Fettig, trocken, Mischhaut – es ist ein recht kleines Spektrum, in das unsere Haut bei der Auswahl der richtigen Pflege passen soll. Lange griffen wir einfach zu dem, was der Beschaffenheit unserer Haut am nächsten kam. In Zeiten von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz verlangen nun aber immer mehr Menschen nach Produkten, die genau auf ihren Lifestyle abgestimmt sind – ob Trainingsplan, Netflix-Kategorie oder eben Pflegeprodukt. So gibt es bereits vegane Hautcremes, Kombiprodukte für Frauen in der Menopause, Seren mit Vitamin D und Blaulichtfilter für lange Office-Tage, und und und. Den möglichen Ansprüchen der Haut sind eben keine Grenzen gesetzt. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass wir unsere Bedürfnisse richtig einschätzen. Und dafür braucht es weit mehr, als eine oberflächliche Betrachtung.
Holistische Erfahrung
Im Kosmetikstudio FACEIT von Barbara Forcher wird man stets mit Namen begrüßt. Denn ihre Kundschaft kennt die Wienerin sehr gut, von der Beschaffenheit ihrer Haut bis hin zum privaten Lifestyle. Neue Gesichter lädt die ausgebildete Kosmetikerin und Ernährungspädagogin erst einmal zum persönlichen Beratungsgespräch ein: „Man kann bei mir nicht einfach ein Facial buchen – ich muss deine Haut davor genau kennenlernen. Erst kommt die Hautanalyse, dann schauen wir uns gemeinsam deine Pflegeroutine an. Wir machen eine Bestandsaufnahme und sehen, wo oder wie ich diese optimieren kann.“ Denn allzu oft verwenden wir unpassende Produkte, die nicht zu unseren Bedürfnissen passen oder sogar unnötig sind.
„Wenn ich dich und deine Haut kenne, ist natürlich alles möglich. Denn dann verwende ich genau die Produkte, die deine Haut braucht“, erklärt die Expertin. Ein modernes Tiefenhautanalysesystem veranschaulicht die unsichtbaren Schwachstellen der Haut. Bakterienbildung, Sonnenschäden oder mangelnde Reinigung beispielsweise. „Ich wähle dann die Substanzen, die gezielt korrigieren. Die Zusammensetzung ist immer eine Formel aus Antioxidantien, Hyaloronsäure zum Befeuchten und einem Lichtschutz. Die drei Pfeiler sollten in jeder Pflege stecken. Reinigung passt man individuell an.“
Bei Hautproblemen spielen viele Faktoren zusammen, wie z.B. Alter, Schlafroutine und Fitness. Expert:innen im Bereich personalisierte Skincare verbinden gesundheitlich-ästhetischer Behandlungen daher mit Ernährungsberatung, um längerfristige Ergebnisse zu erzielen.
Ist personalisierte Skincare nachhaltiger?
Die Massenproduktion von günstiger Kosmetik sorgt für unnötige Müllmassen. Durch den kleinen Preis, verwenden wir Produkte verschwenderischer, billige Füllstoffe wie Wasser machen diese außerdem unergiebiger. „Die Kosten sind natürlich eine Hemmschwelle“, meint Barbara Forcher dazu. „Für junge Kundschaft ist es nicht leicht, sich eine Behandlung in einem professionellen Institut zu leisten. Obwohl man dadurch auf lange Sicht spart. Denn entdeckt man die Wurzel des Problems, braucht es keine unnötigen Pflegeprodukte mehr. Die ewige Suche hat ein Ende.“ Die Expertin mischt daher individuelle Rezepturen aus der Apotheke an und arbeitet gerade an einer eigenen Produktlinie.
Frisch gemischt und individuell
Diese preisliche Hemmschwelle will das junge Label Skinmade etwas senken: Beim Termin zur Hautanalyse in ausgewählten Kosmetikstudios in Deutschland werden Biomarker (biologische Merkmale natürlicher oder krankhafter Prozesse im Körper) der Haut gemessen, um danach personalisierte Pflegeprodukte frisch zu produzieren. Das Hyperspektralmessgerät erfasst die Haut dabei über Licht bis in ihre Tiefen und misst Feuchtigkeit- und Fettgehalt an Stirn, Wange und Mundwinkel. Nach der fünfminütigen Messung erklärt ein:e Experte:in, was diese Werte bedeuten und erstellt eine Pflegeroutine, die die Hautbarriere optimal stärkt. Die Rezepturen entstanden in enger Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut und dem Siegel Dermatest. Wie oder ob ausgewählte Seren, Reinigungsöle oder Cremes duften sollen bzw. über die Textur bestimmt man selbst. Zwei Tage später hat man die Produkte im Postkasten.
