Der Wald: Er ist Erholungsort, Rohstoffquelle, Lebensraum und Klimaschützer in einem. Kein Wunder, dass sich hier die Interessen oft kreuzen. Spazierende suchen Ruhe, Mountainbikende den Adrenalinkick, Jagende die Wildbestandskontrolle und Forstwirt:innen die nachhaltige Holznutzung. Doch wie bringt man all diese Bedürfnisse unter einen Hut, ohne dass es zu Konflikten kommt? Ein Forschungsprojekt hat spannende Ansätze gefunden, wie Frieden im Wald mit allen Beteiligten möglich wird.
Mit dem internationalen „Tag des Waldes“ am 21. März rücken die Vereinten Nationen die enorme Bedeutung der Wälder ins Bewusstsein. Sie sind nicht nur wertvolle Ökosysteme, sondern auch Orte vielfältiger Interessen – von Naturschutz über Erholung bis zur wirtschaftlichen Nutzung. In Deutschland werden die Diskussionen über eine nachhaltige Waldnutzung zunehmend intensiver, besonders im Hinblick auf den Klimawandel. Das ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung hat daher eine innovative Mediationsmethode entwickelt und erprobt, die alle Beteiligten an einen Tisch bringt. So entstehen konstruktive Lösungen, die den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden und ein harmonisches Miteinander im Wald fördern.
Titelbild: ©Casey Horner
Kommunikation statt Konfrontation
Oft eskaliert ein Konflikt, weil die Beteiligten gar nicht wissen, warum die jeweils andere Gruppe handelt, wie sie handelt. Der Mountainbikende verstehen nicht, warum sie bestimmte Wege nicht befahren dürfen, der Jagende ärgern sich über plötzlich auftauchende Spazierende, die das Wild aufscheuchen. Hier hilft ein einfacher, aber oft unterschätzter Faktor: Reden! Wenn unterschiedliche Gruppen frühzeitig in Entscheidungsprozesse eingebunden werden, lassen sich Missverständnisse abbauen und Lösungen finden, die alle mittragen können.
Anna Brietzke, Sozial- und Kulturanthropologin am ISOE, betont: „Mit unserem Waldkonflikte-Projekt wollen wir genau untersuchen: Was steckt eigentlich hinter den Argumenten? Wo gibt es Gemeinsamkeiten? Wie ändern sich die Debatten von Waldgebiet zu Waldgebiet? Und: Wir schauen uns dafür lokale Fallbeispiele an, um zu sehen, wie Konflikte dort genau aussehen.“



Runde Tische als Lösungsansatz
Ein vielversprechender Ansatz zur Konfliktlösung ist die Einrichtung von Runden Tischen. Dabei kommen Vertretende unterschiedlicher Interessengruppen zusammen, um gleichberechtigt über Sachprobleme zu diskutieren, Perspektiven auszutauschen und gemeinsame Lösungen zu finden.
Anna Brietzke erläutert: „Unser Ausgangspunkt ist die Frage, welche Arten des Dialogs die Parteien näher zueinander bringen, anstatt sie weiter voneinander zu entfernen. Dabei setzen wir zu Beginn in verschiedenen Regionen auf Runde Tische. Sie sind ein guter Weg, um die Beteiligten ins Gespräch zu bringen und Verständnis für die jeweiligen Sichtweisen zu entwickeln.“
Unterschiedliche Perspektiven berücksichtigen
Die Vielfalt der Interessen am Wald führt zu unterschiedlichen Positionen. So gibt es beispielsweise verschiedene Ansichten zur Kohlenstoffspeicherung: Einige befürworten die Nutzung von Holz als Baustoff, um CO₂ langfristig zu binden, während andere dafür plädieren, Wälder möglichst alt werden zu lassen, um ihre Widerstandsfähigkeit und Klimaschutzfunktion zu erhalten.
Dr. Deike Lüdtke, Ökologin und Projektleiterin, weist darauf hin: „Die einzige Möglichkeit, mit Wäldern Geld zu verdienen, ist im Moment noch der Verkauf von Holz. Alle anderen Leistungen, die Wälder erbringen, sei es die Bindung von Kohlendioxid oder die Abgabe von Sauerstoff oder auch die positiven Beiträge zum Wasserkreislauf, werden den Eigentümerinnen und Eigentümern nicht vergolten.“

Digitale Tools für ein besseres Miteinander
Moderne Technik kann helfen, Konflikte zu vermeiden. So könnten interaktive Karten zeigen, welche Wege wann für welche Aktivitäten freigegeben sind. Eine App könnte Jägerinnen und Jäger warnen, wenn an einem bestimmten Tag viele Wanderende unterwegs sind. Und gut platzierte QR-Codes an Wegen und Rastplätzen könnten Hintergrundinfos zur jeweiligen Nutzung liefern. Digitales Waldmanagement schafft Transparenz und macht Regeln verständlicher.
Multifunktionale Waldzonen
Ein weiterer Lösungsansatz: Nicht jeder Quadratmeter Wald muss für alles offen sein. Durch eine kluge Zonierung könnten Bereiche gezielt bestimmten Nutzungsgruppen zugewiesen werden. In einem Abschnitt könnte der Wald naturnah sich selbst überlassen werden, während in anderen gezielt Wanderwege oder Mountainbike-Trails entstehen. So werden harmonisch abgestimmte Räume definiert, in denen jede Gruppe auf ihre Kosten kommt.
Fazit: Weniger Frust, mehr Waldliebe
Das Forschungsprojekt zeigt: Mit frühzeitiger Kommunikation, digitalen Hilfsmitteln und einer durchdachten Zonierung lassen sich Nutzungskonflikte im Wald entschärfen. Statt ärgerlicher Missverständnisse und unbefugtem Betreten von Sperrzonen entsteht ein gemeinsames Verständnis für die verschiedenen Bedürfnisse. Denn am Ende haben alle dasselbe Ziel: Den Wald als wertvollen Lebensraum zu bewahren – und ihn gleichzeitig sinnvoll zu nutzen.
Mehr Infos: isoe.de