, gesalzene Butter im Span-Schachterl aus dem Gourmet-Supermarkt, die Marmelade von Mutti.
Arbeit, Arbeit, Arbeit, halb eins wird’s, Aufmerksamkeit lässt nach, Hunger kommt, Zeit für kulinarischen Nachschub. Schnell sollte es halt gehen, also hurtig rüber zum hippen Laden, wo’s so feine Curries und diese wirklich saftigen, handgebastelten Sandwiches gibt. Ah, wunderbar, das mit Curry-marinierter Hühnerbrust, gerösteten Mandeln und Mango-Chutney ist noch nicht aus, wie sonst immer, saftig, herrlich, ein Flascherl zuckerfreies, Koffein-maximales Designer-Cola von der coolen deutschen Cola-Schmiede, und ein Espresso noch, damit die Augen offen bleiben. Kaugummi, damit das Madras-Huhn wieder weg geht.
Nachmittag, schaut gut aus, könnte heute fertig werden. Der Kollege bringt einen kleinen Schoko-Erdnuss-Crumble von der feinen Konditorei mit, dankesehr! noch ein Kaffee, aus dem Automaten, egal, Endspurt.
Nach Hause, ein bitter-frisches deutsches Pils aus dem Kühlschrank, kurz relaxen, Abend planen. Essen gehen, immer eine gute Idee, neuer Vietnamese, kurzer Check über Facebook, wer aller mitkommt, okay, wir sind zu viert. Anruf, Tisch reservieren.
Es gibt das ganze gute Programm: Quallensalat, herrlich erfrischend und knackig, Shrimpsrollen, mit Kräutern, Glasnudeln und Shrimps nicht nur der hübscheste, sondern auch der beste Snack, den’s gibt, Tintenfischsalat, schön scharf bitte. Ein vietnamesisches Bier dazu? Na klar …
So wird nicht jeder und jeden Tag essen, schon klar. Aber für gar nicht so wenige, vor allem im urbanen Bereich, ist so ein kulinarischer Alltag durchaus realistisch. Analysieren wir einmal, welche Distanzen wir da verfuttert haben: Kaffee aus Brasilien, Mittelamerika, Äthiopien, Indien; Orangen aus Spanien oder Sizilien; die Butter aus Frankreich, das Ei aus der Steiermark, die Milch aus Niederösterreich, die Marmelade aus burgenländischen Früchten. Woher das Getreide für den Toast und für den Sandwich zu Mittag stammen, ist schwer zu eruieren, das Huhn mag aus der Steiermark sein, die Gewürze, die Mandeln, die Mango fürs Chutney sind es sicher nicht. Die Schokolade stammt aus Venezuela, die Erdnüsse aus Ägypten, Quallen, Shrimps, Kräuter und außer dem Wasser überhaupt so ziemlich alles für das köstliche Abendessen wurde aus Südostasien importiert.
Die Kilometer, die unsere Lebensmittel da für uns zurückgelegt haben, sind Legion, selbst, wenn man bewusst konsumiert, Milch und Eier aus der “Umgebung” nimmt. 100.000 Kilometer kommen da pro Tag schon locker zusammen.
Aber muss uns das schockieren? Eigentlich nicht. Denn wir sind längst Teil einer Gesellschaft, die weltumspannend funktioniert. “Globalisierung” ist natürlich ein böses Wort und steht zweifellos für die irrwitzigen Auswüchse des Bedürfnisses, immer alles und überall zur Verfügung haben zu wollen. Eine Einstellung, die man absolut in Frage stellen kann und muss. Chilenischer Spargel, südafrikanische Äpfel, spanische Heidelbeeren, vietnamesischer Pangasius … – alles Dinge, auf die man problemlos verzichten könnte. Aber sind wir auch bereit, auf Pfeffer zu verzichten? Auf Kaffee, auf Schokolade, auf Orangen, auf Meersalz, auf Tee. Sind wir bereit, dem ökologischen Fußabdruck zuliebe Gummi-Mozzarella aus der näheren bayrischen Industrie-Molkerei zu essen, statt jenen aus Kampanien, der rasch und unter großem Kühl-Aufwand in den Norden gefahren werden muss? Das ist halt die Frage. Und können wir guten Gewissens erwarten, dass die ganze Welt nach Österreich reisen soll, um hier gegen feine Devisen unsere elaborierte Touristik zu beanspruchen, wir ihre Produkte und die Erzeugnisse ihrer Länder aber ablehnen, weil sie zu weit transportiert werden? Das wäre irgendwie nicht ganz fair.
Wir wollen hier keineswegs dekadenter Verschwendung von Ressourcen und hemmungsloser Transportitis das Wort reden. Aber wir wollen auch vor Hysterie warnen, die sich dann darin äußert, auf Köstlichkeiten aus fernen Ländern zu verzichten. Weil’s angesichts der Tatsache, dass das eigene Mobiltelefon, der Computer, der Fernseher, das Mobiliar, die gesamte Garderobe, das Auto ja wohl auch nicht wirklich im Dorf nebenan gefertigt wurden, auch ein bisschen eine Augenauswischerei wäre.
Man kann natürlich den CO2-Fußabdruck permanent verkleinern, kann mit bewusstem Einkauf und Bevorzugung regionaler, saisonaler landwirtschaftlicher Produkte nicht nur Energie sparen, sondern auch hiesige Strukturen verbessern, und muss dabei überhaupt nicht an Lebensqualität einbüßen. Auf zartschmelzende Schokolade aus Venezuela oder Gewürze aus Indonesien des Transportweges wegen zu verzichten, wäre zwar radikal, aber nicht wirklich nachhaltig. Und vor allem der Beginn eines freudlosen Lebens.
Mehr zu diesem Thema findest du hier: http://fogs-lifestyle.com/need-startet-crowdinvesting/