Italien ist für viele das Land des Genusses. Zurecht, denn nirgends sonst hat gutes Essen so einen hohen Stellenwert. Unser Green Travel Guide allerdings beweist, dass es nicht immer nur Fleisch sein muss: Vom vegetarischen Kochkurs bis hin zu edlen Tropfen vom Bio-Weingut hält der Norden Italiens für alle etwas bereit, die möglichst achtsam schlemmen wollen. Benvenuto in den Genussregionen Piemont und Emilia Romagna!
Die Seele baumeln lassen in Pavia
Kommt man aus dem lebendigen Mailand in die etwa 45 Minuten Autofahrt entfernte Stadt Pavia, ist es wie ein leichtes Aufatmen. Der laute Stadtverkehr wird plötzlich leiser, die Menschenmassen fehlen und das langsamere Italien, wie es in vielen Köpfen existiert, rückt ein wenig näher. Die Stadt ist bekannt für mittelalterliche Architektur sowie ihre Universität. Allen voran ist das weniger bekannte Pavia aber perfekt geeignet, um langsam und entspannt durch die schattigen, kopfsteingepflasterten Gassen zu schlendern. Die Kamera sollte man dabei stets gezückt haben, denn schöne Ausblicke gibt es an jeder Ecke.
Das süße, mit Sahne gefüllte Gebäck Maritozzi im Café Fratellino (Mitte) kann man teilen, muss man aber nicht.
Wer ein hippes Café mit ausgezeichneter Patisserie sucht, ist im Café Fratellino gut aufgehoben (probiert unbedingt auch das frische Focaccia!). Im Bordoni Bistro genießt man den Lunch in pastelliger Wes-Anderson-Atmosphäre. Und für einen gelungenen Aperitivo geht man am besten dorthin, wo sich auch die Einheimischen gerne versammeln: Ins kleine Lokal Mami, direkt neben der Universität. Tipp vor der Weiterfahrt: Das wunderschöne gotische Kloster Certosa di Pavia etwas außerhalb der Stadt ist ebenfalls einen Besuch wert.
Piemont – Hochgenuss inmitten sanfter Hügel
Der Weg führt weiter südwestlich ins Piemont. Die Region im Nordwesten Italiens ist noch nicht so touristisch überrannt, vielfältig zeigt sich auch die Landschaft: Von den Gipfeln der Alpen bis zu den Weinbergen der Langhe gibt es sowohl kleine charmante Bergdörfer als auch Schlösser, Burgen und Weingüter zu entdecken. Hier wurzeln außerdem unzählige weltbekannte Delikatessen: Die weißen Trüffel aus Alba gelten beispielsweise als die besten der Welt. Im Herbst laden Trüffelmärkte zur Verkostung ein – mit vernünftigen Preisen. Im Sommer dagegen sind die duftenden Lavendelfelder in Sale San Giovanni einen Besuch wert. Oder La Morra, ein malerisches Städtchen hoch oben auf einem Hügel samt Postkartenaussicht. Oder Pollenzo, wo in einem Landgut aus dem 19. Jahrhundert heute die von der Slow Food Bewegung betriebene Università di Scienze Gastronomiche untergebracht ist.
Mitten in diesem Gourmetgebiet, genauer gesagt in der Weinregion Monferrato, erfüllte sich das Deutsche Paar Alexa und Markus einen Traum: Sie schufen mit ihrem Relais Almaranto eine Ruheoase für Foodies, die lieber abseits touristischer Pfade reisen.
Kochkurs a la italiana
Regelmäßig gibt Profi Alexa hier Kurse in der liebevoll ausgestatteten Kochschule. Möglich ist das auch rein vegetarisch oder glutenfrei. Mit umweltbewusstem Mindset achtet man hier auf Müllvermeidung und Recycling und arbeitete stets an energiesparenden Konzepten am gesamten Areal. Hündin Alma – definitiv die wahre Chefin des Hauses – führt Ankömmlinge gewissenhaft durchs Hotel. Hier gibt es viel zu sehen, denn das Almaranto fügte sich mit modernem aber sehr heimeligem Landhausstil perfekt in die alten Gemäuer des ehemaligen Weinguts ein. Platz fand neben der Kochschule und dem Bistro Anima auch das Gourmetrestaurant Adagio. Beide werden übrigens auch vegetarische Gäste glücklich machen.
