Kann man dem Stoff aus Erdöl wirklich entsagen? Katharina Krcal hat den Selbstversuch auf Zeit gewagt: 7 Tage leben, lieben und arbeiten in der (fast) plastikfreien Zone.[upme_private]
Tag 1: Mission Impossible?
Mein Experiment beginnt. Eine Woche ohne Plastik – ob ich das aushalte? Klar, das wird kein Kindergeburtstag, aber eigentlich sollte es doch machbar sein, oder? Ach war ich naiv. Schon beim Aufstehen wird mir das ganze Ausmaß der Misere bewusst. Wie putzt man sich die Zähne ohne Plastik? (Schon mal eine Zahnbürste aus nachwachsenden Rohstoffen gesehen?). Wie checkt man seine Emails? (Laptops gibt’s leider auch noch nicht aus Holz oder Glas). Und wie soll ich mir im Winter die Haare föhnen (Haarfön = Plastik). Da mir ein Leben vollkommen ohne P*** schon nach fünf Minuten nahezu unmöglich scheint, beschließe ich meine Taktik zu ändern und für den Anfang einfach nichts mehr zu kaufen, was aus dem Stoff des Grauens besteht oder drin eingewickelt ist. Bereits gekaufte und gebrauchte Utensilien wie Vorratsdosen, Kosmetika und mein Handy lasse ich derweil doch noch gelten.
Tag 2: Plastik-Hölle Supermarkt
Mein Kühlschrank ist leer und mein Magen verlangt nach Essbarem. Ich schnappe mir also eine Leinentasche und marschiere misstrauisch zum nächsten Supermarkt. Um natürlich festzustellen, dass ich mir mein tolles Abendessen gleich mal abschminken kann. Schon mal lose Spaghetti gesehen? Käse, Milch oder Yoghurt im Glasbehältnis? Fehlanzeige. Getränke, Süßigkeiten, Müsli – Himmel Herrgott ich sehe überall nur noch Blister-Verpackungen und Folien. Meine Ausbeute an der Kassa ist dementsprechend gering. In meinem Leinensackerl landen ein halbes Kilo Brot und ein Dinkelkipferl, eingepackt in Papier, ein Viertel Butter und ein einsamer roter Paprika. Die schiere Verzweiflung lässt mich dann noch einen kleinen Umweg zum Türken machen. Da finde ich lose Zwiebeln, Kartoffeln, Fisolen und Minipaprika.
Tag 3: Arme, schwangere Rhesusäffchen
Mich hat’s erwischt und ich liege mit einer Erkältung im Bett. Man glaubt es kaum, aber auch das hat seine Vorteile. 1. Man kann nichts kaufen. Und 2. Ich habe genug Zeit zum Recherchieren. Zufällig stoße ich beim Zappen auf Servus TV auf eine Dokumentation über die Ausbeutung unserer Erde. Darin ist auch die Rede von fünf riesigen Plastikteppichen, die auf unseren Ozeanen schwimmen. Von der Zahnbürste über kleines Plastikspielzeug bis zum ordinären Sackerl sind natürlich alle Grausamkeiten versammelt. Welche Konsequenzen sich daraus für das ökologische Gleichgewicht und die Tierwelt ergeben, muss wohl nicht extra erwähnt werden. Dabei kommt es ja noch besser. Auf www.sueddeutsche.de entdecke ich einen Artikel über neue Erkenntnisse von US-Forschern, dass die bei der Plastikherstellung verwendete Chemikalie Bisphenol A trächtigen Rhesusaffen schadet und bei den ungeborenen Weibchen die Entwicklung von Eizellen beeinträchtigt. Die verwendeten Dosen an BPA entsprachen ungefähr den Mengen, die ein Mensch im Alltag aufnehmen kann. Na fein…
Tag 4: Ich bin ein Alien
Ein Tag im Bett bewirkt Wunder. Halbwegs fit und streitlustig wegen all der schockierenden News vom Vortag mache ich mich auf den Weg zum Einkaufen. Beim Karmelitermarkt erstehe ich Kohlsprossen, Äpfel und Weintrauben. Weil sich mein Liebster allerdings mit Grünzeug nicht zufrieden gibt und vehement nach Wurst und Käse verlangt, muss ich nochmal in den Supermarkt. Mit einer Tupper-Dose bewaffnet frage ich also an der Theke nach je 10dag Wienerwurst, Schinken und Gouda – aber bitte nicht eingepackt in Folie sonder da rein. Der arme, junge Bursch sieht mich an, als wäre ich eine Mischung aus Alien und Irrenanstalt-Ausbrecherin. Ja… so kann man sich unbeliebt machen. Als seine ältere Kollegin dann doch das O.K. gibt, macht mein Herz einen kleinen Freudensprung. Fazit: ich habe zwei Folien und eine Papierverpackung gespart. (Der Verkäufer verwendete nur eine beschichtete Folie zum Abwiegen).
