Beim Skitourengehen im Kleinwalsertal steht die große Natur des kleinen Tals im Mittelpunkt – mit durchdachter Lenkung im Sinne des Naturschutzes und moderner Infrastruktur
Gottesacker – der Name ist am ersten Tag unserer Skitourenreise im Kleinwalsertal Programm. Malerisch liegt die weite Weiße in sanften Wellen vor uns. Auch generell vermittelt das kleine Tal den Anschein von Ruhe und ab vom Schuss zu sein. Vielleicht auch, weil es eine Sackgasse ist. Doch der Schein trügt, denn das kleine Tal mit seinen umliegenden Gipfeln ist neben dem Skigebiet Oberstdorf-Kleinwalsertal ein großartiges Skitourengebiet. Ins Tal kommt man nur vom Allgäu aus. Nach Vorarlberg, etwa nach Warth zu den Anfängen des Skilaufs in den Alpen nur auf den Spuren von Pfarrer Braun, nämlich auf Tourenski oder im Sommer zu Fuß.


Aber zurück zu unserer Tour: Kurz zuvor hatten wir die mit Lift-Unterstützung den markanten Felsriegel des Hohen Ifens links liegen gelassen und sind von der Bergstation einige Meter in Richtung Hahnenköpfle gestapft. Von hier fahren wir auf der Rückseite ab um dann übers Gottesackerplatteau in Richtung einer unbenannten Spitze wieder aufzusteigen. Die Wolken bewegen sich schneller als wir, immer wieder spitzeln einzelne Sonnenstrahlen durch und fallen auf die weitläufige Karstfläche, die sich unter der Schneedecke nur erahnen lässt.
Das Wetter wirkt ähnlich mystisch wie die Landschaft und Bergführer Uli Ernst kennt sämtliche Geschichten über das sagenumwobene Gebiet, das mit dem berühmten »Hölloch«, einer rund 13 kilometerlangen Höhle, und weiteren tiefen Spalten und Löchern im Sommer eine wüstenhafte Felslandschaft bildet, in der bei schlechtem Wetter auch schon Wanderer verschwunden sind. Obwohl die Schneedecke dicht ist, halte ich mich sicherheitshalber dennoch recht genau an die Spuren, die unser Bergführer in den pulvrigen Schnee vorlegt.



Natur bewusst erleben
Bei unserer Abfahrt ins Mahdtal kommen wir an spezieller Beschilderung für Skitourengehende vorbei. Sie zeigt die Schongebiete und mögliche Abfahrtsrouten. »Hier wo wir unterwegs sind, wurde die Abfahrtsroute zum Beispiel angepasst,« erklärt Stefan Jocham, der im Tal für das Projekt »Natur bewusst erleben« zuständig ist. Wo vorher die Abfahrtsroute verlief, ist mittlerweile Schongebiet.
In der Pandemie war das Tal bei Skitourengehenden besonders beliebt, hat man sich vor Ort Gedanken gemacht, wie naturverträglicher Tourismus heute stattfinden kann. Daraus ist das Projekt entstanden, bei dem von Jägern, über Bergbauern und Landbesitzern bis hin zur Liftgesellschaft unterschiedliche Interessenvertreter an einen Tisch gebracht wurden um gemeinschaftlich an Lösungen zu arbeiten. Die Schilder zur schonenden Wegfindung sind eine Folge. An den Wochenenden sind Ranger im Einsatz um zu sensibilisieren, zu lenken und aufzuklären. Auch um zu vermeiden, dass Wintersportler*innen in sensible Schongebiete einfahren und Wildtiere unnötig aufschrecken.
Erfahrene Tourengehende finden auf den Seiten des Tourismusverbands ausgewiesene Touren im Sinne von »Natur bewusst erleben«. Die Tourensuche bietet hier Routen von verschiedenen Startpunkten und für unterschiedliche Level – alle aber mit Rücksicht auf das empfindliche Gleichgewicht des alpinen Ökosystems.
Elvis lebt im Kleinwalsertal
Dass Naturverträglichkeit wiederum keine Sackgasse im Hinblick auf den Tourismus sein muss, zeigen nicht nur Projekte, sondern auch Gastronomie, Kulinarik und Veranstaltungen. »Die Natur ist ja Lebensgrundlage für viele hier im Tal. Entsprechend sind fortschrittliche Konzepte auch etwas, das sich verschiedene Betriebe schon seit einigen Jahren erfolgreich auf die Fahne schreiben«, erklärt Tourismus-Vorständin Justina Rokita.
So fand im Sommer das »Footprint Festival«zum Thema Naturvermittlung mit einer Reihe von Vorträgen statt und auch im Winter werden Angebote gemacht, die sowohl die Bevölkerung der Region aber auch die Gäste nachhaltig zusammenbringen.
Auch was Unterkünfte und Kulinarik betrifft, finden sich im Tal moderne, nachhaltige Ansätze. Etwa in der »Walserstuba«, die 2025 auch mit einem grünen Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. Hier fühlt sich auch Elvis wohl. Allerdings nicht als King of Rock’n’Roll, sondern im Schweinestall. DerZuchteber von Inhaber Jeremias Riezler trägt den gleichen Namen wie die Musiklegende und ist selbst teil eines Vermächtnisses: zum Fortbestand der Alpenschweine, die vor rund 100 Jahren von fremdem Leistungsrassen verdrängt wurden, aber hier hinterm Haus gezüchtet werden.