Wie ein kleiner Dorfplatz samt Café wirkt der gemütliche Innenhof des Almaranto. Bei Schlechtwetter warten die Kochschule (Mitte) als auch Alexas umfangreiche Kochbuch-Bibliothek (rechts).
Auch, wenn man glaubt italienisches Essen zu kennen, stößt man im Piemont immer wieder auf Überraschungen. Regionalität und Wertschätzung fürs Produkt sind hier besonders wichtig. So auch für die Almaranto-Chefin und leidenschaftliche Köchin Alexa: „Viele wissen z.B. nicht, dass Piemont der größte Reisproduzent Europas ist. Vercelli ist quasi unsere Reishauptstadt. Im Adagio kochen wir mit einer besonders alten Sorte. Spannend ist außerdem der sogenannte Reserva-Reis, den man genauso wie Wein lagert, damit der Geschmack intensiver wird.“ Sofort ins Auge fallen auch die vielen Haselnusssträucher, die sich hier mit den Weinreben abwechseln. „Piemontesische Haselnüsse sind einzigartig knackig und aromatisch“, schwärmt Alexa. „Wir kochen daher gerne weißes Risotto mit dem Käse Castelmagno und gerösteten Haselnüssen.“ Ein Muss für Vegetarier ist laut Alexa außerdem das beliebte Streetfood Farinata. “Der Teig besteht aus Kichererbsen, die ebenfalls hier in Italien angebaut werden. Serviert wird der Fladen eigentlich nur mit ein bisschen gemahlenen Pfeffer, aber unser Koch garniert ihn mit Blauschimmelkäse oder gebratenem, saisonalen Gemüse – ein Genuss!“
Edle Tropfen und echtes Handwerk
In der UNESCO-Weinregion Monferrato wird eine beeindruckende Vielfalt an Weinen produziert, von kräftigen Rotweinen wie Barbera und Grignolino bis hin zu feinen Weißweinen wie Cortese. Besonders berühmt ist die Region für ihren Asti Spumante und Moscato d’Asti, die für ihre spritzige Süße und Leichtigkeit geschätzt werden. Keine Ahnung von Wein? Kein Problem, denn es gibt viele Erlebnisse, die sogar Nicht-Weintrinker:innen begeistern werden.
Für eine Besichtigung der riesigen Kellergewölbe von Contratto (links, Mitte) samt einer Schaumweinverkostung oder eine sympathische Einführung ins Weinhandwerk bei Il Sogno (rechts) muss man kein Weinprofi sein – es wird auch so faszinieren.
Das Weingut Contratto z.B. ist ein Ort, an dem Tradition und Geschichte greifbar werden. Gegründet im Jahr 1867, zählt es zu den ältesten Schaumweinproduzenten Italiens und hat sich auf die Herstellung von Weinen nach der klassischen Flaschengärung, dem Metodo Classico, spezialisiert. Die historischen Keller, tief in den Tuffstein gegraben, sind UNESCO-Weltkulturerbe und wirken wie unterirdische Kathedralen, in denen Tausende von Flaschen lagern und langsam reifen.
Wer es lieber handwerklich und intim hat, besucht Rudi Längauer in seinem kleinen Weingut Il Sogno. Der Österreicher zog in seiner Rente nach Italien und beschloss, seiner Leidenschaft für Wein endlich nachzugehen. Das Wissen und die Techniken brachte er sich kurzerhand selbst bei. Das merkt man auch beim Gespräch und dem herzlichen Tasting, das man beim sympathischen Österreicher buchen kann. Handwerk trifft echte Leidenschaft – typisch für die Region Piemont.
Die Emilia Romagna – der Bauch Italiens
Im Piemont könnte man noch ohne Ende weiter schlemmen und in die unterschiedlichsten Landschaften vom Hochgebirge bis ans Meer eintauchen. Aber der Weg führt uns weiter gen Osten, entlang der wohl berühmtesten Kulinarikstraßen Europas: der Emilia Romagna. Schlägt man seine Zelte im Relais Roncolo 1888 auf, hat man die perfekte Ausgangslage um Tagesausflüge in die Foodie-Metropolen der Region zu unternehmen. Hier kommt bereits bei der Ankunft pures Italien-Feeling auf: Man passiert eine Allee von schlanken Zypressen, fährt langsam den leichten Hügel ins Grüne hinauf, vorbei an Weinreben und einem ruhigen Teich. Dass einem hier Feldhasen oder andere Waldtiere begegnen, ist keine Seltenheit. Oben angekommen, taucht man ein in eine andere Zeit. Denn das alte, mit viel Fingerspitzengefühl restaurierte Anwesen lässt sich bis ins frühe 16. Jahrhundert zurückdatieren und war einst Zuhause mehrerer Adelsfamilien.