Tag 5: Der Geist ist willig…
…aber ich trotzdem schwach geworden. Dabei wollte ich eigentlich bloß meine Schwester beim Shoppen begleiten. Am Anfang hatte ich meine Gelüste auch ganz gut im Griff. Allen Versuchungen habe ich stoisch widerstanden und nur im Reformhaus meine 70%ige Schokolade gekauft, während sie im Kaufrausch ein halbes Monatsgehalt für Schuhe und Kleider verbraten hat. Nach 2 Stunden Zurückhaltung war allerdings auch bei mir ein kritischer Punkt erreicht: meine Willenskraft hat sich selbst aufgebraucht. Schluss, aus, finito. Und bevor ich es richtig realisiert habe, taumle ich benommen mit mehreren Einkaufssackerln Richtung U-Bahn. Meine Opfer: hinreißende petrolfarbene Stiefeletten (da ist sicher irgendwo Plastik mit verarbeitet, zumindest im Absatz oder der Sohle), Unterwäsche mit Polyamid- und Elastananteil, Strumpfhosen und ein großer Gemüse-Obst-Smoothie im Einwegbecher. Liebe Umwelt, bitte vergib mir!
Tag 6: Das Bio-Sackerl
Es regnet und ich verbringe den Tag gemütlich alleine zuhause. Abends kommt mein Liebster von seiner Männerrunde zurück und hält mir ein Sackerl vom Heurigen mit duftendem Inhalt unter die Nase (mein Lieblingsweckerl!). Ich will schon losschreien und ihm Umweltverschmutzung und alle anderen Todsünden vorwerfen, was erspähe ich da? Das ordinäre Plastiksackerl scheint gar kein solches zu sein. Es steht nämlich drauf: „Bio Beutel. 100% kompostierbar, biologisch abbaubar und atmungsaktiv. Hergestellt aus nachwachsenden Rohstoffen.“ Mir fällt ein, dass ich schon mal ein vergleichbares Sackerl gesehen habe und recherchiere ein wenig im Internet. Tragetaschen aus nachwachsenden Rohstoffen wie Kartoffelstärke, Maistärke und Zuckerrohr gibt es teilweise schon seit Jahren. Sogar Milch und Molke lassen sich schon zu Kunststoffen verarbeiten. Kritiker ätzen natürlich, dass man dafür eine Menge Dünger, Ackerfläche, Pflanzenschutz und Energie braucht. Ich finde aber: Ein vernünftiger Umgang mit solchen Kunststoffen ist allemal besser, als Plastikmüll, der noch in 100 Jahren nicht verrottet ist.
Tag 7: Mein Resüme
Die Woche war hart. Und ich muss gestehen, ich bin fast ein bisschen froh, dass sie vorbei ist. Denn ein Leben ohne Plastik, egal ob aus Erdöl oder aus nachwachsenden Rohstoffen, ist im Moment definitiv unmöglich. Da muss man sich gar nichts vormachen. Aber: Man hat es dennoch selbst in der Hand, wieviel Müll man hinterlässt. Mein Vorsatz Nummer 1 lautet deswegen: Bei Lebensmitteln immer die lose Variante der abgepackten vorziehen, Korb oder Leinensackerl mitnehmen und sich mit Tupper-Dosen zum Affen machen. Vorsatz Nummer 2: Mich bei unnötigen kulinarischen Spontankäufen wie Smoothies im Plastikbecher oder Take Away-Sushi zurückhalten. Vorsatz Nummer 3: Auch bei Alltagsgegenständen lieber ein zweites Mal überlegen. Keiner braucht jedes Jahr ein neues Handy. Auch das zehnte Küchengerät und die zwanzigste schwarze Nylon-Strumpfhose sind entbehrlich. Ja, ich weiß, meine Schritte sind winzig (und manchmal werd auch ich schwach). Aber jeder fängt mal klein an, oder?
Mehr interessante Themen dazu hier: http://fogs-lifestyle.com/schoene-upcycling-vasen/
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