Auch das Chesa Valisa, in dem wir übernachten, steht als Naturhotel für Tourismus im Einklang mit der Natur. Das klimaneutrale Vier-Sterne Refugium in Hirschegg liegt oberhalb der Ortschaft am Hang, man kann direkt in die Ski einsteigen und abfahren. Die Straße zum Haus kreuzt außerdem eine Skipiste. Das Haus ist familiengeführt, seit 14 Generationen leben die Kesslers dort.
Ein bisschen Indien in den Alpen
Neben den heimischen Einflüssen findet man bei genauerem Hinsehen im Chesa Valisa aber auch noch andere – etwa bei der ayurvedischen Konstitutionsanalyse, die neben anderen Behandlungen und Kuren im einladenden Spa-Bereich des Hotels angeboten wird.
Ayurveda-Arzt Dr. Dinu begutachtet dabei meine Zunge, Augen, Hände, Füße und ertastet mehrmals meinen Puls. Neben einem Fragebogen stellt er viele Fragen: Süß oder salzig? Erinnere ich mich an Träume? Wie tief schlafe ich? Dann das Ergebnis: Vata-Pitta – Luft und Feuer. Eine angepasste Ernährung soll das Gleichgewicht fördern, und einige Tipps folgen sofort. Spannend, denn viele meiner Lieblingslebensmittel stehen auf der Pro-Seite, während andere, die ich nie mochte – rotes Fleisch, dunkle Schokolade – eher zu meiden sind. Suppige Mahlzeiten statt trockener? Gekauft! Nur auf Kaffee verzichten? »Kaffee ist eigentlich für niemand gut, genauso wie Alkohol«, meint Dr. Dinu. »Also die Dosis macht das Gift?«, hake ich nach. Ein leichtes Kopfneigen, ein Lächeln – das werte ich als Ja.



Ab in die Stille
An unserem zweiten Tag Skitour herrscht schlechte Sicht und leichtes Schneetreiben, als wir diesmal am Walmendinger Horn, aber wieder aus dem Skigebiet starten. Und auch hier sind wir schon bald in einer stillen Winterlandschaft allein unterwegs. Es soll in Richtung Grünhorn und Ochsenhofer Scharte gehen, zwei Berge, die sich auch von der anderen Seite aus dem beliebten Skitourenrevier um die Schwarzwasserhütte ansteuern lassen. Unser Ziel ist allerdings die Litzescharte. Die Sonne ist zwar nicht zu sehen, als wir abfellen, dafür erlaubt die Sicht einen weiteren Blick übers Tal, wenn auch bei verhangenen Gipfeln. Dank des Neuschnees erwartet uns aber allerfeinster Powder, bis wir dort herauskommen, wo die gestrige Tour startete. An der Talstation des Ifenlifts.
Die Startpunkte für die meisten Skitouren im Tal sind gut mit dem Walserbus, der kostenlos mit Gästekarte oder Skipass genutzt werden kann zu erreichen. Neben Touren rund um den Ifen oder das Walmendinger Horn starten weitere am Talschluss in Baad. Bei einigen Hotels, wie etwa dem Naturhotel Chesa Valisa, in dem wir übernachtet haben, gibt es auch Vergünstigungen, wenn man den Autoschlüssel für die Zeit des Besuches abgibt und das Auto stehen lässt. Umso praktischer ist die regelmäßige Busanbindung, wenn Skitouren wie unsere, unterschiedliche Start- und Zielpunkte haben.
Infos zu Übernachtungen, Touren, Walserbus und anderen Angeboten: kleinwalsertal.com