Geschichtsträchtiges Erbe und modernes Design verschmelzen im Relais Roncolo 1888 auf besonders schöne Art. Dafür sorgte Hotelchefin Julia höchstpersönlich.
Heute haben die Österreicherin Julia Prestia und ihr sizilianischer Ehemann Giuseppe das 130 Hektar große Anwesen zu einem biozertifizierten Weingut samt modernem Boutiquehotel umgestaltet. Ohne Vorkenntnisse keltern die beiden als Quereinsteiger nun eine neue Generation von Bio-Lambrusco und stellen den hochwertigen Aceto Balsamico Tradizionale di Reggio Emilia her. Eine Führung mit anschließender Verkostung dieser besonders lang gereiften Essige ist ein wahrer Augenöffner! Tipp für Fans der pflanzlichen Küche: Im hoteleigenen Restaurant Limonaia wird nicht nur ein atemberaubender Blick über das grüne Tal serviert, sondern auch ein vorzügliches veganes Menü, das bestimmt keinerlei Wünsche offenlässt.
Hat man keine Zeit zu verweilen, lohnt sich ein kurzer Besuch im Relais Roncolo 1888 alleine schon für eine Weinverkostung oder eine Besichtigung der Balsamico-Produktion.
Die Qual der Wahl
Parma, Reggio Emilia und Modena – hier wurzelt alles, was Menschen weltweit mit Italien verbinden. Parma Schinken, Parmesan, Balsamico Essig, Mortadella oder der Rotwein Lambrusco. Kein Wunder, dass man hier quasi endlos schlemmen kann. Man sollte nur beachten, dass viele Geschäfte und Büros eine Mittagspause einhalten, die als “riposo” oder “pausa pranzo” bekannt ist. Diese dauert in der Regel von ca. 13:00 bis 16:00 Uhr. Während dieser Zeit schließen viele kleinere Geschäfte und Lokale. Restaurants öffnen meist erst wieder ab 19:00 Uhr. Wie gut, dass man in der Zwischenzeit die wunderschöne, alte Architektur dieser Städte erkunden kann. Besonders viel Charme und ein Gefühl wie in alten Italien-Filmen versprüht dabei Reggio Emilia.
Beim Besuch von Reggio Emilia sollte man nicht zu viel planen, sondern einfach durch die alten, schattigen Gassen schlendern. Zu sehen – und essen – gibt es hier ohnehin genug.
Perfekter Ausgangspunkt für einen entspannten Stadtspaziergang ist die Piazza San Prospero mit ihren pittoresken Bauten, Brunnen und Fassaden. Hier findet mehrmals die Woche ein Markt mit Streetfood und Handwerk statt. Das Café Pappare ist ideal gelegen, um sich einen Caffè zu gönnen, zu verweilen und das Treiben auf der kleinen Piazza davor zu beobachten. Übrigens auch ein heißer Tipp für Veganerinnen. Auch im Restaurant Herbe kann man vorzüglich pflanzlich-italienisch essen. Wer Negronis liebt, sollte dagegen dem Restaurant Macramè einen Besuch abstatten. Regionale Produkte und Souvenirs, plastikfrei und bio shoppt man im Store AlterEco.
Beim Thema Essen hat man in Reggio Emilia die Qual der Wahl. Das coole Lokal Pappare (Mitte) bietet auch Veganer:innen eine feine Auswahl.
Ciao, Italia!
Von hier aus könnte es beinahe endlos weitergehen. Immer der Nase entlang, auf der Suche nach köstlichen Aromen und Düften. Nach Bologna beispielsweise, dem Geburtsort der Bolognese-Soße und der Tortellini. Ins wunderschöne Ferrara oder Ravenna mit all ihren Marmorbauten. Ins kleine, bunte Dozza, wo Graffiti-Artist sich austoben dürfen. Bis ins östliche Rimini, dem mondänen Badeort mit bewegter Geschichte, wo die berühmte Emilia Romagna bildlich gesprochen ins Adriatische Meer übergeht.
Fotos: © Jenni Koutni
Im Teil 2 der Bella Italia Green Travel Guide Serie entdeckst Du Highlights der Toskana.