Im Februar nutzte ich ein paar schneefreie Tage und durfte für eine Woche ein ziemlich hippes E-Bike testen: Den “Platzhirsch” von Urwahn.
E-Bike? Ich? So ein Motor im Rad ist doch was für Faule. Eines testen ist aber in Ordnung, dachte ich mir und freute mich riesig über das Angebot den “Platzhirsch” von Urwahn für ein paar Tage bei mir aufzunehmen.
Das erste Kennenlernen
Bevor ich richtig losrasen konnte, musste ich das Bike erst mal zusammenbauen. Pedale anschrauben, Sattel einrichten, Akku aufladen, Klingel anbringen. Das mit dem Akku war kein Problem, Pedale und Klingel hatte ich auch recht schnell dran. Aber wer hätte es gedacht, beim Sattel hatten mein Freund und ich so unsere Schwierigkeiten. Wir wollten ihn auf die niedrigste Stufe stellen. Leider zog mein Freund aber etwas zu fest an und der Sattel rastete nicht mehr richtig ein. „Was für eine Fehlkonstruktion“, schimpfte er. Dabei sei gesagt, mein Freund ist gelernter Fahrradmechaniker und hat eigentlich immer für alles eine Lösung. Diesmal war ich es aber, die die Lösung fand. Mit etwas Geschick rastete der Sattel wieder ein und ich konnte losfahren.
Die erste lange Tour
Der Platzhirsch ist kein Mountainbike, sondern eher eine Mischung aus Rennrad und gemütlichem Cruiser. Ich entscheid mich deshalb für eine ausgedehnte Seetour, bei der man mit nur wenigen Anstiegen überwiegend geradeaus fährt. Ein bisschen aufgeregt war ich schon, immerhin musste ich mich nicht nur auf mein Können, sondern auch auf die Technik verlassen. Das Besondere am Platzhirsch ist, dass man nicht schalten muss. Die Kette ist auch keine klassische mit Gangschaltung, sondern ein Carbon Zahnriemensystem. Das Bike war während der Fahrt unglaublich leise. Quasi wie ein E-Auto mit Automatik. Ich fuhr nur einige kleine Hügel bergauf, musste dabei aber ganz schön in die Pedale treten. Auf der Ebene macht es aber richtig Spaß, ganz ohne viel Mühe so viel Gas zu geben.
Die Akkuleistung
Ich fuhr circa 50 Kilometer bis zum See. Laut Hersteller fährt der Platzhirsch bei voller Ladung rund 80 Kilometer, ganz nach Hause würde der volle Akku also nicht reichen. Ich beschloss daher, so weit zu fahren wie es ging und den Rest des Heimweges mit dem Zug zurückzulegen. Bei etwa 70 Kilometer merkte ich, dass die Leistung nachließ. Da die Straße aber nur geradeaus ging, war es kein Problem, mit weniger Power zu fahren. Einen Unterschied merkte ich allerdings schon. Kein Wunder, mit voller Akkuladung fühlte es sich an, als würde ich nur noch über den Asphalt fliegen. Die letzten 25 Kilometer fuhr ich dann doch mit dem Zug. Das Bike ist mit 14 Kilogramm zum Glück trotz E-Motor echt leicht und so konnte ich es ohne Mühe in den Zug heben.
Schick auf der Straße
Zum schlichten Look des Rades gehört das dezent verbaute Licht in der Sattelstütze und das Frontlicht am Lenker. Selbst wenn es ganz dunkel ist, reicht das integrierte Licht vollkommen aus. Mit im Set sind Reflektoren, die man an den Speichen befestigt. So fährt man zu 100 Prozent sicher auf der Straße. Optisch ist das Rad auf jeden Fall besonders. Das fiel nicht nur mir auf, sondern auch meinem Umfeld. Aussagen wie „Was ist das denn für ein geiles Bike!“, hörte ich in diesen Tagen öfter. Neben dem verbauten Akku im immer noch sehr schlanken Rahmen sind auch alle Kabel im Rahmen verbaut. Das Bike lädt man direkt am Rahmen über eine Art Steckdose auf. Einen Zusatzakku kann man am Getränkehalter anbringen. Wer mag, kann sich die Daten zur Strecke, Geschwindigkeit und zurückgelegten Kilometern via App am Smartphone anzeigen lassen. Das habe ich allerdings nicht ausprobiert.
Ziemlich komfortabel für Flachland und Stadt
Ganz schön bequem und ganz schön stylish, dieser Platzhirsch. Die Bedienung ist kinderleicht, den Motor schalte ich nur mit einem längeren Klick auf einem Gerät am Lenker an. Die Farben Grün, Gelb und Rot zeigen mir die Akkuleistung an. Trotzdem kommt er für mich persönlich nicht infrage. Denn der Platzhirsch ist eher etwas für Flachlandradler. Bergauf fordert einen das gute Stück ganz schön, selbst mit vollem Akku und bei der höchsten der drei Unterstützungsstufen. Da fahre ich mit meinem Mountainbike weitaus geschmeidiger den Berg hinauf, ganz ohne Motorunterstützung. Das liegt vermutlich auch daran, dass ich dort die Gänge einstellen kann. Die Platzhirsch-Variante mit 11-Gang-Kettenschaltung würde rund 500 Euro mehr kosten. Dass das Rad keine Federung besitzt, bemerke ich kaum. Definitiv ein Pluspunkt, der sich natürlich auch im Gewicht zeigt.
Fazit
Optisch ist das Bike eine Granate. Würde ich am Flachland leben, käme es sicher zum Einsatz. Ich wohne allerdings in den bayerischen Alpen und da gibt es quasi keine flache Straße. Hier fahre ich mit meinem normalen Mountainbike weitaus komfortabler. Die letzten Meter zum Haus musste ich nämlich immer schieben, auch mit vollem Akku. Wer aber ein technisch und optisch ganz besonderes Bike für das Flachland oder die Stadt sucht, für den/die ist der Platzhirsch von Urwahn ziemlich perfekt.
Urwahn
Der Stahlrahmen wird vollständig in Deutschland gefertigt. Die Bikes entstehen erst auf Nachfrage, sodass keine Überproduktion entsteht. Die Bikes werden in der Nähe des Unternehmenssitzes in Magdeburg final zusammengebaut. Dabei legt das Unternehmen auch Wert auf Individualismus. Extrawünsche sind also kein Problem, kosten aber. Allerdings ist der Preis teilweise verhandelbar. Vor allem beim Zubehör lassen die Hersteller mit sich reden.
Urwahn Platzhirsch circa € 4.500,–