Scheinbar mitten ins Bergpanorama führt der spiegelglatte Infinity-Pool. Im warmen Whirlpool treibt man genüsslich dahin. Das Zeitgefühl darf jetzt ruhig mal Pause machen. Neben der Liege glitzert bereits der Aperol Spritz in der Sonne. Manchmal suchen wir genau solche Momente, nicht zuletzt als Auszeit vom stressigen Alltag. Das familiengeführte Santre Dolomythic Home in Brixen ist eines jener Hotels, die man bucht, wenn man in Entspannung und Luxus schwelgen möchte. In der Kategorie 4-Sterne-S zahlt man dafür einen stolzen Preis, will daher auch auf nichts verzichten. Als Mensch, der im Alltag sparsam mit Ressourcen umgeht und den ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich hält, beginnt man da mit sich zu hadern. Können Wellnesshotels denn überhaupt Maßnahmen setzen, die den Wasser- und Energieverbrauch ausgleichen? Und was kann man als Gast dafür tun? Wie nachhaltig Wellnesshotels überhaupt sein können, haben wir vor Ort herausgefunden. Evi Dissertori hat im Hotel die Direktionsassistenz inne und ist die treibende Kraft hinter Nachhaltigkeitsinitiativen. Mit uns spricht sie über das, was machbar ist, alles, was nicht perfekt ist und darüber, dass man Gäste erziehen muss.
FOGS: Die Wörter “nachhaltig” und “Wellnesshotel” passen für viele erstmal nicht zusammen. Welche Maßnahmen kann man setzen, um das zu ändern? Was sind die ersten Schritte?
Evi Dissertori: „Da das Haus vor vier Jahren erst gebaut wurde, konnte man bei der Architektur und Inneneinrichtung bereits auf Dinge wie Ressourcenschonung, Langlebigkeit und Energieeffizienz achten. Bauen an sich ist nie völlig nachhaltig, aber uns war wichtig, wenigsten heimische Lieferant:innen und Materialien zu verwenden. Im ganzen Haus steht bei uns nun Mülltrennung bzw. Müllreduzierung an erster Stelle. In den Zimmern vermeiden wir Plastik so gut es geht. Beispielsweise gibt es statt diesen kleinen Shampoo- und Duschgelfläschchen Seifenstücke, die man nach Gebrauch mit nach Hause nehmen kann. Der wichtigste Schritt ist aber, den Energieverbrauch im Haus zu überwachen.“
FOGS: Wie macht ihr das?
Evi Dissertori: „Wir arbeiten mit einer Firma zusammen, die einmal im Monat zu uns kommt und uns genau sagen kann, wieviel Energie wir wo verbrauchen. Von ihr bekommen wir dann auch Vorschläge, an welchen Stellen wir den Verbrauch noch weiter reduzieren können. So ein Energieüberwachungssystem gab’s von Anfang an. Wir haben außerdem 100% Ökostrom von den Stadtwerken Brixen.“
FOGS: In eurer Küche setzt ihr auf regionale Produkte, allerdings nicht ausschließlich. Muss man bei der Kulinarik in einem Hotel am meisten Kompromisse eingehen?
Evi Dissertori: „Definitiv. Unsere Gäste erwarten natürlich gewisse Standards. Und da gehören Dinge dazu wie ein Frühstücksbuffet, das auch im Winter umfangreich und besonders ist. Heimische Lieferant:innen und Regionalität ja, aber dennoch gibt es bei uns auch Früchte wie Bananen, Melonen oder Ananas oder manchmal Avocado im Abendmenü. Wir versuchen das an anderen Stellen wieder wettzumachen. Wenn Essen übrig bleibt, teilen wir das im ganzen Team auf. Es wird also auf keinen Fall etwas weggeschmissen. Es ist außerdem selbstverständlich, dass jeden Abend ein veganes Menü zur Auswahl steht.“
„Wir haben vor kurzem auch einen Newsletter an all unsere Lieferant:innen ausgesandt mit der Bitte, so viel wie möglich Verpackungen zu sparen und vor allem auf Plastik zu verzichten. Natürlich gibt es da entlang der gesamten Lieferkette gewisse Standards die man einhalten muss, aber was unnötig ist, würden wir gerne einsparen.“
FOGS: Wie in vielen anderen Hotels auch, fordert ihr die Gäste in den Zimmern dazu auf, Handtücher wiederzuverwenden.
Evi Dissertori: „Genau. Wir haben außerdem unser gesamtes Reinigungsmittel auf ökologische Produkte umgestellt. Dabei dachten wir eigentlich, das wäre von Anfang an so gewesen. Wir hatten nämlich Produkte, die eine gut sichtbare Plakette am Etikett hatten mit der Aufschrift „Eco Label“. Deshalb nahmen wir naturgemäß an, das sei ein umweltfreundliches Produkt. Der Begriff ist allerdings nicht geschützt und war in diesem Fall nur Green Washing. Erst die Beauftragten, die uns wegen unserer Öko-Zertifikate besuchten, klärten uns dahingehend auf. Jetzt arbeiten wir im ganzen Betrieb mit wirklich zertifiziert-umweltfreundlichen Wasch- und Reinigungsmitteln, die kostengünstig sind. Qualitativ merken wir dabei keinerlei Unterschied. Über unsere Hotel-App oder die kleine Konsole neben der Zimmertür kann man außerdem die Zimmerreinigung abbestellen. Das macht vor allem bei kurzen Aufenthalten Sinn.“
FOGS: Gerade bei Wellnesshotels mit großem Spa-Bereich kommt natürlich die Frage auf, wie man Wasser sparen kann. Geht das überhaupt?
