Sommersprossen mit viel Make-up überschminken? Das war gestern. Verantwortlich dafür, dass die kleinen Pigmentflecken nun sogar als begehrenswert gelten, ist nicht zuletzt Social Media. Im Jahr 2019 erfreuten sich auf Snapchat und Instagram plötzlich Filter mit großen Augen, rosigen Wangen und sichtbaren Sommersprossen großer Beliebtheit. Die Mischung aus Natürlichkeit und süßem Kindchenschema wurde vor allem bei jungen Frauen so beliebt, dass man die Sonnenflecken bald ebenso im echten Leben haben wollte, auch ohne Veranlagung dafür. Ein großer Wendepunkt, denn über Jahrhunderte war genau das Gegenteil das vorherrschende Schönheitsideal.
Das Zeichen des Teufels
Sommersprossen hatten schon immer einen schlechten Ruf, schreibt Autorin Susan Stewart in ihrem Buch „Painted Faces: A Colourful History of Cosmetics“. Im 17. Jahrhundert, so stellt sie fest, galten sie als Zeichen des Teufels. „Seit jeher haben die Menschen versucht, ihre Sommersprossen loszuwerden. Schon aus mittelalterlichen arabischen Texten geht hervor, dass Bittermandelöl verwendet wurde, um Pigmentierungen aufzuhellen.“ Autorin Jane Austen erwähnt in ihrem Roman „Persuasion“ von 1817 sogar Gowland’s Lotion, eine damals beliebte, ätzende Gesichtscreme, als Mittel gegen unschöne Sommersprossen.
Um 1900 herum wurde makellose „Alabasterhaut“ dann vollends verklärt. Die „noble Blässe“ sollte die oberen Gesellschaftsschichten von den Arbeitenden unterscheiden. Bis zum ersten Weltkrieg stellte helle Haut Reichtum dar, die vom Wetter gezeichnete Haut der arbeitenden Bevölkerung dagegen wurde mit niedrigem gesellschaftlichen Status verbunden. Diese Ansicht brannte sich tief in das Bewusstsein der Menschen ein. Dass nicht-weiße Haut mit rassistischer Abwertung einhergeht, hält sich schließlich bis heute. Nicht nur das weiße Make-up stellte aufgrund giftiger Inhaltsstoffe wie Arsen und Blei ein Gesundheitsrisiko dar, auch die genutzten Bleichmittel waren extrem hautschädigend. Bleiweiß führte gar zu Zahnausfall, Gliederlähmung oder Erblindung. Die teils giftige und umweltschädliche Rezeptur dieser hautbleichenden Mittel hat sich bis heute nicht geändert: Millionen Menschen nutzen täglich legale, aber auch illegale Hautaufheller, um den dominierenden Schönheitsideal von weißer Haut näher zu kommen.
Kreieren statt kaschieren
Über zweihundert Jahre später sind zumindest Sommersprossen kein Makel mehr. Die Make-up-Industrie produziert derzeit sichtbar mehr Produkte, um Sommersprossen zu kreieren, statt sie zu kaschieren. Kosmetikstudios in Metropolen rund um den Globus erweitern ihr Angebot um semi-permanente falsche Sommersprossen. Diese tätowiert man in einer Technik ähnlich dem Microblading von Augenbrauen auf die Haut. Das Ergebnis hält bis zu drei Jahre, bevor es langsam verblasst. Durchschnittlich dauert so eine Prozedur eine Stunde und kostet bis zu 300 Euro.
Da dieser Schritt für viele etwas zu drastisch ist, boomen Techniken auf Social Media, mit denen man sich die kleinen Sonnenpunkte einfach mit Make-up aufmalen kann. Meist passiert das mit passenden wasserfesten Augenbrauenstiften oder Eyelinern. Beauty-Influencerin @bambidoesbeauty verzeichnet ihre höchsten Klickzahlen unter Anleitungen für ihre „Signature Freckles“, die sie mit einem breiten Pinsel und Selbstbräuner zaubert.
Die Beauty-Industrie wäre aber nicht die Beauty-Industrie, wenn sie nicht auch bereits unzählige Produkte auf den Markt brächte, die eigens nur für diesen Zweck konzipiert wurden. Freck nennt sich beispielsweise das selbsternannte Original-Sommersprossen-Produkt, das bereits 2017 eingeführt wurde und sich mittlerweile zum bekanntesten Namen in diesem Bereich entwickelte. 2021 kam dann der Ritterschlang: die Aufnahme in die Filialen von Sephora. „Freckle Maker“ oder „Freckle Stamps“ verschiedener Marken sind mittlerweile ebenfalls im Sortiment der bekannten Kosmetikkette. Kosten: zwischen 10 und 50 Euro.
Beauty-Trend falsche Sommersprossen
Das wachsende Bewusstsein für die Folgen von Sonneneinstrahlung könnten ebenso einen Aufschwung der falschen Sommersprossen bewirkt haben. Gemeinsam mit Selbstbräunern wächst dieser Markt seit 2021 stetig. Denn sie ermöglichen ein sonnengeküsstes Aussehen, ohne die schädliche Wirkung von UV-Strahlen und bis in den Winter hinein ein Gefühl von Sommer auf der Haut.
Auch in der Modeindustrie zeigen sich Auswirkungen dieses Trends: Wurden Models noch in den 1990er und 2000ern nicht gebucht, wenn zu viele Sommersprossen ihr Gesicht bedeckten, sind diese heute ein willkommenes Wiedererkennungsmerkmal. Sie verkörpern nicht zuletzt auch eine natürliche Ästhetik und bringen Diversität in die Modewelt. Models wie Adwoa Aboah und Jing Wen tragen ihre Sommersprossen mit Stolz und Selbstbewusstsein und bewirken damit vermutlich mehr, als es den Anschein hat. Als letztere nämlich vor einigen Jahren für eine Modekampagne öffentlich wegen ihrer Sommersprossen diskriminiert wurde, löste das eine Welle an Solidarität auf Social Media aus. User:innen wehrten sich eindringlich, diese normale Sache als Makel anzusehen und begannen, sie stattdessen gleich noch mehr zu zelebrieren – und lösten damit sogar eine Diskussion über veraltete Schönheitsideale in Jings Heimatland China aus.
Das Geschäft mit der Schönheit
Sommersprossen haben sich in relativ kurzer Zeit vom Makel zu einem akzeptablen Merkmal und nun zu einer boomenden Kosmetiksparte entwickelt. Das liegt zum Teil daran, dass sich die Einstellung zum Körper, zur Haut und zu bestimmten “Fehlern” geändert hat. Natürliche, gesunde Haut hat sich erstmals über die reine Ästhetik gestellt und das soll auch so bleiben. Auch die Autorin dieser Zeilen hat ihre Sommersprossen in den letzten Jahren lieben gelernt, was definitiv auch damit zu tun hat, dass diese mittlerweile sogar als begehrenswert gelten. Was sich aber nicht verändert hat, ist, dass die Kosmetikindustrie auch weiterhin entscheidet und bestimmt, was schön ist – und aus dem Wunsch der Verbraucher:innen, dazuzugehören, eine Menge Geld macht.