Diagnose durch Algorithmus
Das gehypte Pariser Label IOMA arbeitet dagegen mit einem Algorithmus, der sich aus 2.300 Diagnosegeräten in Kosmetikstudios und Arztpraxen speist. Dieser sogenannte „Haut-Atlas“ soll personalisierte Skincare auch ohne physische Konsultation ermöglichen. Über eine Million Hautdiagnosen werden miteinander verglichen und mithilfe Künstlicher Intelligenz in eine Datenbank verwandelt, die sich stetig weiterentwickelt.
Aber auch Künstliche Intelligenz hat ihre natürlichen Grenzen. Mit Hautmessungen, die per App funktionieren, sollte man daher vorsichtig sein. Aus einem Foto können lediglich Pigmentierung und Porengröße abgelesen werden – zu wenig Daten, um daraus eine aussagekräftige Analyse treffen zu können, auch für eine KI. Tiefere Hautschichten werden nicht erfasst. Auch auf reine Fragebogenanalyse, wie sie die trendigen Face Gyms in ihren „Make It Bars“ in New York und London anbieten, unterscheiden sich kaum von konventioneller Drogerie-Hautpflege.
Das kann die Forschung des Labels Skinmade mit dem Fraunhofer-Institut bestätigen. Sechs Jahre lang ließ man Proband:innen ihren Hautzustand einschätzen, mit dem Ergebnis: die Einschätzung von 85 % der Befragten war völlig falsch. Dem stimmt auch Profi Barbara Forcher zu: „Nur professionelle Messgeräte können die Zelle analysieren und bestimmen, was dem Gewebe fehlt oder herausfinden, warum kollagene Fasern im Gewebe abgebaut werden. Ich glaube aber nicht, dass eine einzige Creme alles abdecken kann. Man braucht den richtigen Lifestyle und eventuell optimal abgestimmte Supplements.“ Darum gibt es Anbieter, die bei personalisierter Skincare noch einen Schritt weiter dorthin gehen, wo selbst das beste Hautanalysegerät nicht hinkommt – in unsere DNA.
Unsere Gene als Schlüssel für gesunde Haut
„Es kommt sogar bei Geschwisterstudien vor, dass Zwillinge nicht dieselbe Pflege vertragen. So individuell ist unsere Haut“, erklärt Beate Rothmund, Gründerin des Unternehmens Beyond DNA. „Ein Mann der 1,90m groß, Raucher und stets gestresst ist, braucht andere Nährstoffe als eine 60-jährige Frau, die aktiv ist und sich gesund ernährt. Noch dazu produzieren manche Menschen weniger Kollagen oder haben ein schwächeres Immunsystem. Das alles wird von der Genetik bestimmt.“ Diese gibt Auskunft über die Gesamtsituation der Haut: welche Lebensmittel Entzündungen fördern, was der Haut fehlt, wie sie auf bestimmte Wirkstoffe reagiert und welche Nährstoffe man schneller verstoffwechselt als der Durchschnitt.
Die Kombi aus Fragebogen und Wangenabstrich kann Erkenntnisse liefern, die man auch vom Blutbefund in der Arztpraxis nicht bekommt: „Vor allem bei Kassenärzt:innen bekommst du beinahe wortlos diese Auflistung und verstehst eigentlich gar nicht, was das alles bedeutet. Wir formulieren daher alle Ergebnisse leicht verständlich und senden es dir in Buchform. Diese hat dann für immer Gültigkeit, denn deine Gene verändern sich nicht mehr. In der DNA steckt also der Schlüssel für einen wirklich personalisierten Lebenswandel“, erklärt Beate Rothmund.
So eine Genanalyse legt weit mehr offen, als das biologische Alter der Haut. Sie gibt außerdem Auskunft darüber, was wir gut vertragen, was uns schadet und sogar, welche Sportart für uns ideal ist. Datenschutz ist das oberste Credo in diesem Bereich. Beyond DNA arbeitet mit österreichischen Labors zusammen, die diese verschlüsselten Daten sofort wieder vernichten.
Das Zusammenspiel von Innen und Außen
Zusätzlich zu ideal abgestimmten Supplements kann man sich danach für individuelle Seren entscheiden, die mit der eigenen Lieblingscreme kombiniert werden. Ähnlich wie im professionellen Kosmetikstudio, verändern sich auch die Produkte von Beyond DNA je nach Jahreszeit. Supplements enthalten ab Herbst beispielsweise automatisch Vitamin D, Cremes und Seren werden reichhaltiger. Bei Nachbestellung der Produkte kann man außerdem ein aktuelles Blutbild beilegen oder via Fragebogen von Veränderungen berichten. Nährstoffe und Seren werden dann individuell angepasst.
„Eine Kombination aus Innen und Außen wäre die ideale Lösung” so Rothmund. “Gentests sind für die Gesundheit von Innen zuständig, Hautärzt:innen und Kosmetikstudios sorgen dann dafür, dies von Außen zu optimieren.” Egal ob von Außen oder von Innen – personalisierte Skincare spart uns nicht nur langes Experimentieren mit Cremes und Co. Sie hat außerdem das Potenzial, uns mehr Achtsamkeit und Verständnis für unseren Körper zu lernen.