Evi Dissertori: „Ja, aber nicht alle Öko-Lösungen halten, was sie versprechen. Wir testen z.B. gerade wassersparende Duschköpfe im Spa, von denen bin ich allerdings kein Fan. Dass der Wasserstrahl von alleine nach einer gewissen Zeit aufhört, mag für viele Leute wassersparend sein. Aber für diejenigen, wie mich selbst, die sowieso schon darauf achten, so wenig wie möglich zu verbrauchen, geht dieser Strahl viel zu lange. Durch Kleinigkeiten wie diese, sind nachhaltige Initiativen ein ständiger Prozess. Man kann erst während der Betriebsphase entscheiden, ob es wirklich etwas bringt.“
FOGS: Kann man noch an anderen Ecken Wasser sparen?
Evi Dissertori: „Als Alternative für einen Outdoor-Pool für den Sommer entschied man sich für einen Naturteich. Dessen Wasser muss weder gewechselt noch mit Chlor oder sonstigen Chemikalien behandelt werden. Er reinigt sich von selbst und viele Gäste lieben ihn. Im Winter nutzen wir den Teich zum Eisbaden. Als Wellnesshotel achten wir auf den Wasserverbrauch und nutzen z.B. auch das Regenwasser für die Pflanzen.“
FOGS: Muss man dieses Mindset auch den Mitarbeitenden von Wellnesshotels näherbringen?
Evi Dissertori: „Das Verständnis dafür ist von Mensch zu Mensch verschieden. Jene, die in der Natur aufgewachsen sind oder hier in der Gegend, haben Umweltschutz bereits im Blut. Für die anderen ist es noch nicht so und die muss man sensibilisieren. In unserem Mitarbeiterhandbuch sind daher Dinge wie energie- und müllsparende Maßnahmen gelistet. Die Kommunikation an die Mitarbeitenden aber auch an die Gäste ist essentiell.“
FOGS: Wie klappt das mit den Gästen?
Evi Dissertori: „Auf unserer Website als auch in den regelmäßigen Newslettern und Buchungsbestätigungen führen wir unsere größten Maßnahmen an und informieren so darüber, was man eigentlich alles machen kann. Auch im Spa-Bereich weisen wir darauf hin, achtsam mit Handtüchern umzugehen und zu überlegen, wie viel man wirklich braucht. Denn auch dieser Verbrauch ist in Wellnesshotels enorm. Der Gästefragebogen erklärt unsere bereits gesetzten Maßnahmen und gibt den Leuten gleichzeitig die Chance auf direktes Feedback: Was davon nimmt man als Gast tatsächlich wahr? Was sollen wir unbedingt noch ändern? Denn so bekommen wir sinnvolle Tipps und werden auf Themen hingewiesen, die wir vielleicht gar nicht sehen.“
FOGS: Wie wichtig ist das Thema Mobilität bei Wellnesshotels?
Evi Dissertori: „Wir wollen öffentliche Anreise fördern. Wenn Gäste per Zug zu uns kommen und nicht mit dem Auto, bekommen sie 5% Rabatt bei der Buchung. Der Bahnhof Brixen ist ja nur 15 Minuten Fahrt mit unserem Shuttle entfernt. Außerdem stehen zwei Elektrobusse zur Verfügung, die die Gäste jeden Tag zum Skilift bzw. ins Wandergebiet bringen. Hinzu kommen noch 10 Ladestationen für E-Autos. Das ist im Moment zwar noch großzügig, es werden aber mit jedem Jahr mehr Gäste, die mit Elektro-Fahrzeugen kommen.“
FOGS: Was überrascht dich immer wieder?
Evi Dissertori: „Wie viele Gäste sich nicht trauen, unser wunderbares Leitungswasser zu trinken. Deshalb informieren wir bereits vor dem Besuch darüber. Man soll sich für den Besuch gerne Trinkflaschen mitnehmen und unser Wasser nutzen. Sehr viele Gäste, die das von daheim aus nicht gewohnt sind, kaufen sich fürs Zimmer nämlich Plastikflaschen und erzeugen damit recht viel Müll. Für uns ist Trinkwasser aus dem Wasserhahn normal, aber eigentlich ist es der größte Luxus.“
FOGS: Gab es Entscheidungen, die viel Überlegung erforderten?
Evi Dissertori: „Tatsächlich war das die Frage, ob wir Minibars in den Zimmern brauchen oder nicht. Wir haben uns aber dafür entschieden. Der Grund ist, dass Gäste darin gerne auch private Sachen kühlen, wie z.B. Mitbringsel vom Wochenmarkt in Brixen oder Medikamente. Aber ich denke, auch das ist lediglich etwas, an das die Gäste bereits gewohnt sind. Wie schon erwähnt: In quasi jedem Hotel findet man heute den Hinweis, dass Bettwäsche und Handtücher nur auf expliziten Wunsch hin gewechselt werden. Das war zu einer Zeit auch etwas Neues, an dem sich manche Gäste gestoßen haben. Und heute ist es völlig normal und akzeptabel.“
FOGS: Gibt es noch etwas, das euch als ein Dorn im Auge ist?
Evi Dissertori: „Auf jeden Fall! Wir haben anfangs sehr viele Badeschuhe aus Plastik bestellt. Und es stellte sich heraus, dass sie die Gäste nicht unbedingt brauchen. Viele sind es schon gewohnt, ihre eigenen mitzunehmen, weil immer mehr Hotels mittlerweile darum bitten und sie nur noch auf Anfrage an der Rezeption erhältlich sind. Das ist noch ein gutes Beispiel, wie schnell man sich als Gast an nachhaltige Maßnahmen gewöhnt.“